1. Leitsymptome
  2. Abdomen, Haut, Extremitäten

Sexuell übertragbare Erkrankungen + PEP

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Diese Informationen richten sich nur an medizinisches Fachpersonal, Nutzung auf eigene Verantwortung!

Erste Schritte

  • Anamnese
    • Sexualanamnese ohne Verurteilung!
    • Immer abfragen - "3 Ps"
      • Partner:innen
      • Praktiken
      • Präventionsverhalten
  • Untersuchung mit Fokus auf
    • Lymphknotenstatus
    • Haut komplett untersuchen
    • ggf. ano-rektale Untersuchung, insb. bei MSM oder HIV-Patient:innen
    • ggf. neurologischer Status

Tipps

  • Offene Sexualanamnese ohne Verurteilung!
  • Bei jeglicher STI bzw. Verdacht: Zusätzlichen HIV-Test anbieten oder empfehlen (viele ambulante Angebote, oft anonym, kostenlos oder mit geringen Gebühren) z.B. →Online-Liste der Aidshilfe
  • Beim Nachweis einer STI (insbesondere Syphilis) sollte zumindest eine Beratung zur Prävention weiterer STIs sowie ggf. Diagnostik bzgl. HIV besprochen werden. Zudem sollte auf ungeschützten GV verzichtet und die Partner:innen mitbehandelt werden (bzw. zeitnahe ambulante Mitbehandlung/Vorstellung empfehlen) - sonst Risiko von „Ping-Pong-Infektion“.
  • Generell ist die Abklärung von sexuell übertragbaren Erkrankungen ein klassisch ambulantes Aufgabenfeld. Die Vorstellung in der Notaufnahme erfolgt teils nach vermuteter oder gesicherter STI-Diagnose bei Partner:in, nach ungeschütztem sexuellen Kontakt oder sexueller Gewalt sowie bei Verletzung / Nadelstichen oder anderen möglichen Expositionen.
    Hier ausführlichere Beschreibung inkl. Diagnostik und Therapie zur besseren Einschätzung / Empfehlung. Umfang der Notaufnahme-Diagnostik an lokale Vorgaben orientieren.
  • Zeitkritisch - gerade auch für Notaufnahme: HIV-Postexpositionsprophylaxe!

Syphilis

Auch „Lues“ „Schanker“. Infektion mit Treponema pallidum (Bakterium), Verlauf in vier Stadien. V.a. Männer zwischen 30-39 Jahren, aktuell zunehmende Fallzahl in Deutschland. Syphilis = “der große Imitator” (vielfältige Symptomatik, v.a. im späteren Verlauf).
Meldepflichtig!

Einteilung und Symptomatik
  • Primärsyphyllis (Lokalisierte Infektion, 2-3 Wochen nach Infektion)
    • Knötchen an der Eintrittspforte (meist am Penis, selten auch oral, vaginal oder anal)
    • dann schmerzloses Ulcus durum ("harter Schanker“ bzw. „Primäraffekt“)
    • Ca. eine Woche danach Lymphknoten-Schwellung (Ulcus durum + LK-Schwellung = „Primärkomplex“)
  • Sekundäre Syphilis (Disseminierte Infektion/ Bakteriämie, einige Wochen später, ggf. schubweise)
    • Makulöses Exanthem am Stamm, nach einigen Wochen rückläufig
    • dann Papeln mit Lichenifikation möglich
    • typisch ist dann Befall der Handinnenflächen sowie Fußsohlen, generelle Lymphadenopathie
    • Nachweis via Serologie, bei Bestätigung meldepflichtig
  • Latente Syphilis:
    • Immunologische Kontrolle der bakteriellen Replikation: A- bis oligosymptomatisch
  • Tertiäre Syphilis (Granulomatöse entzündliche Reaktion, Monate bis Jahre):
    • Befall verschiedenster Organe.
  • Neurosyphilis: “eigene Entität", kann immer, auch bei der Primären Syphilis (und bestehender schweren Immunsuppression wie einer HIV Infektion) auftreten
    • Meist ausgeprägte neurologische Symptomatik

Checkliste V.a. Syphilis

  • Komplette körperliche Untersuchung
  • Diagnostik nach Verfügbarkeit (Suchtest, Antikörper etc.)
    • Bei (nässendem) Ulcus: Abstrich-PCR (negativer serologischer Suchtest schließt Syphilis nicht aus!)
      • Abstrich/ Diagnostik ev. auch nach weiteren STI und HSV (“PCR Panel”)
    • Lumbalpunktion: frühzeitig bei HIV Patient:innen (<2000CD4 Zellen/ul) oder bei neurologischen, psychiatrischen, ophtalmologischen, otologischen Symptomen
  • Therapie
    • In der Regel ambulant
      • Ausnahme - stationär Behandlung: HIV-positive / immunsupprimierte Pat.
    • Frühsyphillis (im ersten Jahr nach Ansteckung): Tardocillin R 2,4 Mio im. (gluteal, je 1,2 Mio. / Seite) einmalig
      • Bei Penicillinallergie: Ceftriaxon 2g iv. /24h 10d oder Doxycyclin 100mg/12h po 14d
Therapie und Verlaufskontrollen ab Sekundärstadium
  • Ab Sekundärstadium: Tardocillin R 2,4 Mio im. (gluteal, je 1,2 Mio. / Seite) 3x im Abstand von 7d (auch bei unklarer Primärinfektion oder unklarem Stadium, hier Sicherstellung der weiteren 2 Gaben erforderlich ambulant oder Wiedereinbestellung)
    • Prednisolon 25-50mg iv. oder 1mg/kg po. gleichzeitig zur Antibiotika-Erstgabe → Prophylaxe möglicher „Jarisch-Herxheimer-Reaktion“ (Fieber und Schüttelfrost ca. 2-6h nach Antibiotika-Gabe).
      Bei Auftreten: Symptomatische Therapie. Es handelt sich nicht um eine Anaphylaxie!
    • Bei Penicillinallergie: Ceftriaxon 2g iv. /24h 14d oder Doxycyclin 100mg/12h po 28d
  • Neurosyphilis: Penicillin G 4Mio IE/4h iv. 14d
    • Bei Penicillinallergie: Ceftriaxon 4g iv. initial, dann 2g iv. /24h 14d

Kontrolle:

Vierteljährige Titer Kontrollen nach 1, 3 , 6, 9 und 12 Monaten (HIV-Patient:innen sollten 24 Monate nachkontrolliert werden, da der Titer nur sehr langsam abfällt). Titer Kontrollen möglichst immer im gleichen Labor, Ausgangswert ist Titer nach 1 Monat.

Gonorrhoe

Auch „Tripper“. Infektion mit Neisseria gonorrhoeae (Gonokokken). Meldepflichtig.

Punkte für Meldepflicht:

Im Meldebogen müssen dann folgende Dinge beantwortet werden (Anamnese dementsprechend erheben, falls Patient:in bereits entlassen wurde)

  • Infektionszeitpunkt, klinische Symptomatik, Abstrich Region
  • Therapie und Therapiedauer, Antibiotika Vorbehandlung
  • Erstinfektion? STI-Koinfektionen
  • Infektionsland (Reiseanamnese), Infektionsweg (MSM, Heterosexueller Kontakt, Sexarbeit)
  • Partner:innenbenachrichtigung und Therapie

Symptomatik

  • Männer: Meist binnen weniger Tage eitrige Urethritis („Bonjour Tropfen“)
  • Frauen initial asymptomatisch / geringe Beschwerden mit Ausfluss, im Verlauf dann oft verschiedene urogenitale Infektion
  • Selten auch auch Proktitis, Pharyngitis, ggf. Konjunktivitis
  • Disseminierte Gonokokken-Infektion: pustulöse akrale, vaskulitis anmutende Veränderungen, Gelenkbeschwerden, Fieber

Checkliste V.a. Gonorrhoe

  • Diagnostik
    • Abstrich urethral/endozervikal (PCR zum Nachweis + Kultur wegen breiter Resistenzen)
    • Kontrolle / Nachweis erfolgreicher Behandlung: PCR nach 4-6 Wochen ambulant
  • Therapie
    • Kalkulierte Therapie bei initial oft fehlendem Testergebnis; dann Therapie von Gonokokken und Chlamydien
    • Gonokokken: Ceftriaxon 1-2 g iv. oder im. Einmalgabe (cave: im. schmerzhaft)
      • falls im./iv.-Gabe nicht möglich / kontraindiziert: Cefixim 800mg po. Einmalgabe (falls pharyngealer Nachweis: immer iv. Therapie)
    • Chlamydien: Doxycyclin 100mg/12h po. 7d
      • Alternativ Azithromycin 1,5 g po Einmalgabe (Resistenzraten steigend, daher eher nur bei ↓Compliance - da Einmalgabe)
    • V.a. disseminierte Infektion: Ceftriaxon 2g iv. /24h mind. 7d plus Azithromycin 1,5g po. Einmalgabe (bis Resistenztestung vorliegt, dann Anpassung)
      • Andere schwere Infektionen (z.B. Meningitis, Arthritis): Ceftriaxon 2g iv. /12h mind. 10-14d (bei Meningitis 4 Wochen!) plus Azithromycin 1,5g po. Einmalgabe
    • Partner:in mitbehandeln / dringend empfehlen

Chlamydien

Auch Chlamydiose. Infektion mit Chlamydia trachomatis (Bakterium). Hohe Anzahl an asymptomatischen pharyngealen, rektalen und auch urogenitalen Chlamydieninfektionen. Komplikationen: Reaktive Arthritis, Infertilität, Pelvic Inflammatory Disease.

Symptomatik:

  • Urethritis, teils aufsteigend mit Zervixitis, Epididymitis, Proktitis, Pharyngitis, Konjunktivitis
  • Lokal: Lymphgranuloma inguinale
    • initiale (schmerzlose) Ulzerationen an Eintrittspforte (Penis, Vagina, Anus)
    • dann ausgeprägte lokale Lymphknotenschwellung bis zu Abszedierung

Checkliste V.a. Chlamydiose

  • Diagnostik
    • ♂︎: Erststrahlurin 10 ml, 2h Miktionskarenz (Mann)
    • ♀︎: PCR-Abstrich vaginal PCR, Urindiagnostik ist nicht ausreichend
    • Kontrolle / Nachweis erfolgreicher Behandlung: PCR nach 8 Wochen ambulant
  • Therapie
    • Kalkulierte Therapie bei initial oft fehlendem Testergebnis; dann Therapie von Chlamydien und Gonokokken
    • Chlamydien: Doxycyclin 100mg/12h po. 7d
      • Alternativ Azithromycin 1,5 g po Einmalgabe (Resistenzraten steigend, daher eher nur bei ↓Compliance da Einmalgabe)
    • Gonokokken: Ceftriaxon 1-2 g iv. oder im. Einmalgabe (cave: im. schmerzhaft)
      • falls im./iv.-Gabe nicht möglich / kontraindiziert: Cefixim 800mg po. Einmalgabe (falls pharyngealer Nachweis: immer iv. Therapie)
    • Partner:in mitbehandeln / dringend empfehlen

HIV

Chronische Infektion mit Human immunodeficiency virus (HI-Virus, Virus: RNA Virus Typ I und II ) - mit modernen antiretroviralen Medikamenten meist gut kontrollierbar. Problematischer Verlauf v.a. durch Immunsuppression und Superinfektionen.
Kontakt in der Notaufnahme insb. bei:

  • V.a. Exposition/ Kontakt (siehe PEP unten)
  • Erstdiagnose bei klinischem Verdacht (s.u.) durch Notaufnahme
  • Bekannte HIV Infektion unter Therapie mit Komplikation (z.B. Infektion) oder Medikamentennebenwirkungen / Medikamentenincompliance
Klinischer Verdacht und Erstdiagnose in der Notaufnahme

Potentiell hinweisend auf mögliche HIV-Infektion (v.a. bei unbekanntem Status / Erstdiagnose) ist insb. Kombination von Klinik und Risikoanamnese:

Risikoanamnese:

  • iv.-Drogenabusus (Deutschland: 4% Prävalenz)
  • MSM (Männer, die Sex mit Männern haben, erhöhte Prävalenz im Vergleich zur Gesamtbevölkerung)
  • Herkunft (insb. Subsahara-Afrika, Südöst-Asien, Karibik)
  • frühere Blutkonserven-Transfusion

Klinik:

  • Rezidivierende Infekte, insb. Pneumonien
  • Herpes Zoster mit Befall >2 Dermatomen / generalisiert/ rezidivierend
  • Diarrhö >1 Monat ohne alternative Erklärung bei MSM
  • Chronisches Fieber ohne alternative Erklärung
  • Unklarer Gewichtsverlust, Fatigue, Nachtschweiß
  • STI und Hepatitis B / C Infektion
  • Generelle Lymphadenopathie
  • Autoimmunerkrankungen (Psoriasis...) CAVE: Hier HIV-Screening (ELISA Test) häufig falsch positiv, immer Western Blot
  • Opportunistische Erkrankungen z.B. orale Candidose, Pneumozystis Pneumonie, Kaposi Sarkom, Zerebrale Toxoplasmose, Criptococcus sp Meningitis
  • Maligne Erkrankung wie T-Zell-Lymphom, Zervix-CA, Anal-CA

Diagnostik bei V.a. Erstdiagnose:

Vor Test Zustimmung der/des Pat. einholen!

  • Screening: HIV Antigen/Antikörper Kombinationstests
  • Bestätigung: Immunoblot / NAAT Tests; Bestimmung der Viruslast / Anzahl der RNA-Viruskopien

Therapie:

Eine neue Therapieeinleitung bei V.a. / oder nachgewiesener HIV Infektion muss nicht notfallmäßig auf in ZNA (bzw. "im Nachtdienst") geklärt werden. Rücksprache so bald wie möglich mit Zentrum / Fachabteilung!

Bekannte HIV-Patient:innen und Komplikationen / Nebenwirkungen

Immer Rücksprache halten mit dem betreuender Infektiolog:in / betreuendem Zentrum (Besprechung der Antibiose, Reduktion/ Pausieren der antiviralen Therapie?).

  • Bei bekannter HIV Infektion und Pneumonie sollte diese beispielsweise immer wie eine potentielle PCJ-Pneumonie behandelt werden.

Die neuen Therapieoptionen der antiviralen Therapie sind breit, inklusive einer tablettenfreien Therapie, der Möglichkeit einige Medikamente alle 8 Wochen sc. zu applizieren, es gibt sogar Substanzen, die eine Wirksamkeit von mehr als 6 Monaten haben. Daher Rücksprache mit den zuständigen Expert:innen wichtig!

Postexpositionsprophylaxe (PEP)

Oft emotional-belastende Situation. Beruhigen! Ziel: Risiko für Übertragung evaluieren. Je nach Situation D-ärztliche Aufnahme, Verlaufskontrolle ambulant / betriebsärztlicher Dienst.

Checkliste Postexpositionsprophylaxe

  • Zeitpunkt des Kontakts? Welche Art von Kontakt? (Schleimhaut? Kanüle? Sexuell?)
  • Indexperson sicher HIV-infiziert?
    • Ja: Laufende antiretrovirale Therapie? Viruslast (HIV-RNA-Kopien/ml) in letzter Kontrolle?
    • Nein: Wahrscheinlichkeit einer HIV-Infektion abschätzen
  • Sofortmaßnahmen nach Kontakt:
    • Stich-/Schnittverletzung: Spontane Blutung nicht unterbinden, keine Manipulation an der Wunde (kein Quetschen oder Ausdrücken der Wunde). Nach spontaner Blutung ggf. Stichkanal/Schnittverletzung spreizen und spülen (Wasser/Seife/Antiseptikum - z.B. Händedesinfektionsmittel oder ethanolbasiertes Hautantiseptikum)
    • Auge: Spülung mit (reichlich) Wasser (oder NaCl 0,9% / VEL)
    • Mundhöhle: Ausspucken des Materials, mehrfaches Spülen mit Wasser (oder NaCl 0,9% / VEL)
    • Geschädigte oder entzündete Haut: Wasser und Seife, dann vorsichtig mit Tupfer und Hautantiseptikum
  • Berufliche Exposition: Nach Erstmaßnahmen rasche D-Ärztliche Vorstellung
  • Diagnostik je nach möglicher Exposition / Kontakt
  • Postexpositionsprophylaxe je nach Vorgaben (s. unten)

Diagnostik

  • HIV-Diagnostik im klinischen Umfeld = automatisch auch Hepatis B + Hepatitis C testen
  • Bei Nadelstichverletzung (oder ähnlicher Kontakt) übertragbar: HIV, HEP B, HEP C
  • Bei sexuellem Kontakt übertragbar: HIV, HEP B, HEP C, Gonnorhoe, Chlamydien, Syphilis, HSV (Herpes Simplex)
    • Für Syphilis, HSV, Hep C keine PEP verfügbar/empfohlen
Blutentnahme - wer und was:
  • Patient:in (exponierte Person):
    • Hepatitis B (Anti-HBs, Anti-HBc)
    • Hepatitis C (Anti-HCV)
    • Anti-HIV
    • Tetanus-Status klären
    • falls PEP erwogen: +Basis-Labor inkl. Blutbild, Leber-, Nierenwerte
    • ungeschützter sexueller Kontakt: Ambulante Abklärung auf andere STIs in zwei bis vier Wochen empfehlen (z.B. Syphilis, Gonorrhoe, Chlamydien)
  • Indexperson (falls verfügbar)
    • Hepatitis B (HBs-AG, ggf. HBV-DNA)
    • Hepatitis C (Anti-HCV)
    • Anti-HIV (wenn positiv/bekannt positiv: PCR, Viruslast = RNA-Kopien/ml)
    • ggf. Syphilis-Serologie (bei sexuellem Kontakt)

HIV-PEP

PEP bei HIV muss für optimale Wirksamkeit frühestmöglich verabreicht werden (optimal <2h nach Kontakt).

Hintergrund

HIV-Übertragungsrisiko ist stark abhängig von Anzahl der übertragenen Erreger - Unterschied je nach Viruskonzentration, Expositionsdauer & -art, Körperflüssigkeit.

Bei Kontakt mit Körperflüssigkeit einer Indexperson untr erfolgreicher antiretroviraler Therapie (regelhafte Einnahme der Medikation, Viruslast in letzter Kontrolle unter 50 Kopien/ml) besteht auch bei Geschlechtsverkehr oder Verletzungen kein realistisches Risiko einer Infektion (Ausnahme: Injektion / Infusion größerer Mengen infizierten Bluts).

PEP senkt das Risiko für Infektion nach Kontakt deutlich - je schneller der PEP-Beginn, desto besser. Optimal innerhalb von 2(-24h), maximal 72h nach Kontakt (spätere PEP nur nach Expert:innenempfehlung).

Immer individuelles Risiko erheben! ggf. Rücksprache mit einem Zentrum/ Ambulanz halten.

Bei unklarem Infektionsstatus der Indexperson individuelles Risiko erheben:

  • Besteht i.v.-Drogenabusus
  • Zeichen einer opportunistischen Infektion (AIDS) oder
  • andere Hochrisiko-Konstellation?

Bei erhöhtem Risiko kann dann potentiell auch noch vor Einlangen eines Tests der Indexperson eine PEP begonnen (und ggf. später wieder beendet) werden. CAVE: Für die Durchführung eines HIV-Tests ist (auch bei der Indexperson!) eine Einverständnis (dokumentiert) notwendig.

Berufliche Exposition mit HIV

Berufliche Exposition mit HIV - Postexpositionsprophylaxe

Expositionsereignis

Kontakt mit…

HIV positiv
und >50 Kopien/ml

oder

vermutete / mögliche HIV-Infektion

HIV positiv
und <50 Kopien/ml (wirksam behandelt)

Blutende Verletzung
(z.B. Hohlraumnadel, Schnittverletzung mit kontaminiertem Skalpell)

PEP empfehlen

PEP anbieten

Oberflächliche Verletzung
nicht blutend (z.B. chir. Nadel)

oder

Kontakt verletzte/geschädigte Haut
oder Schleimhaut
mit Blut

PEP anbieten

PEP nicht indiziert

Kontakt intakte Haut
mit Blut

oder

Kontakt Schleimhaut oder
nicht intakte Haut
mit Urin, Speichel, Stuhl, Erbrochenem, Tränen

PEP nicht indiziert

PEP nicht indiziert

Kopien/ml = HIV-RNA-Kopien/ml

Sexuelle Exposition mit HIV

Unterscheidung der Szenarien:

  1. Kontakt mit gesichert HIV-infizierter Indexperson
  2. Kontakt mit unbekannter / nicht sicher infizierter Indexperson

Definition "ungeschützter Verkehr": Kein Kondom, keine PrEP

Sexuelle Exposition mit HIV - Postexpositionsprophylaxe

Partner:in mit bekannter HIV-Infektion

Expositionsereignis

Kontakt mit...

>1000 Kopien/ml
oder unbehandelt
oder unbekannter Behandlungs-Status

50-1000 Kopien/ml

<50 Kopien/ml (wirksam behandelt)

Ungeschützter sexueller Verkehr
(insertiv/rezeptiv; vaginal/anal)

PEP empfehlen

PEP anbieten

PEP nicht indiziert

Ungeschützter Analverkehr
zwischen Männern

PEP empfehlen

PEP anbieten

PEP nicht indiziert

Sexuelle Gewalt / Vergewaltigung
mit ungeschütztem Anal- oder Vaginalverkehr

PEP empfehlen

PEP anbieten

PEP nicht indiziert

Oralverkehr
(auch bei Sperma-Aufnahme eines HIV-infizierten Partners in den Mund)

Küssen

PEP nicht indiziertPEP nicht indiziertPEP nicht indiziert

Kopien/ml = HIV-RNA-Kopien/ml

Sexuelle Exposition (HIV unbekannt) - Postexpositionsprophylaxe

Expositionsereignis

Kontakt mit...

Partner:in unbekannt
oder
Partner:in mit unbekanntem HIV-Status

Partner:in bisexuell
oder
erhöhtes HIV-Risiko
(aktiv iv. Drogen,
aus Hochprävalenz-Region)

Ungeschützter sexueller Verkehr
(insertiv/rezeptiv; vaginal/anal)

PEP nicht indiziert

PEP anbieten

Ungeschützter Analverkehr
zwischen Männern

PEP anbieten

PEP anbieten

Sexuelle Gewalt / Vergewaltigung
mit ungeschütztem Anal- oder Vaginalverkehr

PEP anbieten

PEP anbieten

Oralverkehr
(auch bei Sperma-Aufnahme in den Mund)

Küssen

PEP nicht indiziert

PEP nicht indiziert

"Hochprävalenz-Region": Vor allem Subsahara-Afrika, Karibik, Südost-Asien

Sonderfälle bei HIV-PEP

  • Tiefe, blutende Bissverletzung (durch Indexperson)
    Indexperson ist nicht oder nicht ausreichend antiretroviral behandelt und hat zum Zeitpunkt des Bisses selbst blutende Wunden im Mund (z.B. nach Zungenbiss bei epileptischem Anfall) → PEP empfehlen
  • Serielle blutende Verletzungen durch gleiches „Instrument“
    (z.B. gemeinsame Nutzung eines Messers, mehrere Opfer einer Messerstichattacke) + HIV-Status der Indexperson(en) unbekannt und nicht rasch ermittelbar → PEP anbieten (kann ggf. auch rasch nach Klärung des HIV-Status rasch beendet werden)
  • Gemeinsame Nutzung von Injektionsbesteck
    (z.B. selbe Kanüle, aus gleichem Behältnis aufgezogen, Verwechslungsgefahr z.B. bei „Chemsex“)
    • Mehrere Drogengebrauchende, HIV-kontaminiertes Besteck → PEP empfehlen
    • Mehrere Drogengebrauchende, HIV-Status unklar → PEP anbieten
  • Verletzung an altem, weggeworfenen Spritzbesteck
    (z.B. spielende Kinder, die sich an Kanülen im Sandkasten verletzen) → PEP nicht indiziert
    • Jedoch Hepatitis-B, Hepatitis-C und Tetatus bedenken!

Therapie/PEP HIV

In der Notaufnahme je nach Situation (falls PEP indiziert oder angeboten + angenommen):

  • Frühzeitiger Beginn nach Aufklärung (s.unten)
    • Beginn nicht durch Blutentnahme (und Abwarten von Ergebnissen) verzögern
  • Ausreichend Medikamente bis zum nächsten Werktag mitgeben
  • Am nächsten Werktag Vorstellung in HIV-Schwerpunktpraxis (→DAGNÄ) oder HIV-Ambulanz
Therapie-Varianten
  • Variante 1:
    • Tenofovir/Emtricitabin (z.B. Truvada®) 200/245mg 1 Tbl./24h po. plus
    • Raltegravir (z.B. Isentress®) 400mg 1 Tbl./12h po. oder 600mg 2 Tbl./24h po.
  • Variante 2:
    • Tenofovir/Emtricitabin (z.B. Truvada®) 200/245mg 1 Tbl./24h po. plus
    • Dolutegravir (z.B. Tivicay®) 50mg 1 Tbl./24h po.
  • Variante 3:
    • Bictegravir/Emtricitabin/Tenofovir-Alafenamid (z.B. Biktarcy®) 50/200/25mg 1 Tbl./24h po.
    • bei Niereninsuffizienz bevorzugt, bis GFR <15ml/min möglich

Kontakt zu Expert:innen (Infektiologie, HIV-Ambulanz etc.) zur individuellen Anpassung der PEP insb. bei:

  • Exposition >24h
  • Patient:in ist schwanger
  • Kinder/Jugendliche <35kg
  • Indexperson in langer antiretroviraler Therapie, potentielle Multiresistenz
  • Nieren- oder Leberinsuffizienz
  • Komplexe Fragen, deren Antworten nicht in Leitlinie erläutert sind

Aufklärung: Vor Verabreichung PEP klären / Pat. informieren:

  • Laborentnahme inkl. Blutbild, Leber- und Nierenparameter, Hepatitis-/HIV-Serologie
    • Schwangerschaftstest bei Frauen
  • Dauer der PEP-Einnahme beträgt 4 Wochen, frühzeitiger Beginn und dann pünktliche Einnahme sind wichtig
  • Aufklärung über Nebenwirkungen durchführen (und dokumentieren), u.a. Leber- und Nierenschädigung, gastrointestinale Nebenwirkungen (Übelkeit, Diarrhö etc.), allgemeines Unwohlsein, psychische Beschwerden
  • Prüfung von Interaktionen mit Co-Medikation (z.B.
    https://www.hiv-druginteractions.org/)
  • Ausführliche Beratung und weitere Verschreibung der Therapie durch HIV-Schwerpunktpraxen/-ambulanzen

Hepatitis B - PEP

PEP-Indikation prüfen bei Kontakt mit potentiell infizierter Indexperson:

  • Kontakt von Schleimhaut oder verletzter geschädigter Haut mit Blut
  • Nadelstichverletzung

Abnahme Hepatitis-Serologie bei Indexperson + Patient:in

  • Üblicherweise HBsAg, Anti-HBs, Anti-HBc
    • HBsAG: Nachweis von Virus
    • Anti-HBs: Antikörper, nach Heilung oder Impfung nachweisbar
    • Anti-HBc: Antikörper bei akuter / Z.n. Infektion

Hepatitis B Serologie

HBsAG

Anti-HBs

Anti-HBc

Impfung

-

+

-

Z.n. Hepatitis B

-

+

+

Chronische Hep-B

+

+/-

-

Akute Hep-B

+

-

+

Nicht geimpft,
kein Hep-B

-

-

-

Bei Indexpat. HBsAG (binnen 48h bestimmbar) negativ → Keine Immunisierung nötig

Falls Status Indexpat. unklar: Weiteres Vorgehen nach Impfstatus Patient:in + ggf. Anti-HBs-Titer:

Hepatitis B Postexpositionsprophylaxe - Indikation

Status

Titer

Hepatitis-B
Immuunisierung

Immunisierung <10J
und letzter Titer
>100 mIE/ml

-

Keine nötig

Immunisierung <10J
und letzter Titer
10-100 mIE/ml

→ aktuellen Titer bestimmen

>100 mIE/ml

Keine nötig

10-100 mIE/ml

Aktiv

<10 mIE/ml
(oder nicht binnen 48h bestimmbar)

Aktiv + passiv

Immunisierung <10J
und letzter Titer
<10 mIE/ml

Jemals >100 mIE/ml

Aktiv

Nie >100 mIE/ml

Aktiv + passiv

Unvollständige Immunisierung oder
Immunisierung >10J oder Titer nicht bekannt

→ aktuellen Titer bestimmen

>100 mIE/ml

Keine nötig

10-100 mIE/ml

Aktiv

<10 mIE/ml
(oder nicht binnen 48h bestimmbar)

Aktiv + passiv

Ungeimpft / bekannt Nonresponder:in

-

Aktiv + passiv

Aktive Immunisierung → „Normaler" Hepatitis-B Impfstoff (Monoimpfstoff; häufig nur als Doppel-/Mehrfachimpfstoff (zB. Twinrix® HepA/B) verfügbar - je nach Verfügbarkeit auch Applikation von Doppel-/Mehrfachimpfstoff akzeptabel).

Passive Immunisierung → Hepatitis-B-Immunglobulin

Gonorrhö + Chlamydiose

Nicht exakt leitlinienkonform, jedoch pragmatisch zur „Postexpositionsprophylaxe“ von Gonorrhö + Chlamydiose ist Einmalgabe von jeweils Azithromycin 1,5g po. plus Cefixim 800mg po. (immer Einzelfallentscheidung)

Menigokokken

Bei engem Kontakt mit Patient:in bei Meningokokkenmeningitis, auch für Angehörige und Rettungsdienst potenziell relevant. Details siehe Meningitis.

Interessante Links (frei zugänglich)
Literatur
  • DAIG. Deutsch-Österreichische Leitlinie zur medikamentösen Postexpositionsprophylaxe (PEP) nach HIV-Exposition (S2k). AWMF (2022).
  • Schöfer, H. et al. Diagnostik und Therapie der Syphilis. Hautarzt 71, 969–999 (2020).
  • Fandler, M. & Böhm, L. Postexpositionsprophylaxe nach HIV-Exposition. Notaufnahme up2date 2, 315–319 (2020).
  • DSTIG. S2k-Leitlinie Sexuell übertragbare Infektionen (STI) – Beratung, Diagnostik und Therapie. AWMF (2018).
  • RKI. Empfohlene Maßnahmen zur Hepatitis-B-Prophylaxe nach einer Kanülenstichverletzung oder anderen Blutkontakten. Epidemiologisches Bulletin (2000).

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