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  2. Abdomen, Haut, Extremitäten

Gynäkologische Notfälle

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Killer

  • Vaginale Blutung
  • Pelvic Inflammatory Disease (mit Sepsis)

Red Flags

  • Schock (z.B. bei Hämorrhagie oder Sepsis)

Tipps

  • Anamnese und insb. Untersuchung immer im Beisein einer (weiblichen) Pflegekraft / MFA zum Schutz der Patientin und des Personals vor Missverständnissen
  • Privatsphäre wahren!
  • Vaginale Untersuchung nur bei expliziter Fragestellung und Expertise
  • Jede Pat. im gebärfähigen Alter mit Uterus und abdominellen oder gynäkologischen Beschwerden: Schwangerschaftstest aus Urin oder Serum
  • Notfälle bei schwangeren Pat. siehe Schwangerschaftsnotfälle

Vaginale Blutung

Häufige Ursachen für vaginale Blutungen
  • Postinterventionelle Blutung
  • Verletzung/Trauma
  • Tumorblutung (je älter die Patientin, umso wahrscheinlicher)
  • Menorrhagie/Hypermenorrhö (= immer Ausschlussdiagnosen!)
    • Mögliche Ursachen:
      • Entzündung
      • Antikoagulation/Koagulopathie (Anamnese!)
      • Intrauterines Kontrazeptivum?
      • Leiomyom

Checkliste vaginale Blutung

  • Blutung einschätzen: Akut lebensbedrohlich?
    • Stabilisierung bei Schock inkl. Gerinnungsmanagement und Transfusion
    • Einschätzung Blutungsmenge:
      • Mengenverhältnis aktueller Blutung zur üblichen Regelblutung
      • Seit wann? Ursache bekannt?
      • Warnsignale:
        • Handtuch zum Auffangen notwendig
        • Kleidung blutet trotz Einlage zeitnah durch
  • Patient:in schwanger?
  • Ist Blutungsquelle bzw. Blutungsursache eruierbar?
    • Vaginale Verletzung: (Spitze) Fremdkörper?
    • Vaginale Tamponade / ggf. lokale Kompression bei sichtbarer Blutungsquelle
    • Uterine Blutung
      • ggf. Methylergometrin (z.B. Methergin®) 200µg iv KI. oder konjugiertes Östrogen iv. nach Rücksprache Gynäkologie
Spezifische Anamnese und Untersuchung

Anamnese:

  • Bekannte gynäkologische Erkrankungen / Malignom?
  • Zeitpunkt letzter Regelblutung
  • Medikation (insb. Hormonpräparate, TAH, Antikoagulantien)
  • Trauma / Geschlechtsverkehr / Fremdkörper / Operationen bzw. Eingriffe


Fokussierte Untersuchung:
Nur wenn Gynäkologie nicht vorhanden bzw. zeitnah erreichbar

  • Äußere Inspektion des Genitalbereichs
    • Blutungsquelle/Verletzung ggf. sichtbar?
    • Blutungsmenge kritisch?
    • Vaginale Untersuchung nur bei entsprechender Erfahrung!

Bei jeder vaginalen Blutung IMMER Schwangerschaft ausschließen: ßHCG in Urin oder (besser) Plasma

  • Weitere Therapie / Verlegung:
    • Patientin instabil / relevante Blutmengen: Umgehende gynäkologische Weiterbehandlung / Verlegung
    • Pat. stabil: Zeitnahe ambulante gynäkologische Vorstellung

Ausfluss / Infekt

Vulvovaginitis / Bartholini Abszess

Entzündung der Vulva bzw. der Vagina, meist in Kombination. Sowohl Infektion als auch Reizung / endogene Ursachen möglich. Die hier genannten Therapien sind zur Erstbehandlung in der Notaufnahme gedacht und erfordern immer eine ambulante gynäkologische Vorstellung im Verlauf (außer wenn explizit anders erwähnt).

Typische Symptome:

  • Schmerzen bei Geschlechtsverkehr (Dyspareunie)
  • Juckreiz - eher Candidose, Scabies, Allergie, Psoriasis
  • Brennen - eher Infektion (Herpes genitalis), Dermatits, Lichen ruber
  • Ausfluss (übelriechend, weißlich/grau - „anders als sonst“)
  • Regionale Lymphknotenschwellung
  • Lokale starke Schmerzen + ggf. Fremdkörpergefühl - V.a. Bartholini Abszess
  • Dysurie

Diagnostik:

  • Anamnese ist meist hinweisend auf Genese (insb. STD oder Kontaktallergie)
  • Äußerliche, vaginale Untersuchung
    • Ggf. Abstrich (inkl. pH Messung) durch geübte Untersucher:in
      pH >5 spricht für bakterielle Infektion (normaler pH ist jedoch nicht ausschließend)
  • Blutabnahme bzgl. Entzündungswerte ist nur bei schwerer / systemischer Symptomatik notwendig
Typische Ursachen + Spezifische Therapie

Candida-Vulvovaginitis (häufigste Ursache):

  • Krümeliger, weißlicher (meist geruchloser) Ausfluss
  • Ausgeprägter Juckreiz
  • Therapie:
    • Clotrimazol Vaginalzäpfchen 200mg 1x abends für 3d (Zäpfchen tief vaginal einführen)
    • Zusätzlich Clotrimazol Creme 2-3x/d dünn auftragen bis symptomfrei für mind. 3d
    • Lokale Therapie ist auch während Schwangerschaft möglich und indiziert

Herpes genitalis:

  • Typische Anamnese (neuer Geschlechtspartner?)
  • Typische Hauteffloreszenz (Bläschen)
  • Klinik: Juckreiz, Brennen, teils extreme Dysurie bis zu Harnverhalt
  • Therapie:
    • In den ersten 5d nach Symptombeginn orale antivirale Therapie
      • Aciclovir 400mg 3x tgl. und zeitnahe ambulante gyn. Verlaufskontrolle
      • Bei HIV-Infektion 400mg 5x tgl. für 10d
      • Lidocain Gel lokal bei starkem Schmerz
      • Bakterielle Superinfektion erwägen und ggf. behandeln
    • CAVE: bei Schwangerschaft und SSW >34+0 umgehende gyn. Vorstellung

Bakterielle Infektion:

  • Übelriechender, „fischiger“, eitriger Ausfluss
  • pH >5 ist hinweisend
  • Therapie:
    • Metronidazol 100mg Zäpfchen 1x abends vaginal für 6d (bei stark fischigem Geruch)
    • Laktobazillen Zäpfchen 1x tgl. (Vorsicht bei bestehender Immunsuppression!)

Bartholini Abszess:

  • Entzündung der Bartholin-Drüse mit Verstopfung der Drüse
  • Lokale, sehr schmerzhafte Schwellung der Labien
  • Therapie:
    • Umgehende gynäkologische Vorstellung!

Pelvic Inflammatory Disease (PID)

Sammelbegriff für Zervizitis, Endometritis und Adnexitis.

Wichtige Differenzialdiagnosen zu PID

Typische Symptome:

  • Diffuser, bis seitenbetonter Unterbauchschmerz bis hin zu Peritonismus
  • Häufig schweres Krankheitsgefühl mit Fieber bis hin zu septischen Verläufen
  • Dysurie, eitriger Ausfluss, GI-Beschwerden
  • Seltener subakute/chronische Verläufe mit abgeschwächter Symptomatik möglich
  • Einliegende Spirale / intrauterines Pessar?

Diagnostik:

  • Mikrobiologische Kultur/Abstrich
  • Abdomensonografie: Adnex-/Ovarschwellung? Flüssigkeit im Douglas-Raum?
    (transvaginale Sonografie durch Geübte ermöglicht bessere Darstellung)
  • Labor: Entzündungsparameter, ß-HCG (EUG bedenken!)

Weitere Therapie / Verlegung:

  • Ambulantes Vorgehen nur bei leichten Verläufen (keine erhöhten Entzündungswerte) und nach Ausschluss von EUG, Appendizitis, Hernie möglich
    • Analgesie mit NSAR / Metamizol
    • Zeitnahe Verlaufskontrolle durch (niedergelassene:n) Gynäkolog:in!
  • Umgehende Aufnahme / Verlegung in Gynäkologie bei:
    • Fieber / schwere Symptomatik / V.a. Abszess
    • Schwangerschaft
    • Beschwerdepersistenz trotz ambulant begonnener Antibiose
    • Dringliche Laparoskopie bei Sepsis, Peritonismus, Nachweis von Abszess in Douglas / Salpinx / Ovar

Staphylococcal Toxic Schock Syndrom

Generell sowohl menstruelle als auch nicht-menstruelle Genese möglich. Aufgrund potentiell menstrueller Genese hier besprochen.

Genese:

  • Menstruell durch langes Belassen und Besiedelung von Tampons (durch moderne Tampons rückläufiges Auftreten)
  • Generell kann jede Staphylokokkenbesiedelung ein Toxic Schock Syndrom auslösen

Typische Symptome:

  • Septisches Krankheitsbild mit schwerster Verlaufsform (septischem Schock)
  • Großflächiges Exanthem, im Verlauf Hautabschälung

Therapie:

  • Kreislaufstabilisierung und intensivmedizinische Überwachung (analog zu Sepsis)
  • Tampon/Fremdkörper entfernen, wenn möglich!
  • Antibiotische Therapie nach Abnahme von Blutkulturen, z.B. Cefazolin 2g iv. /8h
    • Bei septischem Schock zusätzlich Breitbandantibiose z.B. Meropenem 2g iv. /8h (nach Erregernachweis ggf. anpassen)

Ovarialzysten

Ovarialzystenruptur/-blutung

Es kann zu Einblutungen mit oder ohne Zystenruptur kommen.

Typische Symptome:

  • Akutes Schmerzereignis, häufig ausgelöst durch Bewegung oder Geschlechtsverkehr
  • Unilaterale Beschwerden
  • Bei Ruptur ggf. peritoneale Reizung durch Zysteninhalt
  • Bei Blutung aus dem Zystengrund ggf. leichte vaginale Blutungen

Diagnostik:

  • Körperliche Untersuchung
  • Sonografie (bei V.a. Ovarialzystenruptur oder Einblutung umgehende gynäkologische Vorstellung und transvaginale Sonografie)
    • Bei hämodynamischer Instabilität und peritonealer Reizung („komplizierte Zystenruptur“): Umgehende explorative Laparatomie!

Weitere Therapie / Verlegung

  • Follow Up bei niedergelassener Gynäkolog:in bei Zysten von >8 cm oder multilokulären Zysten)

Ovarialtorsion

Je größer die (bekannten) Zysten, desto wahrscheinlicher ist eine Torsion, nicht selten in der Schwangerschaft.

Typische Symptome:

  • Unterbauchschmerz nach ruckartiger Bewegung
  • Meist rechtsseitig lokalisiert
  • Begleitsymptome können peritoneale Reizung, Übelkeit und Erbrechen sein

Diagnostik:

  • Labor (Blutbild/CRP bzgl. Infekt/Anämie, ggf. ßHCG)
  • Sonografie (inkl. Doppler-Sonografie der ovariellen Gefäße):
    • Teigig geschwollenes Ovar?
    • Volle Harnblase hilft bei transabdomineller, nicht bei transvaginaler Sonografie
  • CT: kann Torsion nicht ausschließen! Hinweise: vergrößertes Ovar (>4cm), Enhancement mit Kontrastmittel.

Komplikationen:

  • Hämorrhagische Infarzierung
  • Begleitende Torsion des anderen Ovars

Weitere Therapie / Verlegung:

  • Einschlägige Anamnese und Untersuchungsbefund sind ausreichende Indikation für notfallmäßige laparoskopische OP, um eine ovarielle Nekrose noch zu vermeiden.

Sexuelle Gewalt / Vergewaltigung

Die Notaufnahme wird als zentraler Anlaufpunkt teils auch ohne vorhandene Gynäkologie mit Opfern sexueller Gewalt konfrontiert.

Besondere Aspekte bei sexueller Gewalt / Vergewaltigung
  • Anforderungen an die Versorgung sind neben der medizinischen Versorgung auch eine ausreichende Befund- und ggf. Probengewinnung
  • Prophylaxe potenziell übertragbarer Krankheiten (Postexpositionsprophylaxe - PEP) und Verhütung („Pille danach“) müssen berücksichtigt und entsprechende Beratung angeboten oder vermittelt werden
  • Psychosoziale Betreuung muss angeboten und vermittelt werden
  • Zu besonderen Risikogruppen zählen körperlich und geistig behinderte Menschen, obdachlose Menschen, Homo- und Transsexuelle sowie Prostituierte. Hier liegt eine große Dunkelziffer vor und bei V.a. Vorliegen einer Straftat sollte aktiv nachgefragt werden.

Rechtliche Aspekte (Überblick):

  • Eine ausführliche Untersuchung / Anamnese und die Befunderhebung sollte möglichst in Anwesenheit der Kriminalpolizei erfolgen. Für diese Untersuchung wird jedoch ein gynäkologischer Facharzt-Standard gefordert!
  • Die ausführliche Untersuchung und Befunddokumentation dient der Absicherung der Patient:in - Untersuchung, Beratung und Dokumentation sind unabhängig von einer späteren Anzeige
    • Bis zur ausführlichen Untersuchung durch gyn. Fachärzt:in soll Patient:in sich nicht waschen oder duschen (auch die Kleidungsstücke nicht waschen oder säubern)

Checkliste: Vergewaltigung - Erstversorgung

  • Potentiell lebensbedrohliche Verletzungen umgehend versorgen
  • Möglichst exakte Befunddokumentation während der Versorgung
    • Kleinere Verletzungen möglichst erst dokumentieren und anschließend versorgen
  • Patient:in zu Kontakt mit der Polizei ermutigen bzw. entsprechend beraten
  • Falls keine Anzeige gewünscht z.B. Beratung an lokalen Anlaufstellen oder über Hilfetelefon anbieten (Tel. 116 016 - Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen, 24/7, in 18 Sprachen, Chatfunktion auf hilfetelefon.de)
Interessante Links (frei zugänglich)
Literatur
  • Weißleder, A., Egbe, A., Beinkofer, D., Kulla, M. & Treffer, D. Der gynäkologische Notfall – Teil 2: gynäkologische Ursachen des unklaren Abdomens. Notarzt 35, 272–282 (2019).
  • Weißleder, A., Egbe, A., Beinkofer, D., Kulla, M. & Treffer, D. Der gynäkologische Notfall – Teil 1: Präsentationssymptom unklares Abdomen. Notarzt 35, 214–223 (2019).
  • Pecks, U. & Bauerschlag, D. Notfälle in Gynäkologie und Geburtshilfe Teil 1: Nichtschwangere und Frühschwangere. Frauenheilkd. up2date 11, 47–56 (2017).
  • Ramshorn-Zimmer, A. et al. Die vergewaltigte Frau – Was ist in der Notaufnahme zu tun? Lege Artis 4, 250–256 (2014).

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