Erste Schritte
"Basislabor" (oft Haus-spezifisches Standardprofil) inkludiert meist:
- Kleines Blutbild
- Klinische Chemie (Natrium, Kalium, Harnstoff, Kreatinin, CRP, TSH, Glukose)
- Gerinnung (INR, PTT)
- BGA (venös, inkl. Elektrolyte + Glukose)
Ergänzung je nach klinischem Verdacht und Leitsymptom
(z.B. großes Blutbild, "Leber- / Bauchwerte" (ALT, AST, GGT, AP, Bilirubin, Lipase), Troponin, D-Dimere, LDH, CK, TSH, fT3/ft4, PCT... etc.)
Tipps
Bei auffälligen Laborwerten immer hinterfragen: Ist der Wert plausibel?
→ Führend ist immer die Klinik von Patient:innen, nicht ein einzelner Laborwert!
Einzelne seltene, aber potentiell kritische Erkankungen präsentieren sich evtl. auch durch „typische“ Laborkonstellationen-
Neben laborchemischen Fehlern gibt es eine Vielzahl von Fehlerquellen im schnellen Alltag einer Notaufnahme, z.B.:
- Falsche Patient:in (insb. bei unplausiblen Werten oder auffälligen Änderungen zu Vor-Laborwerten)
- Abnahme am Infusionsarm (typisch bei kristalloider Infusionslösung: Anämie, Elektrolytstörungen)
- Langes Stauen oder „Stochern“, forcierte Aspiration durch kleine Nadel, Aspiration von Hämatom: Hämolyse → (falsche) Hyperkaliämie
- Falsches Behandeln der Probe:
- Zu starkes Schütteln: Hämolyse (etwas Schwenken ist allerdings gut)
- Nicht ausreichend gefülltes Röhrchen (v.a. bei Gerinnung): Fehlerhafte Werte
- Lange liegen lassen (insb. bei BGA-Röhrchen): Hämolyse, Hypoxie, sonstige Fehler
BGA
BGA - Abnahmeort und Informationen
Abnahmeort:
- venöse BGA (bei spO2 >95% zur initialen Evaluierung meist ausreichend)
- eine relevante respiratorische Azidose zeigt sich auch in der venösen BGA
- arterielle BGA (besser zur Beurteilung der respiratorischen Situation geeignet, insb. Oxygenierung)
- kapilläre BGA (weniger Schmerzen bei Entnahme - aber korrekte Abnahme bei Zentralisation kaum möglich, geeignet für Kleinkinder oder stabile Pat.)
Informationen:
- Säure/Base Status (pH, Bikarbonat, Base Exzess)
- respiratorische Situation (pO2, pCO2)
- Metabolik (Elektrolyte, Laktat)
- Zusatzinformationen je nach System (Hämoglobin, metHb, COHb etc.)
Basis-Interpretation
(vereinfachtes Schema)

Normalwerte BGA
BGA Normalwerte
Messwert | Normal | Kommentar |
---|---|---|
paO2 | 65–100 mmHg | nur in art./kap. Abnahme verwertbar Korrektur bei Hyperventilation (Schätzwert): PaO2(korr) = PaO2(ist) - 1,6 x (40-PaCO2(ist)) |
saO2 | 95-99% | |
pCO2 (art) | 32–45 mmHg | |
pCO2 (ven) | 45-50 mmHg | |
Base Excess (BE) | -2 bis +2 | |
Bicarbonat (HCO3) | 22-26 mmol/l |
Azidose
Azidose - Ursachen
Respiratorische Azidose:
- COPD/Asthma? (ggf. NIV erwägen!)
- Hypoventilation (Opiat, Beatmungseinstellung?)
Metabolische Azidose:
- Laktatazidose
- Ketoazidose (Diabetes, Hyperglykämie, SGLT2-Inhibitoren)
- Niereninsuffizienz
Bicarbonat niedrig! (ggf. Dialyse notwendig?) - Anionenlücke vergößert?
Azidose - Auswirkungen
- Rechtsverschiebung der Sauerstoffbindungskurve (O2 wird besser ins Gewebe abgegeben)
- Gerinnungsaktivität eingeschränkt
- zerebrale Vasodilatation (Hirndruck)
- Insbes. bei metabolischer Azidose: „Pseudohyperkaliämie“ durch Kaliumshift aus den Zellen ins Plasma (grobe Formel: -0,1 pH=ca. +0,4-0,6mmol/l Kalium)
- Bei diabetischer Ketoazidose ist Hyperkaliömie a.e. nicht durch Shift, sondern durch absoluten Insulinmangel erklärt.
- Ausnahmen: Kaliumdepletion durch (vorherigen) z.B. gastrointestinalen Verlust, hier auch Hypokaliämie möglich
Checkliste Azidose
- Respiratorische Azidose nicht puffern sondern beatmen!
- Metabolische Azidose:
- Immer Anionenlücke berechnen (s. unten): Intoxikation?
- Falls Intubation nötig: Mit hohem Minutenvolumen beatmen! Angestrebtes CO2 zur Kompensation einer metabolische Azidose: pCO2= (1,5x aktuelles HCO3) + 8 (s. auch "physiologisch schwieriger Atemweg")
- Kalium oft falsch hoch, daher bei erfolgreicher Therapie engmaschige Kontrolle, frühzeitige Kaliumsubstitution)
Alkalose
Alkalose - Ursachen
Respiratorische Alkalose:
- Hyperventilation
(ggf. zum Ausgleich einer Hypoxie? Lungenembolie? Sepsis?)
Metabolische Alkalose:
- Salzsäureverlust (z.B. massives Erbrechen)
- Diuretikaeinnahme (Subtraktions- bzw. Kontraktionsalkalose)
- Bicarbonat-Zufuhr (z.B. bei Kalium-Brausetabletten etc.)
Alkalose - Auswirkungen
- Linksverschiebung der Sauerstoffbindungskurve (O2 wird schlechter ins Gewebe abgegeben)
- Kalzium wird verstärkt an Albumin gebunden, daher Dysästhesie und Tetanie insb. in den Akren (wie) bei Hyperventilation
- zerebrale Vasokonstriktion (kurzfristige Senkung Hirndruck)
Checkliste Alkalose
- CAVE: Hyperventilation / Tachypnoe immer ernst nehmen! (ev. handelt es sich um die versuchte Kompensation einer metabolischen Azidose (z.B. diab. Ketoazidose) oder Folge von Lungenembolie, Pneumonie, etc.)
- Keine weitere Basenzufuhr (keine Brausetabletten)
- Eine metabolische Alkalose kann nur sehr beschränkt respiratorisch kompensiert werden
Kombinierte Säure-Base-Störungen
Kombinierte Säure-Base-Störungen + Kompensationen
Erwartete Kompensation nach "Boston-Modell":
Bei möglichen kombinierten Störungen (z.B. gleichzeitig vorliegende respiratorische Azidose und metabolische Alkalose) hilft die Einschätzung der erwarteten Veränderung der anderen Parameter. Verändern sich die Parameter im erwarteten Ausmaß oder liegt eine zweite, parallele oder gegenläufige bzw. überlappende Störung vor? Wichtig zur Beurteilung ist auch die Klinik und Anamnese, insb. die Schnelligkeit der Entwicklung.
In diesem Modell: Normalwerte für CO2 40mmHg; HCO3 24mmol/l
Respiratorische Azidose:
- Akut: Pro 10mmgH ↑CO2 (>40mmHg) erwartet 1mmol/l ↑HCO3
- Chronisch: Pro 10mmHg CO2 (>40mmHg) erwartet 3,5mmol/l ↑HCO3
Respiratorische Alkalose:
- Akut: Pro 10mmgH ↓CO2 (<40mmHg) erwartet 2mmol/l ↓HCO3
- Chronisch: Pro 10mmgH ↓CO2 (<40mmHg) erwartet 4mmol/l ↓HCO3
Metabolische Störungen:
- Metabolische Azidose: Pro 1mmol/l ↓HCO3 erwartet 1,2mmHg ↓CO2
- Metabolische Alkalose: Pro 1mmol/l ↑HCO3 erwartet 0,7mmHg ↑CO2
Anionenlücke
Formel: Natrium - (HCO 3 + Chlorid)
Normalwert: 3-11mmol/l
Bei jeder metabolischen Azidose berechnen!
Anionenlücke - Grafik

Die Anionenlücke grafisch in grau dargestellt. Links eine normale Anionenlücke, rechts eine vergrößerte Anionenlücke – vergrößert, weil ein unbekanntes Anion zusätzlich vorliegt.
Checkliste vergrößter Anionenlücke
- Nierenfunktionseinschränkung? (Harnstoff normal?)
- Diabetes / Hyperglykämie
- Diabetische Ketoazidose (Hyperglykämie + Ketone im Urin/Blut?
- Bei SGLT2-Inhibitor-Einnahme: Erwäge euglykäme Ketoazidose)
- Diabetische Ketoazidose (Hyperglykämie + Ketone im Urin/Blut?
- Laktat erhöht? (z.B. Schock, Leberinsuffizienz, Thiaminmangel, Metformin)
- Alle “nein”? → hochgradiger Verdacht auf Intoxikation!
- Bei auffälliger Anamnese z.B. Suizidversuch, unklares Koma, "komisches Bauchgefühl" bei vergrößerten Anionenlücke immer aktiv nach Intoxikationen suchen!
Sonderfall: Verkleinerte (ggf. sogar negative) Anionenlücke - Ursachen
selten!
- Hypalbuminämie (Leberschaden?)
- Lithiumintoxikation
- Hyperchloridämie
Ketone
Urämie
Salizylate (ASS/NSAR)
Methanol
Aethylenglykol (z.B. Frostschutzmittel)
Urämie (2.)
Laktat
Elektrolyte
Kalium - Hypokaliämie
Hypokaliämie - Symptomatik
- Oft diffuse Symptomatik, u.a.
- (Muskel)Schwäche bis zu Rhabdomyolyse
- Obstipation bis zu Ileus
- Arrhythmien
- Hochrisiko-Patient:innen: Ältere Pat., kardiale Vorerkrankungen, Antiarrhythmika
- EKG: Vermehrte Extrasystolen, flache Ts
Je schneller Hypokaliämie eintritt, desto ausgeprägter ist meist die Symptomatik.
CAVE: Bei schwerer Hyperglykämie und niedrig/grenzwertigem Kaliumspiegel (etwa <3,3mmol/l): Rascher K-Abfall bei Insulin-Gabe möglich! Frühzeitig Kalium-Substitution iv.
- 3-3,5mmol/l: Leichte Hypokaliämie (oft asymptomatisch)
→ orale Substitution - <3mmol/l: Moderat-schwere Hypokaliämie
- ab <2,5mmol/l bedrohlich
Hypokaliämie - häufige Ursachen
- Kaliumverlust:
- Intestinal z.B. Diarrhö, Laxantieneinnahme
- Renal z.B. Diuretika, Nierenerkrankungen wie Nephritiden, polyurisches Nierenversagen; Hyperaldosteronismus; Glukokortikoidtherapie
- „Shift“ in Zellen:
- Insulin
- Alkalose
- Hypothermie
- Adrenalin-Gabe
- Verminderte Kaliumzufuhr (meist nur geringe Hypokaliämie)
Checkliste Hypokaliämie <2,5-3mmol/l
- EKG-Monitoring!
- Ziel: Kalium >3mmol/l
- Auslöser therapieren (s. oben)
- Intravenöse Substitution (z.B. 40mmol KCl pro 1.000ml VEL)
- max. 20mmol/h (= 1.000ml+40mmol KCl über 2h) in gut laufendem Zugang, bei längerer Gabe ZVK + Kalium-Perfusor
- Bei Lebensbedrohung durch Hypokaliämie bis 40mmol/h - Risikoabwägung!
- bereits ab 10mmol/h Venenreizung beschrieben. Bei Schmerzen an Infusionsort: Infusionsgeschwindigkeit reduzieren
- CAVE: Infusion mit Kalium deutlich markieren, peripher niemals "pur" verabreichen!
- Magnesiumspiegel kontrollieren, bei Hypomagnesiämie: Magnesiumsulfat 10% 10-20ml über 1h iv. (ca. 4-8mmol Mg); je nach Spiegel ggf. wiederholen
Kalium - Hyperkaliämie
Häufige Fehlerquelle: Hämolyse bei Blutentnahme (z.B. langes Stauen, hoher Druck bei Entnahme, geschüttelte Proben) = (falsche) Hyperkaliämie.
Hauptrisiko: Rhythmusstörungen
Reanimation bei V.a. ursächliche Hyperkaliämie, siehe Reanimation
Insb. bei terminaler Niereninsuffizienz + Hyperkaliämie frühzeitig Kontakt mit Dialyse-Team. Bei Dialyse-Pat. oft unterschiedliche Toleranz erhöhter Kalium-Spiegel.
- >5-5,9mmol/l: milde Hyperkaliämie
→ Therapie nach Volumenstatus + Auslöser - >6,0mmol/l: moderat-schwere Hyperkaliämie
→ oft relevante Symptomatik, Notfalltherapie! - Dialysepat. + Hyperkaliämie
→ Rücksprache Dialyse! Oft chronisch erhöhtes Kalium.
Hyperkaliämie - häufige Ursachen
- Vermehrte Kalium-Zufuhr
meist in Kombination mit Niereninsuffizienz- Kalium-Präparate
- Kaliumreiche Nahrungsmittel (z.B. Bananen)
- Niereninsuffizienz (akut/chronisch)
- Medikamentös
- Kaliumsparende Diuretika
- ACE-Hemmer, Sartane
- „Shift“ aus den Zellen
- (massive) Hyperglykämie
- Azidose
- Kaliumfreisetzung
u.a. bei Rhabdomyolyse, Tumorlyse, Hämolyse
(in aufsteigender Reihenfolge bei zunehmender Hyperkaliämie):EKG-Zeichen bei Hyperkaliämie
(„Bei bizarrem EKG, denke an Kalium!“)
Checkliste schwere Hyperkaliämie >6,0mmol/l
- Bei EKG-Veränderungen (insb. QRS-Verbreiterung, Bradykardie):
- Zellmembranstabilisierung: Calciumgluconat 10% 30ml (6,8mmol Ca) KI iv.
- Dialyse (insb. bei EKG-Veränderungen raschestmöglich)
- Medikamentöse Therapie - "Kalium-Shift"
(falls keine Akut-Dialyse / zur Überbrückung. CAVE: Nach ca. 3-4h wieder Kalium-Shift “zurück”, daher engmaschige Verlaufskontrolle):- Insulin-Glukose: Insulin 10IE + Glucose 25g (Details siehe Tabelle unten, Wirkeintritt nach ca. 15-30 min.)
- Stündliche BZ-Kontrollen (Glukose wirkt ca. 1h; Insulin 2-3h)
- Betamimetika: Salbutamol 10-20mg inhal. (CAVE: 1 Amp. oft „nur“ 1,25mg, 1 DA-Hub meist nur 0,1mg!)
- Natriumbikarbonat bei Azidose: NaBic 8,4% 50-100ml iv. KI
- Erwäge zusätzlich Kalium-Binder
- Insulin-Glukose: Insulin 10IE + Glucose 25g (Details siehe Tabelle unten, Wirkeintritt nach ca. 15-30 min.)
Kalium-Binder (Details und Dosierungen)
Kaliumelimination mittels Kaliumbinder (Patiromer oder Natrium-Zirkonium-Zyklosilikat = SZC) insb. bei Niereninsuffizienz erwägen
- Wirkeintritt erst nach mehreren Stunden = keine alleinigen Notfallmedikamente!
- Multiple Wechselwirkungen und Nebenwirkungen beachten (z.B. QT-Verlängerung, GI-Beschwerden, Bindung von anderen Medikamenten), bisher eingeschränkte Evidenz
- Natrium-Zirkonium-Zyklosilikat (z.B. Lokelma®): 10g /8h po. für 24-72h oder
- Patiromer 8,4g/24h po.
- Routinemäßge Nutzung von Polystyrolsulfonat (z.B. Resonium®) in der Akuttherapie wird zunehmend kritisch beurteilt
Hyperkaliämie: Insulin + Glukose Infusion
Insulin-Glukose bei Hyperkaliämie
Blutzucker-Spiegel | Insulin Dosis | + Glukose Dosis |
---|---|---|
<100mg/dl | 5-10IE* | 50g = G40% 120ml (ad Infusion) |
100-200mg/dl | 10IE* | 25g = G40% 60ml (ad Infusion) |
>200mg/dl | 10IE | keine |
*Bei erhöhtem Risiko für Hypoglykämie (BZ <150mg/dl (8,33mmol/l), Niereninsuffizienz, kein bekannter Diabetes Mellitus, <60kg Körpergewicht, ♀︎): Reduktion auf 5 IE Insulin erwägen. Alternativ/additiv: Glukose-Infusion (G10% mit 50ml/h über 5h (insg. 250ml = 25g)
Checkliste Hyperkaliämie >5-5,9mmol/l ohne EKG-Veränderungen
Bei Instabilitätszeichen Therapie wie bei schwerer Hyperkaliämie!
- Therapie nach Volumenstatus
- Bei Hypervolämie: Diuretikagabe (z.B. Furosemid 40mg iv. bei Diuretika-Naivität; Dosierung Diuretika um ca. 50% erhöhen bei bestehender Diuretika-Therapie)
- Bei Hypovolämie: Volumengabe (Vollelektrolytlösung nach Bedarf, bei Azidose ggf. isotone NaBic-Lösung (425ml G5% + 75ml NaBic 8,4%)
- Auslöser beenden/beheben
- Medikamente absetzen/pausieren wenn möglich, insb. ACE-Hemmer, AT1-Hemmer (Sartane), Spironolacton
- Ursache behandeln, z.B. relevante Hyperglykämie, akute Niereninsuffizienz
- Erwäge Kalium-Binder
Kalium-Binder (Details und Dosierungen)
Kaliumelimination mittels Kaliumbinder (Patiromer oder Natrium-Zirkonium-Zyklosilikat = SZC) insb. bei Niereninsuffizienz erwägen
- Wirkeintritt erst nach mehreren Stunden = keine alleinigen Notfallmedikamente!
- Multiple Wechselwirkungen und Nebenwirkungen beachten (z.B. QT-Verlängerung, GI-Beschwerden, Bindung von anderen Medikamenten), bisher eingeschränkte Evidenz
- Natrium-Zirkonium-Zyklosilikat (z.B. Lokelma®): 10g /8h po. für 24-72h oder
- Patiromer 8,4g/24h po.
- Routinemäßge Nutzung von Polystyrolsulfonat (z.B. Resonium®) in der Akuttherapie wird zunehmend kritisch beurteilt
Natrium - Hyponatriämie
Häufige Ursache von Vigilanzminderung oder qualitativer Bewusstseinsstörung in der Notaufnahme, insb. bei Pat. mit Diuretika-Einnahme. Symptomatik sehr individuell, teils erst bei deutlich niedrigen Werten relevante Beschwerden (insb. bei Entwicklung >48h = chronischen Verlauf).
- ≤130mmol/l (wenn nicht vorbekannt)
→ Stationäre Abklärung, Therapie nach Symptomatik - Ab <125mmol/l häufig relevant symptomatisch
Relevant ist notfallmedizinisch vor allem die hypotone Hyponatriämie (hyper-/isotone Hyponatriämien erzeugen kein Hirnödem). Trotz komplexer Diagnostik-Flowcharts sind gerade bei multimorbiden Patient:innen unter Polypharmazie oft mehrere Ursachen denkbar, eine definitiv-klare Abgrenzung der Genese ist in der Notaufnahme häufig nicht sicher möglich.
Hyponatriämie - häufige Ursachen
- Diuretika
- Hypervolämie v.a. Herz- bzw. Leberinsuffizienz
- Übermäßiger (chron.) Bierkonsum („Bierpotomanie“)
- Pseudohyponatriämie bei relevanter Hyperglykämie (pro BZ 100mg/dl / 5,5mmol/l = ca. 2mmol/l Natrium↓)
- Forciertes Trinken von großen Mengen Wasser
Meist langsame Entstehung über Tage/Wochen - dann Korrektur langsam durchführen. In Einzelfällen rasche Entstehung (z.B. forciertes Trinken von literweise Wasser), dann bei relevanter Symptomatik auch rasche(re) Korrektur möglich/sinnvoll.
Symptomatik
- Schwere Symptome: Vigilanzminderung, Koma, Krampfanfall
- Moderate Symptome: Übelkeit, Kopfschmerz, typisch etwas verlangsamt, leicht verwirrt
Akut-Diagnostik
- Labor (jeweils vor Therapie abnehmen sofern vertretbar)
- Serum: Natrium, Osmolalität
- Urin: Natrium, Osmolalität (Natriumspiegel im Urin ist durch Diuretika stark beeinflusst und unter Diuretika-Therapie kaum verwertbar; alternativ kann ev. Urin-Harnstoff bei der Diagnostik weiterhelfen)
- Klinische Einschätzung Volumenstatus
- Weitere Differenzierung nach Flowchart:
Flowchart Hyponatriämie
Checkliste Hyponatriämie, Pat. instabil
- Akut-kritische Symptomatik (Krampfanfall, Koma, Hirnödem):
Gabe von NaCl 3% 100-150ml iv. KI über 20 min.- Nach 20min: Kontrolle Natrium-Spiegel (selbe Messmethode wie zuvor), Klinik + bei Bedarf erneute Gabe von NaCl 3% 100-150ml über 20min (max 3x wiederholen)
- Ziel: Besserung der Symptome und Natrium-Anstieg 5 mmol/l
- Intensivmedizinisches Monitoring
- Bei Besserung der Symptomatik hypertones NaCl stoppen, weitere Therapie nach Ursache
- Alternative Ursachen von Vigilanzminderung oder Krampfanfall aktiv evaluieren
Falls NaCl 3% nicht verfügbar
- Falls NaCl 3% nicht verfügbar: Mischen von
- 80ml NaCl 0,9% + 20ml NaCl 10% oder
- 60ml NaCl 0,9% + 40ml NaCl 5,85%
= jeweils 100ml ca. NaCl 3%
- Notfall-Off-Label-Therapie NaBic 8,4% 50ml (in etwa Natriumgehalt von 100ml NaCl 3%), auch periphervenös möglich
Checkliste Hyponatriämie, Pat. stabil
- Ursache eher Hypervolämie (relative Hyponatriämie)
- Häufig reine Wasserrestriktion ausreichend (Trinkmenge 500–700 ml/Tag)
- ggf. vorsichtig Diuretika-Therapie (Furosemid/Torasemid) unter engmaschiger (alle 2h) Natrium-Kontrolle
- Ursache eher Diuretika-induzierte Hyponatriämie
- Pausieren der ursächlichen Medikation - Diuretika
- NaCl-Gabe (0,9%) nur bei Hypovolämie und relevanter (jedoch nicht kritischer, s.o.) Symptomatik!
- Anfangs stündliche Na-Kontrolle
- Berechnung von Na-Bedarf nach Formel (→MDCalc)
- Maximale Korrektur: 10–12 mmol/l in den ersten 24h! Dann 6-8 mmol/l pro 24h
- Bei zu raschem Anstieg: „Gegensteuerung“ mit Glukose 5%-Infusion
Sonderfall "falsche" Hyponatriämie bei Hyperglykämie
Korrigiertes Natrium bei Hyperglykämie (mmol/l)
Natrium (gemessen) → BZ ↓ | 110 | 115 | 120 | 125 | 130 | 135 |
---|---|---|---|---|---|---|
300mg/dl | 114 | 119 | 124 | 129 | 134 | 139 |
400mg/dl | 116 | 121 | 126 | 131 | 136 | 141 |
500mg/dl | 118 | 123 | 128 | 133 | 138 | 143 |
600mg/dl | 120 | 125 | 130 | 135 | 140 | 145 |
700mg/dl | 122 | 127 | 132 | 137 | 142 | 147 |
800mg/dl | 124 | 129 | 134 | 139 | 144 | 149 |
900mg/dl | 126 | 131 | 136 | 141 | 146 | 151 |
1000mg/dl | 128 | 133 | 138 | 143 | 148 | 153 |
Durch die ausgeprägte Hyperglykämie kommt es zum Flüssigkeits-Shift und Verdünnung des intravasalen Volumens, dadurch entsteht eine Hyponatriämie (diese liegt auch tatsächlich vor und ist kein Messfehler, birgt aber kein Risiko für ein Hirnödem). Bei der Interpretation und der Frage, ob die Hyponatriämie nur durch die Hyperglykämie erklärt werden kann, sollte das „korrigierte“ Natrium beurteilt werden - also der Natriumspiegel, der bei normwertigem Glukosespiegel vorliegen würde.
Berechnung: Pro 100mg/dl (5,6mmol/l) Anstieg der Glucose >100mg/dl is das korrigierte Natrium um etwa 2mmol/l (je nach Literaturangabe 1,6-2,4mmol/l) höher als das gemessene Serum-Natrium.
Natrium - Hypernatriämie
Deutlich seltener als Hyponatriämie, jedoch hohe Mortalität (insb. ab schwerer Hypernatriämie >160mmol/l).
- ≥150mmol/l: Stationäre Abklärung
Hypernatriämie - Ursachen
Häufigste Ursachen:
- Dehydratation (Wasserverlust ohne Ersatz) z.B. bei vermehrtem Schwitzen, Diarrhö, Erbrechen, Diuretika - oft in Kombination mit
- Verminderte Wasseraufnahme (v.a. bei Hilflosigkeit bei Älteren, Bettlägrigen, Säuglingen)
Seltene Ursachen:
- Diabetes insipidus
- (massiv) vermehrte Natrium-Aufnahme = Salzintoxikation (insb. bei Speisesalz bei Kleinkindern oder Konsum von großen Mengen sehr salzhaltiger Nahrungsmitteln z.B. Sojasauce)
- Iatrogene Natrium-Zufuhr: z.B. hypertone Natrium-Infusionen (inkl. NaBic 8,4%)
Meist langsame Entstehung über Tage/Wochen - dann Korrektur langsam durchführen.
In Einzelfällen rasche Entstehung (z.B. Trinken von großen Mengen Sojasauce oder Konsum von sehr viel Speisesalz), dann bei relevanter Symptomatik auch rasche(re) Korrektur möglich/sinnvoll.
Checkliste Hypernatriämie
- Vorab Berechnung Wasserdefizit (s. unten)
- Hypovolämie/Dehydratation (eher langsam entstanden):