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Kopfschmerz

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Killer

Red Flags

Merkhilfe "SNOOPP"

  • Systemische Symptome (Fieber, Erbrechen etc.) oder sekundäre Risikofaktoren (z.B. HIV, maligne Erkrankung, bek. zerebrales Aneurysma)
  • Neurologische Symptome (fokale Defizite, Vigilanzminderung, Meningismus, Krampfanfall)
  • Onset (schlagartiger Beginn)
  • Older Age (erstmaliges Auftreten von Kopfschmerz >50 J.)
  • Pattern Change (neuartige Kopfschmerzen/Veränderung von Charakter, Frequenz, Ausprägung)
  • Pregnant/Postpartum (Schwangerschaft, unmittelbar postpartal)

Erste Schritte

  • Anamnese: Kopfschmerzbeginn/-verlauf, Begleitsymptome, Begleiterkrankungen, Risikofaktoren/Red Flags (s.o.)
  • Massiver "Donnerschlagkopfschmerz", ggf. neurologische Symptomatik
    → V.a. SAB: CCT+CT-A (bei hochgradigem V.a. SAB und unauffälligem CT: Lumbalpunktion!)
    • Nachweis SAB: CT-Angiografie, Rücksprache Neurologie/Neurochirurgie
  • Kopfschmerz, Fieber, Meningismus
    → V.a. Meningitis: Dexamethason, Blutkulturen, Antibiose, CCT, LP
  • Weiteres Vorgehen:
    • Analgesie + fokussierte körperliche Untersuchung plus:
      • Meningismus?
      • Untersuchung Augen (Pupillen, Sehstörungen), evtl. Bulbushärte - Glaukomanfall?
      • Fokussierte neurologische Untersuchung, inkl. Hirnnerven, motorische und/oder sensorische Ausfälle
      • Schmerz bei der Kieferöffnung/beim Kauen, Sehstörung, ggf. schmerzhafte Palpation Aa. temporales superficiales, (v.a. bei Patient:innen >50 J.) → Riesenzellarteriitis?
    • Red Flags / Hinweis auf sekundäre Kopfschmerzursache? → CCT
      • CT-Venografie bei V.a. Sinusvenenthrombose)
      • CT-Angiografie bei V.a. Carotis-/Vertebralisdissektion
      • Labor insb. Entzündungszeichen (infektiöse Genese, Riesenzellarteriitis) und ggf. CO (DD Kohlenmonoxidvergiftung)

Tipps

Häufiger Vorstellungsgrund, selten lebensbedrohliche (sekundäre) Ursachen. Priorität: Ausschluss sekundärer Kopfschmerzen (→ “Red Flags“) und Beschwerdelinderung

Prinzipien der Therapie bei unspezifischem Kopfschmerz:
  • Analgesie sowohl po. als auch iv. möglich z.B.
    • Paracetamol 500-1000mg, dann 500mg /4-6h po. oder
    • Ibuprofen 400mg, dann 400mg /4-6h po. oder
    • ev. Metamizol 500-1000mg, dann 500mg /4-6h po.
  • Bei Beschwerdepersistenz Therapie um bisher noch nicht eingenommenes Analgetikum ergänzen
  • Bei längerfristiger Einnahme von NSAR wegen Kopfschmerz auch an medikamenteninduzierten Kopfschmerz denken - mittelfristig Limitierung der Einnahme auf max. 15 Tage im Monat empfohlen
  • Nach Ausschluss "Red Flags" und ggf. symptomatischer Therapie: Ambulante neurologische Vorstellung bei erstmaligem Auftreten/bisher noch nicht erfolgter Diagnostik empfehlen und zu Schmerztagebuch animieren
Einteilung: Primäre und sekundäre Kopfschmerz-Formen

Primäre Kopfschmerzen:

  • Spannungskopfschmerz
  • Migräne
  • trigeminoautonome Kopfschmerzen
    • Clusterkopfschmerz
    • andere Subformen

Sekundäre Kopfschmerzen:

  • Zerebrale Ursachen (Subarachnoidalblutung, Meningitis, Sinusvenenthrombose, Subduralhämatom, Gehirntumor)
  • Riesenzellarteriitis
  • Kopfschmerz nach LP
  • posttraumatisch nach SHT
  • “Systemische” Ursachen (viraler Infekt, Stoffwechselstörung, Glaukomanfall)

Bei Kopfschmerz und Schädel-Trauma siehe Schädelhirntrauma

Fokus Präklinik

  • Red Flags prüfen, Killer aktiv erwägen
  • Erste Schritte, insb.:
    • Symptomatische Therapie (Analgesie, bei Vigilanzminderun ggf. Atemwegssicherung)
    • Eigenschutz bei Kopfschmerz + Fieber (bei Meningitisverdacht)
    • Anamnese: Antikoagulation?
  • Spezifische Therapie fokussiert
    • V.a. intrakranielle Blutung: Erst ab RRsyst 220mmHg senken, MAP ≥70-90mmHg halten (Hypotonie unbedingt vermeiden)
  • Transportziel: Klinik mit Neurologie
    • V.a. Trauma / ICB + Neurochirurgie!

Spannungskopfschmerz

Eine der häufigsten Kopfschmerzformen. Bei klassischer Symptomatik ohne Red Flags keine Bildgebung nötig.

Symptomatik:

  • beidseitiger / holocephaler Kopfschmerz, drückend (nicht pulsierend!)
  • eher leichte bis mittlere Schmerzstärke
  • Keine Übelkeit/Erbrechen, keine Photophobie, nicht durch körperliche Aktivität verstärkt

Checkliste Spannungskopfschmerz

  • Expliziter Ausschluss von Red Flags
  • Medikamentöse Therapie:
    • NSAR / PCM (z.B. Paracetamol 1000mg po. und/oder ASS 500-1000mg po. und/oder Ibuprofen 400-800mg po.)
      • ev. Kombinationstablette mit ASS + Paracetamol + Koffein wenn keine ausreichende Besserung
      • ggf. Metamizol 500-1000mg (po. oder iv.)
    • Chronische Spannungskopfschmerzen (>15 Tage pro Monat): ggf. Einleitung Amitriptylin, jedenfalls ambulante Vorstellung Neurologie
  • Bei chronischen Schmerzen Aufklärung über Gefahr eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes bei Einnahme von Schmerzmitteln >15 Tagen pro Monat

Migräne

Eine der häufigsten Kopfschmerzformen, höchste Prävalenz zwischen 20. und 50. Lebensjahr, Frauen > Männer. Kann als Migräne mit Aura (nur 25-30%) oder ohne Aura auftreten.

Symptomatik:

  • Heftig pulsierender, eher einseitiger Kopfschmerz (kann die Seite wechseln)
  • Attackenweises Auftreten (zwischen 4-72h anhaltend)
  • Eventuell Aura:
    • Meist Sehstörungen (“Blitze”, “wie ins Licht gesehen”, Gesichtsfeldeinschränkung), teils auch Sensibilitäts- oder Sprachstörungen, Lähmungen, in aller Regel einseitige Symptomatik. Klassisch ist eine “wandernde” (d.h. sich stetig verändernde) Symptomatik.
    • Dauer meist 10-20 Minuten und Auftreten vor dem Kopfschmerz, aber längere Dauer und Auftreten gleichzeitig mit Kopfschmerz oder völlig ohne Kopfschmerz möglich
  • Begleitsymptome:
    • Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Überempfindlichkeit gegenüber Gerüchen
    • Photophobie, Lärmempfindlichkeit, Aktivierung des Parasympathikus (Augentränen)
    • Ruhebedürfnis, Beschwerden verschlimmern sich bei Bewegung

Checkliste Migräne

Oft haben Patient:innen meist bereits orale Medikation eingenommen, dann Eskalation der Therapie:

  • Antiemetika bei Übelkeit (insb. MCP 10mg po./iv.)
  • Analgesie:
    • Stufe 1: NSAR, Metamizol, ASS in höherer Dosierung (z.B. Ibuprofen 600mg, Metamizol 1000mg, ASS 1000mg) - ggf. in Kombination
    • Stufe 2: Triptane (starke Attacken oder fehlendes Ansprechen auf ASS/NSAR) z.B.
      • Sumatriptan 6mg sc. (maximal 2x/24h, Mindestabstand 2 Stunden zwischen 2 Gaben) oder
      • Zolmitriptan 2,5-5mg in.
    • Schwangerschaft: Paracetamol 1.000mg/8h po. oder iv.
  • Bildgebung bei unklarem Symptombild oder ggf. erster Attacke (dann bei Verfügbarkeit idealerweise MRT)
    • Bei eindeutiger klinischer Präsentation ohne Red Flags Bildgebung nicht indiziert, insbesondere bei wiederholter Vorstellung, bekannter Symptomatik und bereits erfolgter Bildgebung

Subarachnoidalblutung (SAB)

Blutung meist nahe der Hirnbasis aus rupturiertem Gefäßaneurysma (Circulus arteriosus cerebri; alte Bezeichnung: Circulus arteriosus Willisii), seltener infolge von Dissektion, Gefäßmalformation etc.

Symptomatik:

  • Primär massive Kopfschmerzen, meist als „Donnerschlagkopfschmerz“ (plötzliches Einsetzen starker Kopfschmerz), oft mit Meningismus
  • Teilweise rasche Progredienz mit Bewusstseinsstörungen bis hin zur Bewusstlosigkeit, Hirnnervenparesen und andere neurologische Ausfälle bei schweren Formen möglich (auch unmittelbares Koma ohne Prodromalsymptome)
  • Bei schweren Formen Atem- und Kreislaufstillstand möglich
  • Evtl. „Warnblutung“ mit leichter Symptomatik vorab

Diagnose: CCT + CT-Angiografie

Checkliste SAB

  • Stabilisierung Vitalparameter
  • Ziel-Blutdruck: RR MAP 70-90 mmHg (jedenfalls RRsyst <160mmHg)
  • Adäquate Analgesie
  • Antagonisieren bestehender Antikoagulation
  • Nachweis/Lokalisation Aneurysma via CT-Angiografie
    • Bei Nachweis frühzeitige Therapieplanung zur interventionellen Coilembolisation oder dem neurochirurgischen Clipping (jedenfalls innerhalb der ersten 72h)
  • CAVE: Bereits in den ersten Stunden Vigilanzverschlechterung durch Hirndruckerhöhung oder Hydrozephalus möglich - frühzeitiger Kontakt zu Neurochirurgie (z.B. Ventrikeldrainage nötig?)

Enzephalitis / Meningitis

Entzündung des Gehirns und/oder der Hirnhäute.

Symptomatik:

  • Kombination aus:
    • Bewusstseinsstörung (Enzephalopathie)
    • Fieber. häufig auch Meningismus, Photophobie + Kopfschmerz
    • Ev. epileptische Anfälle
  • CAVE: Auch alle anderen Arten neurologischer Ausfälle als Symptomatik möglich! Parallel Suche nach Sepsisfokus und anderen Ursachen für Vigilanzminderung. Bei infektiösen Formen häufig gemeinsames Auftreten von Meningitis und Enzephalitis.

Checkliste Enzephalitis/Meningitis

  • Differenzialdiagnostik:
    • Anderer (Infekt-)Fokus?
    • Lumbalpunktion zur Liquordiagnostik (frühzeitig!)
  • Bildgebung: Initial Nativ-CCT
    • oft frühzeitig MRT hilfreich (insb. bei nicht-bakteriellen Formen) je nach vermuteter Diagnose und klinischem Zustand (in Rücksprache mit Neurologie, meist im stationären Verlauf)
  • V.a. bakterielle (Meningo-)Enzephalitis:
    • Dexamethason 10mg iv., parallel so schnell wie möglich Antibiose
    • Ceftriaxon 2g iv. + Ampicillin 4g iv.
    • zusätzlich bei DD virale (Meningo-)Enzephalitis: Aciclovir 10mg/kg iv.
      s. Antibiotika
  • V.a. virale (Meningo-)Enzephalitis:
    • Aciclovir 10mg/kg iv.
Prophylaxe bei Kontakt mit Pat. mit bakterieller Meningitis
  • Info an Rettungsdienst/Einweiser nicht vergessen!
  • Prophylaxe bei „engem Kontakt“
    • Haushaltsmitglieder
    • Indirekter Patient:innenkontakt >4h im gleichen Raum
    • Direkter Kontakt zu Speichel und Sputum
  • Antibiose
    • Rifampicin 600mg/12h po. für 2 Tage oder
    • Alternative: Ciprofloxacin 500mg po. Einmalgabe
    • Alternative / für Schwangere: Ceftriaxon Einmalgabe 250mg im. oder iv.
Details: Labordiagnostik + Liquor
  • Laborchemisch (je nach Ätiologie) oft unspezifische Entzündungswerte ohne anderen Fokus (bakteriell meist deutliche Leukozytose mit Linksverschiebung und hohem CRP/PCT, viral meist gering bis mäßig erhöhtes CRP)
    • Bzw. bei Begleitmeningitis bei Sepsis mit anderem (z.B. urogenitalem) Fokus
  • Liquor
    • Liquordiagnostik (s. unten)
      • Erregerschnelltests und Antikörper-/PCR-Diagnostik je nach lokaler Verfügbarkeit und klinischer Form (viral / bakteriell / immunologisch)
      • Liquorkultur (wenn V.a. bakteriell)
    • Ziel: Unterscheidung bakterielle Mengitis/Meningoenzephalitis vs. virale/andere Genese
      • CAVE: Autoimmunologische / paraneoplastische Enzephalitis kann mit einer normalen Routine-Liquordiagnostik einhergehen

Differenzialdiagnostik Liquor

Details inkl. Indikationen und Durchführung siehe auch Lumbalpunktion

Interpretation Lumbalpunktion / Liquor

Differenzialdiagnostik Liquor

Bakterielle Meningitis

  • Leukozyten (Zellzahl): >1.000/µl *
  • Zytologie: Primär Granulozyten
  • Laktat >3,5mmol/l
  • Eiweiß >100mg/dl
  • Glukose meist <40mg/dl / 2,2mmol/l

*Im Einzelfal bei früher bakt. Meningitis evtl. Zellzahl <1.000/µl - dann ggf. „nur“ Laktat/Protein erhöht.

Virale Meningitis

  • Leukozyten/µl (Zellzahl): <1.000 (>5)
  • Zytologie: Primär Lymphozyten (Frühphase + Granulozyten)
  • Laktat <3,5mmol/l
  • Eiweiß <100mg/dl
  • Glukose meist >40mg/dl / 2,2mmol/l (Herpes: evtl. niedriger)

Normalbefund:

  • Leukozyten/µl (Zellzahl): <5
  • Zytologie: unauffällig
  • Laktat ≤2,7mmol/l
  • Eiweiß <50mg/dl
  • Glukose >40mg/dl / 2,2mmol/l

Zerebrale Sinusvenenthrombose

Venöse Stauung durch Thrombosierung der abfließenden Sinusvenen mit Gefahr des Hirnödems und Stauungsblutungen. Frauen > Männer, eher jüngere Patient:innen zwischen 20. und 50. Lebensjahr.

Risikofaktoren
  • Thrombophilie
  • Weibliches Geschlecht, Einnahme Pille, In Vitro Fertilisation, Schwangerschaft, postpartale Phase
  • Prothrombotischer Status (z.B. Neoplasie, nephrotisches Syndrom)
  • Infektionen im Mittelgesicht/Schädel; Meningitis
  • Z.n. OP/Trauma/Verletzungen

Symptomatik:

  • Hirndruckerhöhung aufgrund venöser Abflussstörung:
    • Persistierende Kopfschmerzen, Sehstörung (meist „verschwommen“), evtl. Übelkeit/Erbrechen, ggf. Bewusstseinsstörung
  • Stauungsinfarkte/-ödeme/-blutungen:
    • Fokal-neurologische Defizite, epileptische Anfälle

Checkliste Sinusvenenthrombose

  • Labor: hohe D-Dimere ev. hinweisend; CAVE: D-Dimere jedoch insb. bei entsprechender Klinik nicht zum Ein- oder Ausschluss geeignet
  • CCT: Im nativen CT oft sichtbare Hinweise, aber keine ausreichende Sensitivität, daher + CT-Venografie oder MRT + MR-Venografie
  • Medikamentöse Therapie:
    • Antikoagulation in der Regel mit niedermolekularem Heparin (Alternativ: UFH)
  • Operative Dekompression (meist Hemikraniektomie) bei drohender Einklemmung
  • Je nach klinischem Schweregrad Aufnahme Neurologie / ggf. Verlegung an Zentrum mit Neurochirurgie/Möglichkeit der endovask. Therapie
    • ggf. endovaskuläre Revaskularisation nach Rücksprache mit Expert:innen bei zunehmender Verschlechterung erwägen (bisher keine klare Evidenz)

Riesenzellarteriitis

Früher auch Arteriitis temporalis, Mb. Horton. Vaskulitis-Form, unbehandelt hohes Risiko der Erblindung, erstes Symptom häufig Kopfschmerz; Alter typisch >50 J.

Symptomatik:

  • Bitemporale Kopfschmerzen
  • Allgemeinsymptome:
    • Fieber
    • Nachtschweiß
    • Gewichtsverlust
  • Sehstörungen bis hin zum Visusverlust
  • Claudicatio masseterica („Schmerzen beim Kauen“)
  • Ggf. Muskelschmerzen der proximalen Muskulatur/ Schultergürtel (häufig überlappende Symptome mit Polymyalgia rheumatica)
Verdachtsdiagnose "Riesenzellarteriitis"

Nach ACR (American College of Rheumatology) Kriterien bei V.a. Riesenzellarteriitis
(3/5 Kriterien sollten erfüllt sein):

  • Alter >50J
  • Neue Kopfschmerzen
  • Klinische Auffälligkeiten der Temporalarterie (Schmerzen, „Knoten“, Pulslosigkeit)
  • BSG >50mm/1h
  • Pathologische Biopsie (Vaskulitis mit granulomatöser Entzündung oder Nachweis von Riesenzellen)

Checkliste V.a. Riesenzellarteriitis:

  • Diagnostik
    • Hinweisend: Anamnese, klinische Untersuchung, Labor (CRP+, BSG+ Anämie, Leukozytose, Thrombozytose)
    • Halo-Effekt in Farbduplex-Sonografie
    • Ein eindeutiger Nachweis ist in der Notaufnahme i.d.R. nicht möglich - Goldstandard ist die Biopsie
  • Therapie: Empirische Therapie bei Verdacht (in Rücksprache mit Zentrum)
    • KEINE Sehstörungen / Visusverlust:
      • Prednisolon 1mg/kg/24h (maximal 60mg) po. für 1-2 Wochen
    • MIT Sehstörungen / Visusverlust:
      • Methylprednisolon 500-1000mg iv. /24h für 3-5 Tage, dann Reduktion
  • Stationäre Aufnahme bzw. Verlegung an Zentrum (üblicherweise Rheumatologie)
    • Zeitnahe Durchführung Farbduplex-Sonografie, Biopsie, ev. MRT

Trigeminusneuralgie

Sonderfall - eigentlich Gesichts- und kein “Kopf”-Schmerz.

Einteilung:

  • Klassische Trigeminusneuralgie
  • Symptomatische Trigeminusneuralgie (z.B. bei Multipler Sklerose oder Raumforderungen)

Symptomatik:

  • einschießende einseitige Gesichtsschmerzen.
  • Attackenartig, meist nur wenige Sekunden (max. 2 min.) anhaltend
  • Vielfach täglich auftretend
  • Auslöser oft lokale Reizung, wie Sprechen, Kälte, Kauen, Berührung

Checkliste Trigeminusneuralgie

  • Erstmanifestation: MRT inkl. MRA
  • Carbamazepin 200mg/12h po.
    • Akute Linderung bei Exazerbation: Lidocain 8% Nasenspray 1-2 Hub (ipsilateral zum Schmerzort); bei ggf. intraoral bei oral betonten Schmerzen (bis zu 30 Sprühstöße / Tag)
  • Schwere Exazerbation/fehlende Wirkung von Carbamazepin: Phenytoin 250mg iv. (unter Monitorüberwachung)

Spezielle Kopfschmerzformen

Trigeminoautonom

Zu trigeminoautonomen Kopfschmerzen zählen

  • Episodischer und chronischer Clusterkopfschmerz (CK)
  • Episodische und chronische paroxysmale Hemikranie (CPH)
  • Hemicrania Continua (HC)
  • SUNCT-/SUNA-Syndrom

Typische Symptomatik:

  • Einseitige Schmerzattacken plus
  • Autonome Begleitsymptome (Großteil der Fälle), z.B.
    • Lakrimation, konjunktivale Injektion, Rhinorrhö, nasale Kongestion, Hyperhidrose, Hautrötung, Lidschwellung
    • Streng ipsilaterales Auftreten zum Schmerz

Diese spezielle Diagnosen sollten in der Notaufnahme zwar vermutet werden, aber von einer Spezialistist:in (Neurologie) verifiziert werden.

Details: Trigeminoautonome Kopschmerzen

Episodischer und chronischer Clusterkopfschmerz (CK)

  • Typische Klinik:
    • Streng einseitige Kopfschmerzen, Punctum maximum retroorbital Episodischer Charakter
    • Dauer 15-80min, Frequenz bis 8/d (häufig zur gleichen Zeit, nachts > tagsüber),
    • Begleitsymptome:
      • Bewegungsunruhe (Racing around): Unterschied zur Migräne
      • Autonome Symptome: gleichzeitig und ipsilateral
    • Patient:innen eher jung, Männer>Frauen
  • Triggerfaktoren: u.a. Schlafmangel, Stress, Depression
  • Akuttherapie:
    • O2-Gabe: 15l/min über Reservoirmaske für 15-20min sowie
    • Medikamentös: Sumatriptan 6mg sc.
    • <30 Tage Beschwerden (neue Epidsode); Aufdosierung Verapamil (durch Neurologie zur Langzeitprophylaxe) sowie Prednisolon 100mg/24h po. für 5 Tage, dann Reduktion um 20mg alle 3 Tage

Episodische oder chronische paroxysmale Hemikranie / Hemicrania Continua

  • Typische Klinik: Ähnlich Clusterkopfschmerz
    • Episodisch/chronisch paroxysmale Hemikranie: Attackendauer (2-45min), deutlich höhere Attackenfrequenz (5-40/d), autonome Begleitsymptome sind weniger ausgeprägt
    • Hemicrania continua: Streng unilaterale Schmerzen, undulierende Schmerzintensität, ipsilaterale autonome Symptomatik
  • Therapie/Prophylaxe: Indometacin 100-200mg/24h po.

SUNCT / SUNA Syndrom

Short lasting uniform neuralgiform headache with conjunctival injection and tearing (SUNCT) sowie short lasting uniform neuralgiform headache with autonomic symptoms (SUNA)

  • Niedrige Fallzahl bei beiden Krankheitsbildern
  • Auftreten SUNCA bis 60x/24h, SUNA meistens nur 1x/24h
  • Klinik (jeweils im Namen der Erkrankung selbst beschrieben)
    • Attackendauer ist extrem kurz (15s - 2min)
    • Streng einseitig und periorbital
    • Autonome Symptome: meist nur konjunktivale Rötung und Lakrimation
  • Therapie / Prophylaxe:
    • Lamotrigin 100-400mg (Mittel der 1.Wahl)
    • Gabapentin 1800-2400mg (Mittel der 2.Wahl)

Postpunktionell

Postpunktioneller Kopfschmerz: Relativ häufige Komplikation nach Lumbalpunktion oder Spinalanästhesie. Pathophysiologie: Liquorleck an der Punktionsstelle, dadurch Entstehen von symptomatischem Liquor-Unterdruck.

Symptomatik:

  • Kopfschmerzen, ev. Photophobie, Übelkeit, Nackensteifigkeit binnen 72h nach Punktion
  • Kopfschmerzen massiv lageabhängig (im Liegen kaum/nicht vorhanden, aufrecht starke Beschwerden)
  • Bei schwerwiegendem Verlauf (sehr selten) Auftreten von Subduralhygromen und ggf. Subduralhämatomen möglich
Risikofaktoren
  • Frauen 2-3:1 Männer
  • Schwangerschaft
  • junges Alter, niedriges Körpergewicht
  • zuvor bestehende Kopfschmerzen / Kopfschmerzerkrankung
  • Traumatische Nadel bei Punktion

Checkliste V.a. postpunktioneller Kopfschmerz

  • Red Flags? (DD u.a. zerebrale Sinusvenenthrombose, Meningitis, Subduralblutung)
  • Andere primäre Kopfschmerzen (nur zufälliger zeitlicher Zusammenhang mit LP?)
  • Therapie leichte Verlaufsform (Pat. können selbstständig gehen/stehen):
    • Körperliche Schonung
    • Analgesie (z.B. NSAR po.)
  • Therapie schwere Form (Pat. können nicht selbstständig gehen/stehen, sonstig stark betroffen, konservative Therapie nicht erfolgreich)
    • Zerebrale Bildgebung (zumindest CT, idealerweise MRT)
    • "Epiduraler Blutpatch" (Patient:innenblut wird in Epiduralraum appliziert), meist via Neurologie / Anästhesie

Medikamenteninduziert

Medikamenteninduzierter Kopfschmerz: Auftreten bei vermehrter Einnahme von Analgetika, meist im Rahmen primärer Kopfschmerzformen (z.B. Migräne, Spannungskopfschmerz)

Erhöhtes Risiko v.a. bei Opioiden, Triptanen; aber auch bei NSAR und allen weiteren Medikamenten die für Kopfschmerz eingesetzt werden.

Typische Anamnese:

  • Bekannte primäre Kopfschmerzform, nun bei gleiches / ähnliches Beschwerdebild (keine Red Flags, keine völlig andere Kopfschmerzform)
  • Sehr häufige (meist mehrmals tägliche) Einnahme von Schmerzmitteln
  • Kopfschmerzen schon beim Aufwachen

Checkliste V.a. medikamenteninduzierter Kopfschmerz

  • Nach Möglichkeit Pausieren der aktuellen Bedarfsmedikation, Alternativen verabreichen (z.B. Migräneprophylaxe, Kortikosteroide)
  • Patient:innen bezüglich vermutlicher Genese der Beschwerden aufklären
  • Zeitnahe ambulante neurologische Vorstellung und Weiterbehandlung

PRES

Posteriores Reversibles Enzephalopathie Syndrom (PRES): Pathophysiologie unklar - am ehesten Störung der zerebrovaskulären Autoregulation im Rahmen eines akuten Blutdruckanstieges, mit Kapillary-Leak und konsekutiv vasogenem Ödem.

Symptomatik:

  • Kopfschmerzen
  • Hypertension (wichtigster Hinweis in der Notaufnahme)
  • Enzephalopathische Symptome (Vigilanzminderung/Verwirrung)
    • Sehstörungen (Gesichtsfeldeinschränkungen bis hin zur kortikalen Blindheit)
    • Häufig auch epileptische Anfälle
Risikofaktoren
  • Unbehandelte Hypertonie
  • chronische Nierenfunktionseinschränkung
  • Immunsuppression
  • Einnahme von Immunmodulatoren / Chemotherapeutika
  • (Prä-)Eklampsie
  • Nutzung von Pseudoephedrinhaltigen Medikamenten (Nasensprays)

Checkliste V.a. PRES:

  • Frühzeitige Rücksprache Neurologie
  • Diagnostik:
    • MRT bessere Bildgebung als CT (Nachweis eines meist okzipital betonten, vasogenen Ödems); falls verfügbar
    • ggf. Lumbalpunktion (Ausschluss anderer Ursache einer Enzephalopathie)
  • Therapie:
    • Blutdrucksenkung (initialen RRsyst um 20-30% senken) z.B. mit Urapidil 10mg iv. Boli
  • je nach Schwere meist initial Überwachung auf Intensivstation/IMC

RCVS

Reversibles zerebrales Vasokonstriktionssyndrom (RCVS): Klassisch Vorstellung mit (ggf. wiederholt auftretendem) Donnerschlagkopfschmerz (Vorstellung ähnlich einer SAB), klinische Symptomatik und Pathophysiologie oft mit PRES überlappend

  • Insbesondere Frauen (häufig postpartal) betroffen
  • Zur Diagnose MRT oder DSA notwendig (diffuse, multiple zerebrale Vasospasmen)
    • CCT/CTA/Liquor ist initial meist unauffällig
  • Therapie symptomatisch (ggf. intensivmedizinische Überwachung)
  • Meist spontan remittierend

Interessante Links (frei zugänglich)
Literatur
  • DGN. S1-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Kopfschmerzes vom Spannungstyp. Schmerz 12, 156–170 (2023).
  • DGN. S1-Leitlinie Trigeminusneuralgie. AWMF (2023).
  • Teske, N. & Schichor, C. Aneurysmatische Subarachnoidalblutungen. Notfallmedizin up2date 18, 317–333 (2023).
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  • Pfister, H.-W. & Klein, M. S2k Leitlinie Ambulant erworbene bakterielle Meningoenzephalitis im Erwachsenenalter. AWMF (2023).
  • Regner-Nelke, L., Ruck, T. & Meuth, S. G. Meningitis in der Notaufnahme. Notaufnahme up2date 05, 129–143 (2023).
  • Diener, H.-C., Gaul, C. & Kropp, P. S1 Leitlinie Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne. Nervenheilkunde (2022).
  • Obermann, M. et al. Safety and efficacy of prednisone versus placebo in short-term prevention of episodic cluster headache: a multicentre, double-blind, randomised controlled trial. Lancet Neurol. 20, 29–37 (2021).
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  • DGN. S1-Leitlinie Clusterkopfschmerz und trigeminoautonome Kopfschmerzen. AWMF (2015).
  • DGN. S1-Leitlinie Therapie des episodischen und chronischen Kopfschmerzes vom Spannungstyp und anderer chronischer täglicher Kopfschmerzen. AWMF (2015).
  • DGN. S1-Leitlinie Diagnostik und apparative Zusatzuntersuchungen bei Kopfschmerzen. AWMF (2012).
  • DGN. S1-Leitlinie Subarachnoidalblutung. AWMF (2012).

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