1. Leitsymptome
  2. Kopf und Neuro

Schwindel

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Killer

Red Flags

  • Kardiovaskuläre Symptome, u.a.:
    • Synkope, Benommenheit, Palpitationen, Dyspnoe, AP
  • Fokal-Neurologische Symptome, u.a.:
    • Ausgeprägte Ataxie, Diplopie, faziale Schwäche, Sensibilitätsstörung
    • Pathologischer Spontannystagmus (vertikal oder richtungswechselnd)

Erste Schritte

  • Akut kritisches Problem?
    • Vorgehen nach ABCDE (insb. Blässe? Marmorierung? AP? Dyspnoe?)
    • 12-Kanal EKG (Rhythmusstörung? Ischämiezeichen?)
    • Venöse BGA (Blutzucker, Elektrolyte, Laktat, Hb)
  • „Purer Schwindel“ → Abklärung nach zeitlichem Verlauf und Auslöser
    • Aktuell anhaltender Schwindel oder episodisch auftretend?
    • Was sind mögliche Auslöser (" Trigger")? z.B. „immer nach Blutdrucktablette…“ oder „immer, wenn ich mich im Bett umdrehe/mir die Schuhe zubinde…“

Tipps

  • Schwindel ist für Patient:innen ein schwer fassbarer Begriff. Oft werden „Benommenheit“ ebenso wie „Präkollapsgefühl“, aber auch „Gangunsicherheit“ (z.B. bei PNP) unter dem Begriff „Schwindel“ zusammengefasst. Genauere Anamnese ist hier hilfreich - die Patient:in soll den Schwindel mit eigenen Worten beschreiben: Zentrale Unterscheidung “Präkollaps” bzw. "Benommenheitsgefühl" vs. “Schwindel” - aber auch dies ist letztlich nicht 100% verlässlich.
  • Häufigste Ursache von „isoliertem“ Schwindel: BPLS

Fokus Präklinik

  • Red Flags prüfen, Killer aktiv erwägen
  • Erste Schritte, insb.:
  • Transportziel: Kaum ambulant abschließend zu klären
    • Wenn Situation / Genese unklar: Klinik mit Neurologie, optimal + HNO

Flowchart Schwindel

  • Primär Ausschluss kritisches ABC-Problem
  • dann Einteilung in AVS, t-EVS und s-EVS
Schwindel

AVS: Akutes Vestibuläres Syndrom

Konstanter Schwindel (spontan begonnen, länger und auch aktuell anhaltend).

Ursachen:

  • Peripher: z.B. akute Vestibularisneuropathie (“akute periphere unilaterale Vestibulopathie”, oft auch "Neuritis Vestibularis")
    Benignes Krankheitsbild mit typischerweise unidirektionalem, horizontalen Spontannystagmus, ohne fokal-neurologisches Defizit und nur leichte Gangataxie
  • Zentral: Kleinhirninfarkt oder (selten) Hirnstammischämie, meist mit zusätzlichem fokal-neurologischem Defizit (insb. Hirnnerven); in seltenen Fällen auch ohne Defizite
Weitere, seltene Ursachen
  • Sonderfall "anhaltend, aber getriggert“
    → Trigger? Typisch: (Knall-) Trauma oder neue Medikation / Drogen
  • Wernicke-Syndrom
  • Multiple Sklerose
  • Labyrinthitis

Checkliste AVS

  • Fokussierte neurologische Untersuchung
    • insb. (Hemi-) Ataxie: Koordinationsstörung? (Finger-Nase-Versuch - Seitendifferenz?)
    • Fokalneurologisches Defizit?
    • Vertikaler oder richtungswechselnder Spontannystagmus?
    • Einseitige Hörminderung?
  • HINTS-Test - siehe unten
  • V.a. zentrale Genese:Stroke-Management“: typisch CCT (+Angiografie), neurologische Weiterbehandlung, zeitnah MRT
  • V.a. periphere Genese: Neuro-/HNO-Weiterbehandlung

HINTS-Test

HINTS

HINTS-Test

Head Impulse, Nystagmus, Test of Skew

Untersuchung und Technik

Beurteilung

Kopfimpulstest (“Halmagyi”)

Kopf ruckartig nach links und rechts drehen: Pat. soll Untersucher:in fixieren. Nicht immer vorhersehbar für Patient:in machen. Ca 20° zur Seite, dann rasch zur Mitte, zwischen langsam und schnell und Seiten wechseln.

„Normalbefund“:
Automatisches, rasches Fixieren der Untersucher:in. Bei Schwindel: Hinweis auf zentrale (!) Genese (z.B. Kleinhirninfarkt)

„Pathologischer“ Befund:
Augen drehen mit Kopfbewegung mit, Pat. muss aktiv nach-justieren/zeigt Sakkaden. Bei Schwindel: Hinweis auf peripher-vestibuläre Genese (z.B. Neuritis vestibularis)

Nystagmus

(Optimalerweise mit Frenzelbrille untersucht; alternativ soll Pat. versuchen, „in die Ferne“ oder durch ein vorgehaltenes weißes Blatt Papier zu blicken):

  • Spontaner Nystagmus?
  • Fingerfolgen (horizontale und vertikale Bewegung bis an Rand des Blickfeldes)

Einseitiger, horizontaler (spontaner) Nystagmus:
Hinweis auf periphere Genese (z.B. Neuritis vestibularis)

Richtungswechselnder und/oder vertikaler Spontan-Nystagmus:
Hinweis auf zentrale Genese (z.B. Kleinhirninfarkt)

Tipp: Minimaler „Endstellnystagmus“ bei extrem lateralen Blick in beide Richtungen ist normal!

Test of Skew (Test auf Bulbusdeviation)

Alternierendes Abdecken eines Auge, Pat. sieht gerade aus

Vertikaler Positionswechsel der Bulbi (ein Auge blickt etwas mehr nach oben/unten):
V.a. zentrale Genese (z.B. Kleinhirninfarkt)

S-EVS: Spontanes Episodisches Vestibuläres Syndrom

Schwindelattacke/n, spontan auftretend, kein klarer Trigger, nicht anhaltend.

Ursachen:

  • vestibuläre Migräne
  • TIA im posterioren Stromgebiet
  • Herzrhythmusstörung (rhythmogene Präsynkope), Lungenembolie
  • M. Menière

Checkliste s-EVS

  • Erhöhtes neurologisches bzw. kardiovaskuläres Risikoprofil oder zusätzlich akute /Z.n. Neuro-Symptomatik
    akute „Neuro-TIA Abklärung (Bildgebung, Monitoring, LZ-EKG)
  • Alternativ: Rhythmogene Genese (Präsynkope) bedenken (Palpitationen? Neue Medikation?): Internistische / stationäre Abklärung erwägen

T-EVS: Triggerbar Episodisches Vestibuläres Syndrom

Triggerbare Schwindelattacken z.B. Auslösung durch Bewegung (klassisch z.B. „im Bett beim Umdrehen“).

Häufige Ursachen:

  • Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel (BPLS)
  • Orthostase / Hypotension
Weitere, seltene Ursachen
  • “central paroxysmal positional vertigo” (CPPV) durch strukturelle Läsion wie Schlaganfall
    - hier meist zusätzlich fokalneurologisches Defizit
  • TIA des posterioren Stromgebiets bei kompressionsbedingtem A.-vertebralis-Syndrom
  • Carotis-Sinus-Syndrom
  • Posturales Tachykardiesyndrom (inadäquater HF-Anstieg ohne RR-Abfall beim Wechsel von liegender Position zu stehender Position)

Checkliste t-EVS

  • Hinweise auf hämodyamische (z.B. orthostatische) Genese?
  • Wenn keine klare Ursache: BPLS-Diagnostik = "Lagerungsmanöver" s. unten
    • 90% Ursache posteriorer vertikaler Bogengang, Diagnostik via Dix-Hallpike Manöver, Therapie via Epley-Manöver
    • Sonderfall horizontaler Bogengang (relativ selten): Diagnostik „Head Roll Test“, Therapie: „Gufoni-Manöver“
  • BPLS: Üblicherweise ambulante Versorgung möglich - dann Pat. möglichst Anleitung für Lagerungsmanöver mitgeben, soll diese dann mehrfach täglich zu Hause durchführen - keine “Schonung”
    • Falls Entlassung nicht möglich/Befund unklar: HNO-/Neuro-Weiterbehandlung

Lagerungsmanöver

Dix-Hallpike + Epley Manöver (posteriorer BPLS)

BPLS

Head-Roll-Test + Gufoni Manöver (horizontaler BPLS)

BPLS2
BPLS3

Interessante Links (frei zugänglich)
Literatur
  • Edlow, J. A. et al. Guidelines for reasonable and appropriate care in the emergency department 3 (GRACE‐3): Acute dizziness and vertigo in the emergency department. Acad. Emerg. Med. 30, 442–486 (2023).
  • Pelletier, J., Koyfman, A. & Long, B. Pearls for the Emergency Clinician: Posterior Circulation Stroke. J. Emerg. Med. 65, e414–e426 (2023).
  • Machner, B. & Heide, W. Akuter Schwindel: Ersteinschätzung in Notarztdienst und Notaufnahme. Notfallmedizin up2date 17, 291–305 (2022).
  • Scheuer, V., Neubert, C. & Schick, B. Schwindel in der Notaufnahme: Was nun? Notaufnahme up2date 2, 23–34 (2020).
  • Edlow, J. A., Gurley, K. L. & Newman-Toker, D. E. A New Diagnostic Approach to the Adult Patient with Acute Dizziness. J. Emerg. Med. 54, 469–483 (2018).
  • Zamaro, E., Vibert, D., Caversaccio, M. & Mantokoudis, G. «HINTS» bei akutem Schwindel: peripher oder zentral? Swiss Méd. Forum 16, 21–23 (2016).
  • Kattah, J. C., Talkad, A. V., Wang, D. Z., Hsieh, Y.-H. & Newman-Toker, D. E. HINTS to Diagnose Stroke in the Acute Vestibular Syndrome. Stroke 40, 3504–3510 (2009).
  • Seemungal, B. M. & Bronstein, A. M. A practical approach to acute vertigo. Pr. Neurol. 8, 211 (2008).
  • Brevern, M. von & Lempert, T. Benigner paroxysmaler Lagerungsschwindel. Nervenarzt 75, 1027–1037 (2004).

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