1. Leitsymptome
  2. Reanimation und Allgemeines

Anaphylaxie

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Killer

  • Hypoxie bei Atemwegsverlegung
  • Prolongierter Schock

Red Flags

Erste Schritte

  • Allergenexposition stoppen (z.B. Antibiotika-Infusion abdrehen und entfernen)
  • Adrenalin 0,5mg im., auch wenn iv.-Zugang bereits etabliert
    • Kinder 6-12 J.: 0,3mg im.
    • Kinder <6 J.: 0,15mg im. (s. unten)
  • Atemnot, Globusgefühl, pulmonale Spastik: Adrenalin 3-4mg “pur” inhalativ
    • Sauerstoffgabe (hochdosiert, Maske)
    • Drohende Atemwegsverlegung: Frühzeitige Intubation (schwieriger Atemweg!)
  • Volumengabe (500-1.000ml VEL iv., dann nach Klinik)
  • Prolongierte schwere Reaktion / Schock:
    • Adrenalin 0,5mg im. alle 5-10 min.
    • dann frühzeitig Adrenalin iv. via Perfusor
      (als Überbrückung Adrenalin PushDose 10-20µg iv.)
  • „Allergie-Cocktail“:
    • H1-Blocker (z.B. Dimetinden 0,1mg/kg iv. oder Clemastin 0,05mg/kg iv.) bei Urtikaria/Juckreiz
    • Prednisolon 1-2mg/kg iv.
  • Überwachung: Unterschiedliche Empfehlungen (z.B. 4-12h, evtl. prolongiert bei oraler Allergen-Aufnahme); jedenfalls bis Symptome völlig rückläufig sind.
    • Bei schwerer Symptomatik (≥1 Dosis Adrenalin nötig) a.e. Überwachung bis zum Folgetag

Tipps

  • Insb. bei unklarer Anaphylaxie: Allergiepass checken! Ist schon etwas vorbeschrieben?

Definition Anaphylaxie

  • Akute Hautreaktion (Urtikaria, Juckreiz, Schwellung) plus eine oder mehre Co-Symptomatiken:
  • Selten: Anaphylaxie ohne Hautreaktion, dafür Kombination von 2-3 der obigen Symptome nach Kontakt mit Allergen

Fatale Anaphylaxien

Dauer bis zum Herzkreislaufstillstand bei Untersuchung fataler Anaphylaxien nach Allergenexposition:

  • Nahrungsmittel-Allergie: ca. 30min
  • Insektenstich: ca. 15min
  • iv. Medikamentengabe: ca. 5min (!)

Medikamentenwahl bei Anaphylaxie

Medikamente: Adrenalin, H1-Blocker, Kortikosteroide?

Trotz der noch verbreiteten Anwendung besteht für Kortikosteroide oder Antihistaminika keine relevante Evidenz für eine Mortalitätsverbesserung bei Anaphylaxie.
- H1-Blocker (z.B. Dimetinden) können lediglich Juckreiz/Urtikaria lindern
- H2-Blocker sind nach aktueller Studienlage ohne jeden Nutzen bei Anaphylaxie
- Steroide (z.B: Prednisolon) haben keine breite Evidenz und scheinen - wenn überhaupt - nur einen eventuellen Rebound unwahrscheinlicher zu machen, zudem ist der erwartete Wirkeintritt von Steroiden erst nach Stunden (= kein Nachdosieren nach einigen Minuten).

Adrenalin intramuskulär ist - auch bei liegendem iv.-Zugang - Mittel der ersten Wahl, nicht erst bei einem anaphylaktischen Schock. Adrenalin sollte bei jeder anaphylaktischen Reaktion (z.B. Hautreaktion + respiratorische Symptomatik) verabreicht werden!
Keine Angst vor Adrenalin im.! Durch die intramuskuläre Gabe werden „Dosis-Spitzen“ vermieden. Bei guter Wirksamkeit und raschem Wirkeintritt werden relevante Nebenwirkungen kaum beschrieben. Auch wenn durch die Pat. bereits ein eigener Adrenalin-Pen appliziert wurde, sollte (falls noch Anaphylaxie-Symptomatik vorhanden) Adrenalin im. verabreicht werden.

Eine iv.-Gabe macht vor allem bei kritischem Zustand = anaphylaktischen Schock oder prolongierter schwerer Symptomatik Sinn.

Fokus Präklinik

  • Red Flags prüfen
  • Erste Schritte, insb.:
    • Agens entfernen / stoppen, falls möglich
    • Frühzeitig Adrenalin 0,5mg im. (sobald „mehr“ Symptomatik als Hautreaktion) - alle 5 Min wiederholen falls Pat. weiter kritisch
      • Kinder <6 Jahre: 0,15mg im.
      • Kinder 6-12 Jahre: 0,3mg im.
    • Atemwegssymptomatik: Adrenalin 4mg (unverdünnt) vernebeln
      • Sauerstoffgabe (hochdosiert, Maske)
    • Volumen
    • bei Schock frühzeitig PushDose Pressors, dann Adrenalin-Perfusor
  • Transportziel: Jede Anaphylaxie in Klinik transportieren

Prolongierte Anaphylaxie / CPR

Checkliste prolongierte Anaphylaxie / Reanimation

  • Adrenalin 0,5mg im. alle 5-10min, falls Zunahme / keine Besserung der Anaphylaxie
  • Bei persistierendem anaphylaktischem Schock: Adrenalin iv.:
  • zur Überbrückung Adrenalin Push Dose Pressor:
    • 10-20µg alle 1-5 Minuten iv.
      (bei fehlender Reaktion bis zu 100-200µg alle 1-2 Min.)
  • Frühzeitig an Atemwegssicherung denken
    CAVE: Potentiell schwieriger Atemweg, HILFE holen!
  • Reanimation bei Anaphylaxie: Rhythmus meist PEA
    • Fokus: Adrenalin + Volumen
      bei verlegtem Atemweg frühzeitig Intubation, ggf. chir. Atemweg
    • Ergänzend erwägen (kaum Evidenz, Expert:innenempfehlungen):

Hochrisiko-Situationen

Hochrisikofaktoren für tödlichen Ausgang einer Anaphylaxie:

  • Verspätete Adrenalin-Gabe
  • bekanntes Asthma
  • kardiovaskuläre Vorerkrankungen
  • (dauerhafte) Einnahme von Betablockern / ACE-Hemmern

Kounis-Syndrom

Sonderfall: Vasospastische Angina - "Kounis-Syndrom"

Pektanginöse Beschwerden während einer Anaphylaxie werden oft fälschlich als Nebenwirkung des Adrenalin oder des Stresses interpretiert. Das "Kounis Syndrom" beschreibt eine koronare Minderperfusion unter Anaphylaxie, v.a. im Rahmen eines koronaren Vasospasmus bis hin zu folgender Plaqueruptur oder -erosion.

Da in der Akutsituation sowohl ACS-typische EKG-Veränderungen auftreten können, als auch entsprechende Rhythmusstörungen, sollten bei AP-Beschwerden parallel zur Therapie der Anaphylaxie auch Troponin bestimmt und ein durchgehendes Monitoring sichergestellt werden. (s. Laborauffälligkeiten - Herz)

Klare Therapieempfehlungen existieren bislang nicht. Bei dem häufigsten Typ I des Kounis-Syndroms mit Vasospasmus ist die wichtigste Therapie die Behandlung der Anaphylaxie. Bei persistierenden Beschwerden und ACS-Symptomik trotz erfolgreicher Therapie der Anaphylaxie sollte wie bei einem Akuten Koronarsyndrom therapiert werden.

Isolierte Hautreaktion

Checkliste isolierte allergische Hautreaktion

  • Keine Anaphylaxie = Kein Adrenalin nötig
  • H1-Blocker helfen gegen Juckreiz:
    • Dimetinden 0,1mg/kg iv. oder Clemastin 0,05mg/kg iv. bei großer Ausdehnung / ausgeprägtem Juckreiz
    • Alternativ oral, z.B. Cetirizin 10mg oder Levocetirizin 5mg po.
  • Alternativdiagnosen (Exanthem anderer Genese) erwägen
  • Im Normalfall keine länger dauernde Überwachung nötig, ggf. 1-2h um eine beginnende anaphylaktische Reaktion unwahrscheinlich werden zu lassen.
  • Bei Entlassung auf Anaphylaxie-Symptome (und ggf. Fahrverbot wegen Dimetiden/Clemastin) aufklären, bei jeglicher Symptomatik sofortige Wiedervorstellung empfehlen

Überwachung / Entlassung

Biphasische Reaktionen in bis zu 5-20% der Fälle, meist innerhalb von 4-8h (bis 72h beschrieben). Erhöhtes Risiko für biphasische Reaktion: >1x Adrenalin nötig, schwere Reaktion. Dann Überwachung z.B. in Kurzlieger-Einheit für 6-12h (de facto: bis Folgetag) empfohlen.

  • Bei Entlassung Adrenalin-Pen mitgeben oder organisieren, dass dieser noch am selben Tag ein solcher verschrieben wird
  • Aufklärung über (mögliche) biphasische Reaktionen und Warnzeichen
  • Ambulanten Allergietest in 4-6 Wochen bei Allergolog:in empfehlen, dann ggf. Ausstellung eines Allergiepasses.
  • Wenn Allergen bekannt: Allergenkarenz

Kinderdosierungen

Säugling bis 1 Jahr: Anaphylaxie

Alter (Monat)
Gewicht
Länge

0 Mon.
3kg
50cm

6 Mon.
7kg
68cm

12 Mon.
10kg
76cm

Dosis

Verdünnung

Adrenalin intramuskulär

1mg/ml

0,15ml

0,15ml

0,15ml

0,01mg/kg

1mg/ml
unverdünnt

Dimetinden iv.

1mg/ml

0,3ml

0,7ml

1ml

0,1mg/kg

1mg/ml
unverdünnt

Prednisolon
rektal

100mg

altersunabhängig
1 Suppositorium / Zäpfchen

Supp.
= 100mg

Prednisolon iv.

250mg in
5ml Aqua

0,1ml

0,3ml

0,4ml

2mg/kg

50mg/ml

Adrenalin - Anaphylaxie-Dosis nach ERC-Leitlinien 2021
Hinweis: "Aqua" = beigelegtes Wasser für Injektionszwecke. Auflösung von Prednisolon u.a. auch in NaCl 0,9%, Ringer-Lösung, Glucose 5% möglich.

Kleinkind 2-6 Jahre: Anaphylaxie

Alter (Jahre)
Gewicht
Länge

2 J
13kg
88cm

4 J
17kg
105cm

6 J
22kg
116cm

Dosis

Verdünnung

Adrenalin intramuskulär

1mg/ml

0,15ml

0,15ml

0,3ml

0,01mg/kg

1mg/ml
unverdünnt

Dimetinden
iv./io.

1mg/ml

1,3ml

1,7ml

2,2ml

0,1mg/kg

1mg/ml
unverdünnt

Prednisolon
rektal

100mg

altersunabhängig 1 Suppositorium = Zäpfchen

Supp.
= 100mg

Prednisolon
iv./io.

250mg in
5ml Aqua

0,5ml

0,7ml

0,9ml

2mg/kg

50mg/ml

Adrenalin - Anaphylaxie-Dosis nach ERC-Leitlinien 2021
Hinweis: "Aqua" = beigelegtes Wasser für Injektionszwecke. Auflösung von Prednisolon u.a. auch in NaCl 0,9%, Ringer-Lösung, Glucose 5% möglich.

Schulkind 8-12 Jahre: Anaphylaxie

Alter (Jahre)
Gewicht
Länge

8 J
28kg
129cm

10 J
34kg
140cm

12 J
38kg
153cm

Dosis

Verdünnung

Adrenalin
intramuskulär

1mg/ml

0,3ml

0,3ml

0,3ml

0,01mg/kg

1mg/ml
unverdünnt

Dimetinden iv.

1mg/ml

3ml

3,5ml

4ml

0,1mg/kg

1mg/ml
unverdünnt

Prednisolon
rektal

100mg

altersunabhängig
1 Suppositorium = Zäpfchen

Supp.
= 100mg

Prednisolon iv.

250mg in
5ml Aqua

1,1ml

1,4ml

1,5ml

2mg/kg

50mg/ml

Adrenalin - Anaphylaxie-Dosis nach ERC-Leitlinien 2021
Hinweis: "Aqua" = beigelegtes Wasser für Injektionszwecke. Auflösung von Prednisolon u.a. auch in NaCl 0,9%, Ringer-Lösung, Glucose 5% möglich.

Mythos “Penicillinallergie”

Problem: Nur ca. 5% der Patient:innen, die angeben eine Penicillinallergie zu haben, haben wirklich eine Penicillinallergie (Reaktion wahrscheinlich auf eine der Seitenketten, nicht auf den Betalaktamring).

Definitive Diagnose einer Penicillinallergie: Allergologische Testung und / oder Anamnese durch Allergolog:in, welche selten vorliegt.

"De-Labeling"

Relativierung der "Allergie"-Angabe, bei folgendem anamnestischen Verdacht:

De-Labeling (5-Punkt-Vorgehen)

Punkt 1: Symptome/ Beschwerden

  • Symptome unspezifisch wie Kopfschmerzen, abdominelle Beschwerden
  • Zeitintervall: Utikaria >2d nach der letzten Einnahme, Exanthem mehr als 7d nach dem Absetzen
  • Patient:innen können sich nicht an die allergische Reaktion die zu der Diagnose “Penicillinallergie” geführt hat, erinnern?

→ Wenn “Ja”: De-Labeling, Penicillinallergie extrem unwahrscheinlich

Punkt 2: Kindheit

  • Auftreten nur in der Kindheit / Jugendliche (bis 16 Jahre)
    und keine systemischen Reaktionen (Urtikaria oder Exanthem) erinnerlich?

→ Wenn “Ja”: De-Labeling, Penicillinallergie extrem unwahrscheinlich

Punkt 3: Dauer

  • "Allergische Reaktion" waren akute Urtikaria (mit oder ohne Angioödem) während einer Antibiotikatherapie mit anhaltender/rezidivierender Urtikaria über 2-3 Tage trotz Absetzen des Antibiotikums?

→ Wenn “Ja”: De-Labeling, Penicillinallergie extrem unwahrscheinlich (eher akute parainfektiöse Urtikaria)

CAVE: Bei nicht (!) makulopapulösem Exanthem innerhalb der ersten 7d nach Antibiotikagabe ist eine Allergietestung zu empfehlen und ein alternatives Antibiotikum zu verordnen ("Punkt 4"). Hier ist kein De-Labeling möglich. Die Symptomatik ist jedoch häufig durch lokale (oder ggf. systemische orale Steroide) gut beherrschbar.

Beim Vorliegen jeglicher schwerer Reaktionen wie Zeichen einer Anaphylaxie, Schleimhautbeteiligung, Blasen und Pusteln, Leber- oder Nierenwerterhöhung sowie Abfall von Zellreihen im Blutbild ist natürlich ebenfalls kein De-Labeling möglich ("Punkt 5").

Therapiemaßnahmen bei Indikation für Penicillin

  • Wenn De-Labeling möglich ist: Erstgabe trotzdem unter Überwachung
  • Wenn kein De-Labeling möglich ist: Alternativen geben (ebenfalls unter Überwachung, Notfallbereitschaft) z.B. Cefazolin (wenige vergleichbare Seitenketten)

Interessante Links (frei zugänglich)
Literatur
  • Zuberbier, T. et al. The international EAACI/GA2LEN/EuroGuiDerm/APAAACI guideline for the definition, classification, diagnosis, and management of urticaria. Allergy 77, 734–766 (2022).
  • McLure, M., Eastwood, K., Parr, M. & Bray, J. A rapid review of advanced life support guidelines for cardiac arrest associated with anaphylaxis. Resuscitation 159, 137–149 (2021).
  • Ring, J. et al. Guideline (S2k) on acute therapy and management of anaphylaxis: 2021 update. Allergo J. Int. 30, 1–25 (2021).
  • Lott, C. et al. Kreislaufstillstand unter besonderen Umständen. Notfall Rettungsmedizin 24, 447–523 (2021).
  • Shaker, M. S. et al. Anaphylaxis—a 2020 practice parameter update, systematic review, and Grading of Recommendations, Assessment, Development and Evaluation (GRADE) analysis. J. Allergy Clin. Immunol. 145, 1082–1123 (2020).
  • Ring, J., Klimek, L. & Worm, M. Adrenaline in the Acute Treatment of Anaphylaxis. Dtsch. Ärzteblatt Int. 115, 528–534 (2018).
  • Abdelghany, M., Subedi, R., Shah, S. & Kozman, H. Kounis syndrome: A review article on epidemiology, diagnostic findings, management and complications of allergic acute coronary syndrome. Int. J. Cardiol. 232, 1–4 (2017).
  • Kounis, N. G. Kounis syndrome: an update on epidemiology, pathogenesis, diagnosis and therapeutic management. Clin. Chem. Lab. Med. (CCLM) 54, 1545–1559 (2016).
  • Kemp, A. M. & Kemp, S. F. Pharmacotherapy in refractory anaphylaxis. Curr. Opin. Allergy Clin. Immunol. 14, 371–378 (2014).
  • Mertes, P. M. et al. Reducing the risk of anaphylaxis during anesthesia: 2011 updated guidelines for clinical practice. J. Investig. Allergol. Clin. Immunol. 21, 442–53 (2011).
  • deShazo, R. D. Anaphylaxis; My “Top 10” List. South. Méd. J. 100, 233–234 (2007).
  • Pumphrey. Lessons for management of anaphylaxis from a study of fatal reactions. Clin. Exp. Allergy 30, 1144–1150 (2000).

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