Killer
- Ventrikuläre Tachykardie (VT)
- Fast-Broad-Irregular Tachykardie (FBI)
- Kardiale Dekompensation durch Tachykardie (z.B. tachykardes Vorhofflimmern)
- Hyperkaliämie
- Intoxikation (z.B. trizyklische Antidepressiva, Natriumkanalblocker)
Red Flags
Instabilitätskriterien bei Tachykardie:
- Hypotension (RRsyst <90mmHg)
- Perfusionsdefizit (Laktaterhöhung, verlängerte Rekap-Zeit, Marmorierung, Organversagen)
- Bewusstseinsstörung im Rahmen der Arrhythmie (z.B. Somnolenz, Agitation, Synkope)
- Lungenödem
- Angina Pectoris
Erste Schritte
Instabile Tachykardie → Elektrische Kardioversion!
- Defi-Patches sternal-apikal („Reanimationsposition“) - „Synchronisation“ am Defi aktivieren! (je nach Modell evtl. nach jedem Schock erneut notwendig)
- Analgosedierung
- Kardioversion mit 120J (je instabiler, desto höher - bis 200J)
- 12-Kanal-EKG nach erfolgreicher Kardioversion
- Bei persistierender Tachykardie erneuter Schock mit erhöhter / maximaler Joulezahl
- ggf. Amiodaron 300mg iv. KI vor der nächsten Kardioversion ergänzen
Stabile Pat. mit Tachykardie
- Evaluation: Sinus-/ Bedarfstachykardie? (z.B. Hypovolämie / Schock, Schmerzen, Infekt)
- dann Behandlung zugrundeliegendes Problem
- Einteilung Schmal / Breitkomplextachykardie sowie regelmäßig / unregelmäßig
- ggf. Vagusmanöver (bei rhythmischer Schmalkomplextachykardie)
- Modifiziertes Valsalva Manöver (nach REVERT-Studie)
- Medikamentöses Vorgehen ja nach Tachykardieform
- Zu jedem Zeitpunkt bei akuter Instabilität: Elektrische Kardioversion (s.o.)
Vagusmanöver - modifiziertes Valsalva-Manöver
- Pat sitzt aufrecht auf einer Liege und atmet 15 Sek. maximal pressend (z.B. gegen Spritze) aus, dann rasch
- Patient:in flach lagern und “passive leg raise”: Beine ca. 45° anheben (15 sek.)
- dann wieder “normale” Lagerung
Tipps
Definition Tachykardie: Herzfrequenz >100/min.
- Relevant ist klinischer Zustand (stabil/instabil) und Dauer (persistierend/intermittierend).
- "Je instabiler, desto Strom!“ - bei Kreislaufinstabilität / Schock / drohendem Kreislaufstillstand umgehend elektrische Kardioversion!
Extrem breite Kammerkomplexe (>200ms) insb. mit HF <150/min., häufige Ursachen:
- Hyperkaliämie
→ Calciumgluconat 10% 30ml iv.; Fokus auf HyperK+, primär KEIN Amiodaron - Intoxikation, z.B. Trizyklische Antidepressiva / Natriumkanalblocker
→ Natriumbicarbonat 8,4% 50-100ml iv.; KEIN Amiodaron - Schwer krankes Herz (z.B. akute Ischämie bei vorerkranktem Herz)
Fokus Präklinik
- Red Flags prüfen, Killer aktiv erwägen
- Erste Schritte, insb.:
- Monitoring + 12-Kanal-EKG
- Kritische Tachykardie: Elektrische Kardioversion
- Spezifische Therapie fokussiert
- Extrem breite (>200ms) QRS-Komplexe: DD Hyperkaliämie / Intoxikation
- Transportziel: Klinik mit Kardiologie / bei komplexen Vor-Eingriffen: Rhythmologie
Einteilung Tachykardien
Grobe Unterscheidung von Tachykardien nach (analog zu ERC-Empfehlungen)
- Regelmäßig oder unregelmäßig
- QRS breit (≥120ms) oder schmal
Regelmäßig | Unregelmäßig | ||
---|---|---|---|
Breit | Schmal | Breit | Schmal |
|
|
|
|
Regelmässige Schmalkomplextachykardie
Differenzierung
- P-Welle vor jedem QRS vorhanden?
- typische Morphologie (P positiv in Ableitung I/II/III)
→ Sinusrhythmus - atypische Morphologie
→ ggf. atriale Tachykardie
- typische Morphologie (P positiv in Ableitung I/II/III)
- P-Welle/Sägezahn ("Flatterwellen") zwischen QRS-Komplexen & starrfrequent
→ Vorhofflattern - P-Welle hinter QRS-Komplex versteckt?
→ AV(N)RT
Weitere Differenzierung:
- Sinusrhythmus: Herzfrequenz maximal „220/min. - Alter“ (höhere Frequenz spricht gegen Sinustachykardie)
- Vagusmanöver: Reaktion? Demarkierung von Flatterwellen?
- Modulation? Tipp: Trend am Monitor prüfen
variabler Trend spricht eher für Sinustachykardie und z.B. gegen Vorhofflattern - Lewis-Ableitungen: Demarkierung Sinus- oder Flatterwellen?
Sinustachykardie
Meist Symptom oder Kompensationsmechanismus einer auslösenden Erkrankung. Eine Sinustachykardie bleibt nicht starrfrequent sondern zeigt eine zumindest geringe Frequenzmodulation.
Typische Auslöser bei Sinustachykardie
- Schmerz/Stress
- Volumenmangel/Hämorrhagie
- Schock/Sepsis
- Fieber
- Hyperthyreose
- Lungenembolie
- Schwangerschaft
Checkliste Sinustachykardie
- Auslöser evaluieren (typisch: Schmerz, Infekt)
- Gefährliche Auslöser? (z.B. Schock, Sepsis, Lungenembolie)
- kausale Therapie Auslöser
- Falls kein Auslöser oder bestehende Tachykardie trotz erfolgreicher kausaler Behandlung ggf. Therapieversuch mit Betablocker (z.B. Metoprolol 1-2mg iv.)
- CAVE: Ein potentieller Fehler in der Notaufnahme ist die Entlassung von Pat. mit Sinustachykardie ohne Klärung / Therapie der Ursache!
Vorhofflattern
Kreisende Vorhoferregungen, welche meist mit einer festen Überleitung an den Ventrikel übergeleitet werden (teils auch wechselnde Überleitungen).
Bei Vorhofflattern typischerweise schwierigere medikamentöse Frequenzkontrolle, jedoch meist bessere Rhythmuskontrolle durch elektrische Kardioversion oder Katheterablation.
Vorhofflattern im EKG
Vorhofflattern mit 3:1 Überleitung (eine von drei Flatterwellen wird übergeleitet)
Charakteristika im EKG
- rhythmisches „Sägezahnmuster“ in II, III , aVF
- meist starre Überleitung auf Ventrikel bei fixierter Kammerfrequenz
Elektrophysiologische Detail-Differenzierung:
- Typisches Vorhofflattern (Erregungsausbreitung entlang des cavotrikuspidalen Isthmus im rechten Vorhof), Unterscheidung nach Richtungsverlauf:
- Counter-Clockwise: Flatterwellen negativ in II, III, aVF / positiv in V1
- Clockwise: Flatterwellen positiv in II, III, aVF / negativ in V1
- Atypisches Vorhofflattern beschreibt jede andere Morphologie der Vorhofaktivität, die nicht zu typischem Vorhofflattern passt oder eine P-Wellen Frequenz über 240/min aufweist.
Checkliste Vorhofflattern
- Kalium hochnormal (4,5-5mmol/l) halten
- Magnesiumsulfat 10% 20ml (ca. 8mmol Mg) iv. KI
- Versuch der Frequenzkontrolle analog zu Vorhofflimmern (seltener erfolgreich): Primär Betablocker oder Calciumantagonisten vom Verapamil-Typ (nicht kombinieren!)
- Metoprolol 2,5-5mg iv. (fraktioniert alle 5min wiederholen, maximal 10-20mg) oder
- Verapamil 2,5-5mg iv. (fraktioniert alle 5min. wiederholen, maximal 10mg)
- Antikoagulation z.B. mit Niedermolekularem Heparin
- Stationäre Aufnahme zur zeitnahen Kardioversion
AV(N)RT
Die AV-Knoten-Reentry-Tachykardie (AVNRT) und die AV-Reentry-Tachykardie (AVRT) sind nicht lebensbedrohlich und können notfallmedizinisch umgehend behandelt werden.
AVRT = kreisende Erregung zwischen AV-Knoten und akzessorischer Leitungsbahn vor
AVNRT = Erregung kreist innerhalb des AV-Knotens über längsdissoziierte Bahnen
Klinik:
- typischerweise rezidivierende Episoden von Palpitationen „aus dem Nichts heraus“
- teils auch über Jahre als "Panikattacken" fehldiagnostiziert!
- meist jüngere Patient:innen, sonst herzgesund
- im Rahmen des Anfalls Harndrang
- „Frog-Sign“ - pulsierende Jugularvenen durch Vorhofkontraktion gegen geschlossene Trikuspidalklappe
AVNRT EKG-Grafik
EKG-Grafik AVNRT: Regelmäßige Schmalkomplextachykardie um 150/min ohne sichtbare P-Wellen, Pseudo r` bzw. retrogrades P in V1/V2(blau markiert)
Typische EKG-Zeichen bei AV(N)RT:
- Starrfrequent
- Frequenz ca. 150-200/min.
- P-Wellen oft im QRS verborgen, teilweise als retrogrades P hinter QRS erkennbar
Checkliste AV(N)RT
Primärer Therapieversuch mittels Valsalva-Manöver, falls hier kein Erfolg → Medikamentöses Vorgehen
- Nichtmedikamentöse Therapie: Modifiziertes Valsalva-Manöver
Modifiziertes Valsalva-Manöver
- Pat sitzt aufrecht auf einer Liege und atmet 15 Sek. maximal pressend (z.B. gegen Spritze) aus, dann rasch
- Patient:in flach lagern und “passive leg raise”: Beine ca. 45° anheben (15 sek.)
- dann wieder “normale” Lagerung
- Adenosin (immer unter Monitoring und Reanimationsbereitschaft): Möglichst proximaler iv.-Zugang (z.B. Ellenbeuge). 12-Kanal-EKG-Ausdruck während gesamter Applikation, Pat. vorab über Symptome (Wärmegefühl, Schwindel, Flush) und nur kurze Dauer informieren.
Adenosin 6-12mg iv. als schnellen Bolus
sofort mit NaCl 0,9% 20ml und Infusion nachspülen- Erfolg sollte nach spätestens 60sek. eintreten, ggf. mit erhöhter Dosis (12-18mg) Adenosin erneuten Versuch starten
- Kontraindikationen:
- Vorhofflimmern/-flattern bei AVRT (z.B. bei WPW-Syndrom): 1:1 Überleitung kann induziert werden (Therapieversuch mit elektrischer Kardioversion oder Ajmalin analog zu FBI-Tachykardie, s. unten)
- bekanntes schweres Asthma/COPD (Bronchospasmus möglich, dann Therapie durch Theophyllin)
- AV-Block II° oder III° bzw. Sick-Sinus, Z.n. Herztransplantation
- Alternativ: Verapamil (bei erfolglosem Therapieversuch mit Adenosin, umgehendem Rezidiv oder bekanntem Asthma/COPD). Kontraindikation: Betablocker-Therapie!
- Verapamil 2,5-5mg iv. langsam über >1min.
Weiteres Management bei AV(N)RT: In den meisten Fällen ambulantes Management mit kardiologischer Vorstellung zur EPU (Elektrophysiologische Untersuchung) und ggf. Ablation im Verlauf möglich, hierfür den Patient:innen das 12-Kanal-EKG (mit laufender Tachykardie) in Kopie mitgeben!
Indikationen für eine stationäre Aufnahme zum EKG-Monitoring:
- Kreislaufinstabilität/Synkope unter Tachykardie
- mehrfaches Auftreten in den vergangen 24h mit Notwendigkeit einer medikamentösen Therapie
- Kardiale Dekompensation z.B. im Rahmen der Tachykardie
Atriale Tachykardie
Sinustachykardie: Formal häufigste atriale Tachykardie (s. oben)
Fokale atriale Tachykardie: Regelmäßiger, atrialer Rhytmus mit einer Frequenz über 100/min und umschriebenen Entstehungsort im Vorhof (daher die Bezeichnung „fokal).
Frequenzmaximum liegt ca. bei 240-250/min - bei erhaltener Leitungskapazität des AV-Knotens wird mit 1:1 auf die Kammern übergeleitet. Typisch ist „Warming up“ bzw. „Cooling down“ = langsamer Frequenzanstieg und -abfall bei Beginn und Beendigung der atrialen Tachykardie.
Oft selbstlimitierend, z.B. Multifokale atriale Tachykardie:
Wechselnde P-Wellen-Morphologie (min. 3 unterschiedliche Morphologien).
Therapie (falls nötig): Zuerst Versuch mit Adenosin (analog zu AV(N)RT), falls kein Erfolg Betablocker oder Verapamil (analog zu Vorhofflimmern).
Regelmäßige Breitkomplextachykardie
Bei Breitkomplextachykardie immer ventrikuläre Tachykardie (VT) erwägen, andere DD sind vor allem supraventrikuläre Tachykardien mit Schenkelblock; in seltenen Fällen breite Komplexe bei Hyperkaliämie.
DD bei regelm. Breitkomplextachykardie (Akronym "WIDER")
- W olf-Parkinson-White
- I ntraventrikuläre Leitungsverzögerung (Block, oder ventrikuläres Pacing bei Schrittmacher)
- D rugs (Klasse I-Antiarrhythmika, Trizyklische Antidepressiva)
- E lektrolyte (Hyperkaliämie)
- R aised ST-Segments (ausgedehnte ST-Veränderungen als VT fehlinterpretiert)
- Strukturelle Herzerkrankung + Breitkomplextachykardie = ca. 90% Wahrscheinlichkeit für VT.
- Auch VTs können in einzelnen Ableitungen schmal wirken - es zählt die „breiteste“ Ableitung!
- Vor Amiodarongabe immer kritische Hyperkaliämie ausschließen.
Verdächtig für VT:
- Strukturelle Herzerkrankung, insb. KHK, Herzinsuffizienz
- Breite QRS Komplexe (>140-160ms) (die „breiteste“ Ableitung entscheidet)
- Extrem breite QRS >200ms: DD Hyperkaliämie / Intoxikation
- Morphologie, die nicht zu Rechts- oder Linksschenkelblock passt
- V1: RSr’ Komplexe mit größerem “linken Hasenohr” - in Abgrenzung zum Rechtsschenkelblock, wo das „rechte Hasenohr" größer ist (siehe Grafik-A)
- R-Peak-Wave Time Abl. II >50ms (langsamer „Anstieg“ zu R in Ableitung II) (siehe Grafik-B)
(Nahezu) beweisend für VT:
- AV-Dissoziation, Capture Beat, Fusion Beat (siehe Grafik-C)
- Extreme Vektorachse („Nordwest Achse“ oder „No-Mans-Land“)
- QRS positiv in aVR und negativ in I + aVF (siehe Grafik-D)
- Konkordanz in allen Brustwandableitungen: V1-6 durchgehend positiv oder negativ
V.a. VT - Grafiken
Ventrikuläre Tachykardie
Verschiedene VT-Formen (Details)
Monomorphe ventrikuläre Tachykardie
Die monomorphe VT stell die häufigste Form dar.
In der Praxis werden insb. langsame Frequenzen bei (noch) kompensierten Patient:innen häufig übersehen/fehlinterpretiert (z.B. als supraventrikuläre Tachykardie mit Schenkelblock).
Polymorphe Ventrikuläre Tachykardie
Die polymorphe VT präsentiert sich durch unterschiedlich geformte Kammerkomplexe, bei gleichzeitigem Auftreten mit einer verlängerten QT-Zeit wird sie wird auch als „Torsade de Pointes“ bezeichnet.
Bidirektionale VT
Die bidirektionale VT (abwechselnd zwei verschiedene Kammerkomplexe) stellt eine Sonderform z.B. unter Digitalis-Intoxikation bzw. familiärer, katecholaminerger, polymorpher VT dar. Die Therapie besteht aus einer umgehenden, synchronisierten Kardioversion sowie ggf. Therapie der Intoxikation.
Checkliste Ventrikuläre Tachykardie
- Defibrillationsbereitschaft (auch bei kurzen, selbstlimitierenden VTs!)
- BGA inkl. Kalium
- Kalium hochnormal (4,5-5mmol/l) halten
- 12-Kanal-EKG
- Labor inkl. Troponin
- Synchronisierte Kardioversion bei Instabilität bei anhaltender VT, dann
- Therapie Grunderkrankung:
- Kalium
- kardiale Ischämie (Herzkatheter?)
- bei ICD-Träger:innen: Kontakt Kardiologie → Anpassung ICD-Einstellungen, Überstimulieren möglich/sinnvoll?
- Rezidivierende Arrhythmien: Amiodaron 300mg iv. KI
(Kontraindikation: Kritische Hyperkaliämie, QTc-Verlängerung, Hyperthyreose)
- Falls keine Besserung:
- Magnesiumsulfat 10% 20ml (ca. 8mmol Mg) iv. KI (bei Torsaden früher!)
- Lidocain 100mg iv. Bolus erwägen
- " VT-Sturm" (rez. VTs trotz aller Maßnahmen): Sedierung zur Reduktion Sympathikotonus erwägen (z.B. niedrigdosiert Propofol 10-20mg iv. Boli)
- ICD-Träger:innen mit mehrfacher Schockabgabe: Analgosedierung!
Unregelmäßige Schmalkomplextachykardie
Vorhofflimmern
Einteilung Vorhofflimmern nach Dauer und Häufigkeit
- paroxysmal: intermittierend auftretend (Konversion in Sinusrhythmus nach spätestens 7d)
- persistierend: Dauer > 7d (lang anhaltend persistierend: über ein Jahr)
- permanent: keine Rhythmuskontrolle möglich / akzeptiertes Vorhofflimmern
Vorhofflimmern bei sonst herzgesunden Patient:innen ist meist Folge und nicht Ursache einer Kreislaufinstabilität!
Vorhofflimmern im EKG
Typische Trias des Vorhofflimmerns im EKG:
- unruhige Grundlinie
- keine fixen P-Wellen
- unregelmäßige QRS-Komplexe
Sekundäres Vorhofflimmern = spezielle Auslöser sind vorhanden:
Sekundäres Vorhofflimmern - typische Auslöser
- Sepsis / Infekt
- Lungenembolie
- Anämie / Akute Blutung
- Elektrolytstörung (z.B. Hypokaliämie)
- Herzinsuffizienz
- ACS (akut oder Z.n. ACS)
- Hyperthyreose
- Vermehrter Alkoholkonsum („Holiday Heart“)
- Rheumatische Herzerkrankung
Checkliste Vorhofflimmern
- Bei sekundärem Vorhofflimmern auslösende Ursache behandeln (z.B. Sepsis/Infekt, Elektrolytstörung, Hyperthyreose)
- Volumendefizit ausgleichen, Fieber senken
- Kalium hochnormal (4,5-5mmol/l) halten
- Magnesiumsulfat 10% 20ml (ca. 8mmol Mg) iv. KI
- Frequenzkontrolle: Primär Betablocker oder Calciumantagonisten vom Verapamil-Typ (nicht kombinieren!)
- Metoprolol 2,5-5mg iv. (fraktioniert alle 5min wiederholen, maximal 10-20mg) oder
- Verapamil 2,5-5mg iv. (fraktioniert alle 5min. wiederholen, maximal 10mg)
- ggf. Digitoxin (falls Betablocker/Verapamil nicht ausreichend): 0,25-0,5mg iv. initial
- dann 0,25mg/8h an Tag 1, weiter nach Spiegel- und Frequenzkontrolle (bei grenzwertiger Hypotonie oder bekannter akuter Herzinsuffizienz kann ggf. auch initial mit Digitoxin begonnen werden)
- “Hypotonie wegen Vorhofflimmern oder Bedarfstachykardie mit Vorhofflimmern?”
- → Echo: Bei reduzierter LV-Funktion nur vorsichtig Betablocker (ggf. kurzwirksame BB z.B. Esmolol 10-20mg langsam über mehrere min. iv.) + klinische Kontrolle
- Antikoagulation: Immer nach Kardioversion für 4 Wochen, dann nach Abwägen
Chronische Herzinsuffizienz
Arterielle Hypertonie
Alter >75 J. (2 Punkte)
Diabetes Mellitus
Schlaganfall / TIA / Thrombembolie (2 Punkte)
(kardio-)vaskuläre Vorerkrankung, AVK, KHK
Alter 65-74 Jahre
Weibliches Geschlecht (Sex category)
HAS-BLED Score
ab ≥ 2 Punkten: Relevantes Blutungsrisiko; Risikofaktoren minimieren (Sturzprophylaxe, Medikamenteninteraktionen etc.) + therapeutische Antikoagulation individuell abwägen
- H (arterielle Hypertension): 1 Punkt
- A (abnorme Nierenfunktion / Leberfunktion): je 1 Punkt
- S (Schlaganfall): 1 Punkt
- B (Blutungsneigung z.B. bekannte Hämophilie): 1 Punkt
- L (Labile INR-Werte; falls VKA Therapie vorliegt): 1 Punkt
- E (Elderly - Alter >65 Jahre): 1 Punkt
- D (Drugs - Einnahme von Thrombozytenaggregationshemmern/NSAR oder Alkoholabusus): je 1 Punkt
Rhythmuskontrolle bei Vorhofflimmern
Formen der Kardioversion - medikamentös / elektrisch
Generelle Gefahr (bei elektrischer / medikamentöser KV): Schlaganfall-Risiko
Übliches Verfahren (wegen geringen Nebenwirkungen) bei erstmaligem Vorhofflimmern
- Vorteile: kaum Nebenwirkungen, schnell und effektiv
- Nachteil: Analgosedierung/Sedierung notwendig
Medikamentöse Kardioversion
- Kardial vorerkrankt: Amiodaron 150-300mg iv. KI (ggf. einmal wiederholen) CAVE: Jodallergie, Schwangerschaft, Hyperthyreose
- Nebenwirkung: Lungenfibrose bei längerfristiger Gabe, multiple andere NW
- Kardial bis auf VHFli gesund: Propafenon 450mg po. oder Flecainid 200mg po.
CAVE: Erstanwendung unter Monitoring! (kann Blockbilder/Vorhofflattern induzieren)- Kontraindikation: strukturelle Herzerkrankungen/KHK
Kardioversion wann und wie?
- Dauer >48h: Immer zuerst Ausschluss eines Vorhofthrombus mittels TEE oder sicher bestehende, therapeutische Antikoagulation >3(-4) Wochen
- Bei verlässlicher Einnahme von oraler Antikoagulation über mind. 3(-4) Wochen kann ev. auf ein TEE verzichtet werden (in Deutschland eher unüblich)
- Dauer <48h: Kardioversion auch ohne TEE möglich
- in Deutschland eher unüblich, da das erstmalig dokumentierte Vorhofflimmern oft bereits unerkannt länger besteht, Pat. daher vorab aufklären.
- Nach Kardioversion: Mind. 4 Wochen volle Antikoagulation (AK; danach nach Risikoprofil, s. oben)
- Sonderfall: Falls Vorhofflimmern definitiv <24h + niedriges Risiko (CHA2DS2-VASc ♂︎0 Pkt. oder ♀︎ 1 Ptk.) ev. keine AK nötig (Einzelfallentscheidung!)
- Im Verlauf ambulantes Langzeit-EKG, Rezidive häufig - kardiologische Anbindung empfehlen
Sinusarrhythmie
- P-Wellen vor QRS klar abgrenzbar, PQ-Abstand gleichbleibend
- ggf. Frequenzveränderungen atemsynchron
- Häufig bei jungen, schlanken Patient:innen
- bei Tachykardie s. Sinustachykardie oben;
bei Normofrequenz üblicherweise keine Krankheitsrelevanz
Unregelmäßig übergeleitetes Vorhofflattern
- Meist feste „Periodik“ (z.B. bei Wechsel zwischen 2:1 und 3:1)
- Flatterwellen zwischen QRS-Komplexen abgrenzbar
- Therapie siehe Vorhoflattern (oben)
Unregelmäßige Breitkomplextachykardie
Wichtige Differenzialdiagnosen:
Frequenzsenkung mit Betablocker oder Calciumkanalblocker nur bei sicher vorliegendem Vorhofflimmern mit Schenkelblock!
Bei DD FBI-Tachykardie: Keine Betablocker, Calciumkanalblocker, Digitalis oder Amiodaron!
Vorhofflimmern mit Schenkelblock
Wahrscheinlich bei:
- Typische LSB/RSB Konfiguration (ggf. Vergleich mit Vor-EKG)
- QRS-Morphologie im Vergleich mit Vor-EKG unverändert
- Therapie siehe Vorhofflimmern
FBI-Tachykardie
= Vorhofflimmern mit Präexzitation ("fast, broad, irregular"), wahrscheinlich bei:
- Wechselnde QRS-Morphologie mit vereinzelt schmalen QRS-Komplexen
- Hohe Kammerfrequenz (>200/min.)
FBI-Tachykardie EKG-Grafik
Checkliste FBI-Tachykardie
- Konstante Überwachung, ständige Defibrillationsbereitschaft (Defi-Patches kleben!)
- Therapie: elektrische Kardioversion
- alternativ Ajmalin 25-50mg langsam iv. (nicht mehr als 10mg pro Minute!), nach 30min. ggf. wiederholen
- CAVE: Alle Medikamente, die den AV-Knoten bremsen, sind kontraindiziert, da eine 1:1 Überleitung über die akzessorische Bahn induziert werden kann: Betablocker, Verapamil, Adenosin, Digitalis und Amiodaron!
Torsade de pointes
Typischerweise Beginn durch ventrikuläre Extrasystole, welche in die vulnerable Phase (häufig bei QTc-Verlängerung) einfällt ("R auf T-Phänomen") und die VT auslöst. QTc-Verlängerung meist Folge von Medikamenteneinnahme, Intoxikation oder Elektrolytstörungen.
Wahrscheinlich bei:
- Plötzlichem Beginn und meist selbstständigem Sistieren
- Kann jederzeit in Kammerflimmern degenerieren!
- Vorbestehend verlängerte QT-Zeit und Beginn mit VES
- Typische Morphologie („Spitzenumkehr“ bzw. undulierende QRS-Komplexe)
Torsade Beispiel-EKG
Torsade de Pointes: Rot markiert die einfallende Extrasystole und die nachfolgende Torsade, erkennbar an dem wechselnden Vektor/Amplitude bei in der Abbildung selbstständiger Limitierung
Checkliste Torsade de Pointes
- Defibrillationsbereitschaft (Defi-Patches kleben!)
s. auch Checkliste VT oben - Magnesiumsulfat 10% 20ml (ca. 8mmol Mg) iv. KI
(kein Amiodaron da neg. chronotrop, QT-verlängernd)
- Zur Vermeidung erneuter Torsaden / bei rez. Torsaden: Anheben der Grund-Herzfrequenz (Ziel: 80-100/min)
- Therapie der Grundkrankheit (meist Intoxikation / Elektrolytentgleisung)
- Insb. Hypokaliämie ausgleichen
- Absetzen bradykardisierender Medikation
- ggf. Anlage eines transvenösen Schrittmachers oder Versuch mit Isoprenalin-Perfusor
- bei ausgeprägter Extrasystolie ggf. Lidocain 50-100mg iv.
- Therapie der Grundkrankheit (meist Intoxikation / Elektrolytentgleisung)
Vermehrte ventrikuläre Extrasystolie (VES)
- Meist kein akut relevantes notfallmedizinisches Problem, jedoch teils ausgeprägte Symptomlast für Patient:innen.
- Insb. bei ausgeprägter Extrasystolie bzw. Bigeminus mit Pulsdefizit kann eine hämodynamische Relevanz vorliegen: spO2 Kurve mit der EKG Ableitung vergleichen um Pulsdefizit zu erkennen.
Die Herkunft der VES kann anhand der Morphologie eingegrenzt werden:
- LSB-artig = rechter Ventrikel
- RSB-artig = linker Ventrikel
Checkliste symptomatische, vermehrte ventrikuläre Extrasystolie
- Probatorische Betablocker-Gabe z.B. Metoprolol 2-3mg iv. (ggf. Betablocker in Dauer-Medikation erhöhen)
- Magnesiumsulfat 10% 20ml (ca. 8mmol Mg) iv. KI
- Kalium hochnormal (4,5-5mmol/l) halten
- Bei stationärer Aufnahme: Langzeit-EKG zur Abschätzung der VES-Häufigkeit im Tagesverlauf
- Anamnestisch/klinisch Hinweise für einen auslösenden Myokardschaden ausschließen
- Bei hämodynamischer Beeinträchtigung zusätzlich durchgehendes Monitoring, weitere Abklärung analog zu VT
Schrittmacher-/ICD-Dysfunktion
Details siehe: Schrittmacher-Dysfunktion
Checkliste Schrittmacherdysfunktion
- Anamnese (Implantationszeitpunkt? Komplikationen? etc.)
- 12-Kanal-EKG
- ggf. Rö-Thorax/Echo (Sondenlage?)
- Labor (Elektrolyte, Troponin)
- Rücksprache Rhythmologie / rasche Schrittmacher-/ICD-Kontrolle!
- Tachykarder Puls + Symptomatik / Instabilität: Magnet auflegen! (Besserung beweist Schrittmacherbeteiligung)
- bei trotzdem sichtbaren tachykarden Schrittmacherstimulationen: Position Magnet korrekt? Rasche Rücksprache Kardiologie!
- (Inadäquate) Schockabgabe: Magnet auflegen = ICD Funktion wird deaktiviert
- Kontinuierliches Monitoring, um rhythmogene Ursache für ggf. adäquate Schockabgabe auszuschließen!
Weiterführende Literatur und Links
Interessante Links (frei zugänglich)
- Recurrent and refractory Torsade de Pointes (EMdocs 2024)
- VT versus SVT (life in the fast lane 2023)
- ESC Leitlinie Ventrikuläre Arrhythmie (ESC 2022)
- Leitlinie Reanimation / Advanced Life Support (ERC 2021)
- ESC Leitlinie Vorhofflimmern (ESC 2020)
- ESC Leitlinie Supraventrikuläre Tachykardie (ESC 2019)
- VT or Not? (Nerdfallmedizin 2019)
- Approach to Wide Complex Tachykardia (ECGpedia 2013)
Literatur
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- Weber, K. Antiarrhythmika im Notfall. Notfall Rettungsmed 25, 596–601 (2022).
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- Eschbach, T. & Fessele, K. SOP Präklinisches Management von Breitkammerkomplextachykardien. Notfallmedizin up2date 16, 131–136 (2021).
- Hindricks, G. et al. 2020 ESC Guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation. Eur. Hear. J. 42, ehaa612 (2020).
- Kleemann, T. Akute Notfälle bei Schrittmacher- und ICD-Trägern. Notaufnahme up2date 2, 143–156 (2020).
- Kloppe, A., Schiedat, F., Mügge, A. & Mijic, D. Sachgerechtes Vorgehen bei Herzschrittmacher- und ICD‑Fehlfunktion. Herzschrittmachertherapie Elektrophysiologie 31, 64–72 (2020).
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