1. Leitsymptome
  2. Reanimation und Allgemeines

Hypertonie

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Killer

Red Flags

Erste Schritte

  • Unterscheidung „hypertensiver Notfall“ vs. „asymptomatische Hypertonie“ - Blutdruck jeweils >180mmHg systolisch und/oder >110mmHg diastolisch
    • Hypertensiver Notfall: Zeichen der Endorganschädigung. Häufig kein isoliertes "Blutdruckproblem", sondern Ausdruck einer anderen Pathologie (z.B. ACS)
    • Asymptomatische Hypertonie / Hypertensive Entgleisung (früher auch "hypertensive Krise"): Keine bedrohliche Symptomatik bei bekanntem Hypertonus
  • Therapie + Diagnostik hypertensiver Notfall:
    • Diagnostik:
    • Medikamentöse Blutdrucksenkung: Urapidil 10mg iv. alle 5-10 min.
    • Weitere Diagnostik abhängig von Endorganschaden/Symptomatik (z.B. CCT bei Vigilanzminderung, Echokardiografie bei kardialen Beschwerden, etc.)
  • Schwangere mit ab RR 170/110mmHg: Stationäre Aufnahme und weitere Abklärung bei DD Präeklampsie

Tipps

  • Bei asymptomatischer Hypertonie: Akute Blutdrucksenkung meist nicht sinnvoll! CAVE: Somatisierung („immer wenn Blutdruck 180mmHg, muss ich in die Notaufnahme“)
  • Erhöhter Blutdruck ist oft auch Folge von Schmerzen/Angst! Normalisierung des Blutdrucks meist nach Therapie des „Grundproblems“
  • Insb. bei Patient:innen <30 J. (oder plötzlichem Beginn) an sekundäre Hypertonieursachen denken und ambulante Diagnostik empfehlen
    • DD bei akuter Hypertonie + Tachykardie: Intoxikation z.B. mit Amphetaminen, Kokain

Fokus Präklinik

  • Red Flags prüfen, Killer aktiv erwägen
  • Erste Schritte, insb.:
    • Niederschwellig 12-Kanal-EKG
    • Akute Blutdrucksenkung nur bei Risikofaktoren / hypertensivem Notfall
    • Bei Demenz: Ursachensuche (Schmerz? Harnverhalt? etc.)
  • Transportziel je nach Verdacht, zumindest Klinik mit Innerer Medizin
    • Asymptomatische Hypertonie ohne Red Flags:
      • Meist häusliche Versorgung ausreichend, ggf. soll Pat. halbe Dosis einer häuslichen Dauer-Tablette zusätzlich einnehmen (Max-Dosis beachten)
      • Pat. beruhigen und Risikozeichen (AP-Beschwerden etc.) erklären

Hypertensiver Notfall - Überblick

Übersicht verschiedener kritischer Situationen inkl. empfohlener Blutdruckziele. Die RR-Senkung sollte hier rasch ("sofort") erfolgen, allerdings nicht unkontrolliert. In der Praxis daher rasche Bolusgabe, jedoch Anschlagzeit (z.B. bei Urapidil 3-5min.) abwarten und Senkung an Klinik und Patient:in anpassen.

Parallel zur Blutdrucksenkung ursächliche Pathologie (z.B. ACS) behandeln!

Symptomatik

RR-Ziel

Aortensyndrom

„Thoraxschmerz +1“, teils fluktuierend (diffuse Symptomatik)

  • RRsyst <120mmHg
  • HF <60/min
    z.B. mit Urapidil + Metoprolol

Details: Aortensyndrom

Akutes Koronarsyndrom

AP-typischer Thoraxschmerz/EKG mit Ischämiezeichen

  • RRsyst <140mmHg
    z.B. mit Urapidil
    außer bei kritischer Bradykardie (s.u.)

Details: Akutes Koronarsyndrom

Akutes hypertensives Lungenödem

Luftnot, feuchte Lunge (auskultatorisch, sonografisch/Röntgen)

Details: Akute Herzinsuffizienz

(Prä)eklampsie

Schwangerschaft >20 SSW
+ RR >160/100mmHg
+ neurologische Symptome

  • RRsyst <160mmHg
  • RRdia <105mmHg
    z.B. mit Urapidil
  • Magnesium 8mmol zur Krampfprophylaxe

Details: Hypertensive Schwangerschaftserkrankungen

Hypertensive Enzephalopathie
bzw. PRES

DD: Schlaganfall

Starke Kopfschmerzen, Übelkeit/Erbrechen, Sehstörung, neurologische Ausfälle, Vigilanzminderung

V.a. PRES: RR↑ + Kopfschmerz / Vigilanzminderung / Verwirrung

  • 20-25% Senkung
    in 60min

DD PRES: Rücksprache Neurologie; Bildgebung. Details: PRES

Bei fokalneurologischem Defizit siehe Schlaganfall

*Achtung bei relevanter Bradykardie (<45/min.), typischerweise oft große Pulsamplitude. Initiale Blutdrucksenkung möglichst vermeiden, Herzzeitvolumen wird durch erhöhten Systolendruck aufrechterhalten.

Asymptomatische Hypertonie

bzw. Hypertonie ohne Risiko-Symptome oder Hinweis auf akute Endorganschäden; evtl. mit diffusen Symptomen wie Flush, Unwohlsein, innere Unruhe, leichte Kopfschmerzen.

Checkliste asymptomatische Hypertonie

  • Beruhigung
  • Andere Ursachen für Hypertonie? (Angst, Schmerz, Harnverhalt, Intoxikation etc.)
  • Wurde die bestehende antihypertensive Medikation bereits eingenommen?
  • Nochmalige Messung nach 30min (in Ruhe)
    • Pragmatisch bei persistierenden erhöhten Werten (insb. bei RRsyst >200mmHg) ohne Tendenz abzusinken: Kritisch prüfen - gibt es doch Hinweise auf Endorganbeteiligung (z.B. diskrete neurologische Symptomatik)?
  • Ggf. Einnahme halber Dosis einer der bestehenden Medikamention (z.B. bei Dauertherapie mit Ramipril 1x5mg → Einnahme von 2,5mg zusätzlich) oder kurzwirksames Antihypertensivum (z.B. Nitrendipin 10mg po.) erwägen
  • Entlassung und zeitnahe hausärztliche Vorstellung (nächste Tage)
    • Jederzeitige Wiedervorstellung empfehlen bei Zeichen eines hypertensiven Notfalls (insb. bei neurologischen Symptomen)
Ambulante Diagnostik und Therapie

Wichtig: Nicht aufgrund einer einzigen Messung in der Notaufnahme „art. Hypertonie“ diagnostizieren. Ein einmalig erhöhter Blutdruck bedarf einer Bestätigungsdiagnostik („Praxisblutdruckmessung“) ambulant: Nach 5 min. Ruhezeit dreimalige Messung am Oberarm in Abständen von 2-3 min, Mittelwert der 2. und 3. Messung, bei Cut-Off Wert >140mm/90mmHg: Bestätigung der Art. HT; bei niedrigeren Cut Off Werten aber bestehendem Risikoprofil/ persistierendem Verdacht: 24h-Langzeit Blutdruckmessung).

Empfohlene (ambulante) Diagnostik für Endorganschäden:

  • Bei Erstdiagnose: Labor mit Na, K, Kreatinin und GFR, Lipidstatus, Nüchternglukose, HbA1c, Urinstatus mit Mikroalbuminurie
  • Endorganschäden: Ruhe-EKG, Urinstatus (Albumin-Kreatinin Ratio)

Ab „Hypertonie Grad I“ (140/90mmHg bis 160/100mmHg) wird ambulanter Beginn mit Therapie empfohlen - dies kann im Entlassbrief erwähnt werden und sollte durch Hausärzt:in eingeleitet werden. Vor Therapiebeginn sekundäre Hypertonie-Ursachen (s. unten) erwägen.

Mittel der ersten Wahl für ambulante Therapie bei Hypertonie:

  • Hypertonie Grad I ohne zusätzliche kardiovask. Risikofaktoren
    → Monotherapie mit ACE-Hemmer oder AT-II-Blocker ("Sartane") oder Kalziumkanalblocker oder Thiazide (Anpassung an Risikoprofil von Patient:in)
  • Hypertonie Grad II/III oder kardiovask. Risikofaktoren → A.e. (fixe) Kombinationstherapie (z.B. ACE-Hemmer oder AT-II-Blocker plus Thiazid-Diuretikum)

Sekundäre Hypertonie

Hypertonie aufgrund einer anderen Erkrankung (ca. 10% aller Patient:innen mit Hypertonus)

Daran denken bei:

  • Patient:innen <30 Jahre oder rasche medikamentöse Eskalation <40 Jahren
  • Plötzlicher Beginn (auch bei >60 Jahre)
  • Höhergradige diastolische Hypertonie >105mmHg
  • Therapieresistenz trotz ≥3-fach Therapie (inkl. Diuretikum)
  • Hypertonie Grad 2 (>160/100mmHg) bei <60Jahre
  • Hypertonie Grad 3 (>180/110mmHg)
  • Negative Familienanamnese bezüglich Hypertonus
  • Schnarchen/Tagesmüdigkeit (Schlafapnoe!)
  • Plötzlich deutlich schlechter, obwohl sonst sehr gut eingestellter Hypertonus
  • Hypokaliämie ohne Grund (V.a. Hyperaldosteronismus "Conn-Syndrom")
  • Kreatinin-Anstieg unklarer Genese
  • Vorliegen eines Nebennierentumors
  • Bei Frauen: Zyklusstörungen
  • Aufgehobener Tag-Nacht-Rhythmus
  • Starke Gewichtsveränderungen (Gewichtszunahme: Hypothyreose oder Cushing?)
Weitere Diagnostik (nicht in der Notaufnahme)

Diagnostik ambulant oder stationär nach Patient:innenzustand

  • Labor inkl. Elektrolyte (Calcium), Cholesterin, HbA1C, TSH (Hyperthyreose?)
  • Renin-Aldosteron-Quotient: Primärer Hyperaldosteronismus / Conn-Syndrom?
  • Metanephrin/Normetanephrin im Plasma (Sammelurin ist obsolet): Phäochromozytom?
  • Urinsediment / Proteinuriediagnostik: Renoparenchymatöse Ursache?
  • Nierenarteriendoppler: Nierenarterienstenose?
  • Dexamethason Test: 1mg abends geben, Cortisol bestimmen am nächsten Morgen um 8 Uhr; ggf. freies Cortisol im Urin oder im Speichel bestimmen

Wieso die Diagnostik nicht in der Notaufnahme?

Die Diagnostik muss gut geplant werden aufgrund der vielen präanalytischen Fehler, u.a.:

  • Störfaktoren Renin-Aldosteron Quotient: Betablocker, Diuretika, ACE Hemmer müssen mindestens 2; Spironolakton sogar mindestens 4 Wochen vor der Testung abgesetzt werden. Abnahme im Sitzen bei ausgeglichenem Kalium!
  • Störfaktoren Plasmametanephrine: Kaffee, Nikotin, einige Antidepressiva. Abnahme im Liegen nach 30 min. Ruhe
  • Störfaktoren Cortisolbestimmung: Stress, hormonhaltige Kontrazeptiva, OSAS bei nächtlicher Bestimmung im Speichel

Interessante Links (frei zugänglich)
Literatur
  • Mancia, G. et al. 2023 ESH Guidelines for the management of arterial hypertension. The Task Force for the management of arterial hypertension of the European Society of Hypertension. J. Hypertens. 41, 1874–2071 (2023).
  • BÄK & KVB. Nationale VersorgungsLeitlinie Hypertonie. AWMF (2023).
  • Peixoto, A. J. Acute Severe Hypertension. N. Engl. J. Med. 381, 1843–1852 (2019).
  • Williams, B. et al. 2018 ESC/ESH Guidelines for the management of arterial hypertension. Eur. Hear. J. 39, 3021–3104 (2018).
  • Fischer, M. & Schmutzhard, E. Das posteriore reversible Enzephalopathiesyndrom. Med. Klin. - Intensiv. Notfallmedizin 111, 417–424 (2016).

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