Killer
- Vaginale Blutung
- Pelvic Inflammatory Disease (mit Sepsis)
Red Flags
- Schock (z.B. bei Hämorrhagie oder Sepsis)
Tipps
- Anamnese und insb. Untersuchung immer im Beisein einer (weiblichen) Pflegekraft / MFA zum Schutz der Patientin und des Personals vor Missverständnissen
- Privatsphäre wahren!
- Vaginale Untersuchung nur bei expliziter Fragestellung und Expertise
- Jede Pat. im gebärfähigen Alter mit Uterus und abdominellen oder gynäkologischen Beschwerden: Schwangerschaftstest aus Urin oder Serum
- Notfälle bei schwangeren Pat. siehe Schwangerschaftsnotfälle
Vaginale Blutung
Häufige Ursachen für vaginale Blutungen
- Postinterventionelle Blutung
- Verletzung/Trauma
- Tumorblutung (je älter die Patientin, umso wahrscheinlicher)
- Menorrhagie/Hypermenorrhö (= immer Ausschlussdiagnosen!)
- Mögliche Ursachen:
- Entzündung
- Antikoagulation/Koagulopathie (Anamnese!)
- Intrauterines Kontrazeptivum?
- Leiomyom
- Mögliche Ursachen:
Checkliste vaginale Blutung
- Blutung einschätzen: Akut lebensbedrohlich?
- Stabilisierung bei Schock inkl. Gerinnungsmanagement und Transfusion
- Einschätzung Blutungsmenge:
- Mengenverhältnis aktueller Blutung zur üblichen Regelblutung
- Seit wann? Ursache bekannt?
- Warnsignale:
- Handtuch zum Auffangen notwendig
- Kleidung blutet trotz Einlage zeitnah durch
- Patient:in schwanger?
- Bei SSW >22+0 sofortige Verlegung in Perinatalzentrum
siehe Blutung in der Schwangerschaft nach 20. SSW - SSW <20 SSW siehe Blutung in der Frühschwangerschaft
- Bei SSW >22+0 sofortige Verlegung in Perinatalzentrum
- Ist Blutungsquelle bzw. Blutungsursache eruierbar?
- Vaginale Verletzung: (Spitze) Fremdkörper?
- Vaginale Tamponade / ggf. lokale Kompression bei sichtbarer Blutungsquelle
- Uterine Blutung
- ggf. Methylergometrin (z.B. Methergin®) 200µg iv KI. oder konjugiertes Östrogen iv. nach Rücksprache Gynäkologie
Spezifische Anamnese und Untersuchung
Anamnese:
- Bekannte gynäkologische Erkrankungen / Malignom?
- Zeitpunkt letzter Regelblutung
- Medikation (insb. Hormonpräparate, TAH, Antikoagulantien)
- Trauma / Geschlechtsverkehr / Fremdkörper / Operationen bzw. Eingriffe
Fokussierte Untersuchung:
Nur wenn Gynäkologie nicht vorhanden bzw. zeitnah erreichbar
- Äußere Inspektion des Genitalbereichs
- Blutungsquelle/Verletzung ggf. sichtbar?
- Blutungsmenge kritisch?
- Vaginale Untersuchung nur bei entsprechender Erfahrung!
Bei jeder vaginalen Blutung IMMER Schwangerschaft ausschließen: ßHCG in Urin oder (besser) Plasma
- Weitere Therapie / Verlegung:
- Patientin instabil / relevante Blutmengen: Umgehende gynäkologische Weiterbehandlung / Verlegung
- Pat. stabil: Zeitnahe ambulante gynäkologische Vorstellung
Ausfluss / Infekt
Vulvovaginitis / Bartholini Abszess
Entzündung der Vulva bzw. der Vagina, meist in Kombination. Sowohl Infektion als auch Reizung / endogene Ursachen möglich. Die hier genannten Therapien sind zur Erstbehandlung in der Notaufnahme gedacht und erfordern immer eine ambulante gynäkologische Vorstellung im Verlauf (außer wenn explizit anders erwähnt).
Typische Symptome:
- Schmerzen bei Geschlechtsverkehr (Dyspareunie)
- Juckreiz - eher Candidose, Scabies, Allergie, Psoriasis
- Brennen - eher Infektion (Herpes genitalis), Dermatits, Lichen ruber
- Ausfluss (übelriechend, weißlich/grau - „anders als sonst“)
- Regionale Lymphknotenschwellung
- Lokale starke Schmerzen + ggf. Fremdkörpergefühl - V.a. Bartholini Abszess
- Dysurie
Diagnostik:
- Anamnese ist meist hinweisend auf Genese (insb. STD oder Kontaktallergie)
- Äußerliche, vaginale Untersuchung
- Ggf. Abstrich (inkl. pH Messung) durch geübte Untersucher:in
pH >5 spricht für bakterielle Infektion (normaler pH ist jedoch nicht ausschließend)
- Ggf. Abstrich (inkl. pH Messung) durch geübte Untersucher:in
- Blutabnahme bzgl. Entzündungswerte ist nur bei schwerer / systemischer Symptomatik notwendig
Typische Ursachen + Spezifische Therapie
Candida-Vulvovaginitis (häufigste Ursache):
- Krümeliger, weißlicher (meist geruchloser) Ausfluss
- Ausgeprägter Juckreiz
- Therapie:
- Clotrimazol Vaginalzäpfchen 200mg 1x abends für 3d (Zäpfchen tief vaginal einführen)
- Zusätzlich Clotrimazol Creme 2-3x/d dünn auftragen bis symptomfrei für mind. 3d
- Lokale Therapie ist auch während Schwangerschaft möglich und indiziert
Herpes genitalis:
- Typische Anamnese (neuer Geschlechtspartner?)
- Typische Hauteffloreszenz (Bläschen)
- Klinik: Juckreiz, Brennen, teils extreme Dysurie bis zu Harnverhalt
- Therapie:
- In den ersten 5d nach Symptombeginn orale antivirale Therapie
- Aciclovir 400mg 3x tgl. und zeitnahe ambulante gyn. Verlaufskontrolle
- Bei HIV-Infektion 400mg 5x tgl. für 10d
- Lidocain Gel lokal bei starkem Schmerz
- Bakterielle Superinfektion erwägen und ggf. behandeln
- CAVE: bei Schwangerschaft und SSW >34+0 umgehende gyn. Vorstellung
- In den ersten 5d nach Symptombeginn orale antivirale Therapie
Bakterielle Infektion:
- Übelriechender, „fischiger“, eitriger Ausfluss
- pH >5 ist hinweisend
- Therapie:
- Metronidazol 100mg Zäpfchen 1x abends vaginal für 6d (bei stark fischigem Geruch)
- Laktobazillen Zäpfchen 1x tgl. (Vorsicht bei bestehender Immunsuppression!)
Bartholini Abszess:
- Entzündung der Bartholin-Drüse mit Verstopfung der Drüse
- Lokale, sehr schmerzhafte Schwellung der Labien
- Therapie:
- Umgehende gynäkologische Vorstellung!
Pelvic Inflammatory Disease (PID)
Sammelbegriff für Zervizitis, Endometritis und Adnexitis.
Wichtige Differenzialdiagnosen zu PID
Typische Symptome:
- Diffuser, bis seitenbetonter Unterbauchschmerz bis hin zu Peritonismus
- Häufig schweres Krankheitsgefühl mit Fieber bis hin zu septischen Verläufen
- Dysurie, eitriger Ausfluss, GI-Beschwerden
- Seltener subakute/chronische Verläufe mit abgeschwächter Symptomatik möglich
- Einliegende Spirale / intrauterines Pessar?
Diagnostik:
- Mikrobiologische Kultur/Abstrich
- Abdomensonografie: Adnex-/Ovarschwellung? Flüssigkeit im Douglas-Raum?
(transvaginale Sonografie durch Geübte ermöglicht bessere Darstellung) - Labor: Entzündungsparameter, ß-HCG (EUG bedenken!)
Weitere Therapie / Verlegung:
- Ambulantes Vorgehen nur bei leichten Verläufen (keine erhöhten Entzündungswerte) und nach Ausschluss von EUG, Appendizitis, Hernie möglich
- Analgesie mit NSAR / Metamizol
- Zeitnahe Verlaufskontrolle durch (niedergelassene:n) Gynäkolog:in!
- Umgehende Aufnahme / Verlegung in Gynäkologie bei:
- Fieber / schwere Symptomatik / V.a. Abszess
- Schwangerschaft
- Beschwerdepersistenz trotz ambulant begonnener Antibiose
- Dringliche Laparoskopie bei Sepsis, Peritonismus, Nachweis von Abszess in Douglas / Salpinx / Ovar
Staphylococcal Toxic Schock Syndrom
Generell sowohl menstruelle als auch nicht-menstruelle Genese möglich. Aufgrund potentiell menstrueller Genese hier besprochen.
Genese:
- Menstruell durch langes Belassen und Besiedelung von Tampons (durch moderne Tampons rückläufiges Auftreten)
- Generell kann jede Staphylokokkenbesiedelung ein Toxic Schock Syndrom auslösen
Typische Symptome:
- Septisches Krankheitsbild mit schwerster Verlaufsform (septischem Schock)
- Großflächiges Exanthem, im Verlauf Hautabschälung
Therapie:
- Kreislaufstabilisierung und intensivmedizinische Überwachung (analog zu Sepsis)
- Tampon/Fremdkörper entfernen, wenn möglich!
- Antibiotische Therapie nach Abnahme von Blutkulturen, z.B. Cefazolin 2g iv. /8h
- Bei septischem Schock zusätzlich Breitbandantibiose z.B. Meropenem 2g iv. /8h (nach Erregernachweis ggf. anpassen)
Ovarialzysten
Ovarialzystenruptur/-blutung
Es kann zu Einblutungen mit oder ohne Zystenruptur kommen.
Typische Symptome:
- Akutes Schmerzereignis, häufig ausgelöst durch Bewegung oder Geschlechtsverkehr
- Unilaterale Beschwerden
- Bei Ruptur ggf. peritoneale Reizung durch Zysteninhalt
- Bei Blutung aus dem Zystengrund ggf. leichte vaginale Blutungen
Diagnostik:
- Körperliche Untersuchung
- Sonografie (bei V.a. Ovarialzystenruptur oder Einblutung umgehende gynäkologische Vorstellung und transvaginale Sonografie)
- Bei hämodynamischer Instabilität und peritonealer Reizung („komplizierte Zystenruptur“): Umgehende explorative Laparatomie!
Weitere Therapie / Verlegung
- Follow Up bei niedergelassener Gynäkolog:in bei Zysten von >8 cm oder multilokulären Zysten)
Ovarialtorsion
Je größer die (bekannten) Zysten, desto wahrscheinlicher ist eine Torsion, nicht selten in der Schwangerschaft.
Typische Symptome:
- Unterbauchschmerz nach ruckartiger Bewegung
- Meist rechtsseitig lokalisiert
- Begleitsymptome können peritoneale Reizung, Übelkeit und Erbrechen sein
Diagnostik:
- Labor (Blutbild/CRP bzgl. Infekt/Anämie, ggf. ßHCG)
- Sonografie (inkl. Doppler-Sonografie der ovariellen Gefäße):
- Teigig geschwollenes Ovar?
- Volle Harnblase hilft bei transabdomineller, nicht bei transvaginaler Sonografie
- CT: kann Torsion nicht ausschließen! Hinweise: vergrößertes Ovar (>4cm), Enhancement mit Kontrastmittel.
Komplikationen:
- Hämorrhagische Infarzierung
- Begleitende Torsion des anderen Ovars
Weitere Therapie / Verlegung:
- Einschlägige Anamnese und Untersuchungsbefund sind ausreichende Indikation für notfallmäßige laparoskopische OP, um eine ovarielle Nekrose noch zu vermeiden.
Sexuelle Gewalt / Vergewaltigung
Die Notaufnahme wird als zentraler Anlaufpunkt teils auch ohne vorhandene Gynäkologie mit Opfern sexueller Gewalt konfrontiert.
Besondere Aspekte bei sexueller Gewalt / Vergewaltigung
- Anforderungen an die Versorgung sind neben der medizinischen Versorgung auch eine ausreichende Befund- und ggf. Probengewinnung
- Prophylaxe potenziell übertragbarer Krankheiten (Postexpositionsprophylaxe - PEP) und Verhütung („Pille danach“) müssen berücksichtigt und entsprechende Beratung angeboten oder vermittelt werden
- Psychosoziale Betreuung muss angeboten und vermittelt werden
- Zu besonderen Risikogruppen zählen körperlich und geistig behinderte Menschen, obdachlose Menschen, Homo- und Transsexuelle sowie Prostituierte. Hier liegt eine große Dunkelziffer vor und bei V.a. Vorliegen einer Straftat sollte aktiv nachgefragt werden.
Rechtliche Aspekte (Überblick):
- Eine ausführliche Untersuchung / Anamnese und die Befunderhebung sollte möglichst in Anwesenheit der Kriminalpolizei erfolgen. Für diese Untersuchung wird jedoch ein gynäkologischer Facharzt-Standard gefordert!
- Die ausführliche Untersuchung und Befunddokumentation dient der Absicherung der Patient:in - Untersuchung, Beratung und Dokumentation sind unabhängig von einer späteren Anzeige
- Bis zur ausführlichen Untersuchung durch gyn. Fachärzt:in soll Patient:in sich nicht waschen oder duschen (auch die Kleidungsstücke nicht waschen oder säubern)
Checkliste: Vergewaltigung - Erstversorgung
- Potentiell lebensbedrohliche Verletzungen umgehend versorgen
- Möglichst exakte Befunddokumentation während der Versorgung
- Kleinere Verletzungen möglichst erst dokumentieren und anschließend versorgen
- Patient:in zu Kontakt mit der Polizei ermutigen bzw. entsprechend beraten
- Wenn möglich, keine Befunderhebung ohne vorherigen Polizeikontakt
- Immer über Möglichkeit von sexuell übertragbaren Erkrankungen aufklären und Behandlung / PEP anbieten bzw. vermitteln
- Falls keine Anzeige gewünscht z.B. Beratung an lokalen Anlaufstellen oder über Hilfetelefon anbieten (Tel. 116 016 - Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen, 24/7, in 18 Sprachen, Chatfunktion auf hilfetelefon.de)
Weiterführende Literatur und Links
Interessante Links (frei zugänglich)
- Management of Acute Abnormal Uterine Bleeding (ACOG 2024)
- Medizinische Untersuchung nach Vergewaltigung (MSD Manuals 2022)
- Ovarian Torsion - Pearls and Pitfalls (EmDocs 2016)
- Ovarian Torsion (CoreEM)
- Obstetrics and gynecology (EM cases)
Literatur
- Weißleder, A., Egbe, A., Beinkofer, D., Kulla, M. & Treffer, D. Der gynäkologische Notfall – Teil 2: gynäkologische Ursachen des unklaren Abdomens. Notarzt 35, 272–282 (2019).
- Weißleder, A., Egbe, A., Beinkofer, D., Kulla, M. & Treffer, D. Der gynäkologische Notfall – Teil 1: Präsentationssymptom unklares Abdomen. Notarzt 35, 214–223 (2019).
- Pecks, U. & Bauerschlag, D. Notfälle in Gynäkologie und Geburtshilfe Teil 1: Nichtschwangere und Frühschwangere. Frauenheilkd. up2date 11, 47–56 (2017).
- Ramshorn-Zimmer, A. et al. Die vergewaltigte Frau – Was ist in der Notaufnahme zu tun? Lege Artis 4, 250–256 (2014).