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Fremdkörper: Aspiration (Bolus), Ingestion, Insertion

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Killer

Red Flags

Aspiration:

  • Pat. kann nicht sprechen
  • Ineffektives Husten
  • Stridor (inspiratorisch)
  • Zyanose
  • Bewusstseinsverlust

Ingestion:

  • Unmöglichkeit zu Schlucken und/oder Flüssigkeit zu trinken
  • Respiratorische Beschwerden
  • Starke Schmerzen retrosternal oder im Hals/Rachen-Bereich, evtl. mit lokaler Schwellung/Rötung (V.a. lokale Infektion, z.B. Mediastinitis)
  • Peritonismus / akutes Abdomen
  • Spitze/scharfe Gegenstände
  • Batterien, Magnete, Drogenpakete

Insertion:

  • Massive Blutung
  • Peritonismus / akutes Abdomen

Erste Schritte

V.a. Atemwegsverlegung durch Fremdkörper

  • Kreislaufstillstand / keine Atmung feststellbar: Reanimation (Kinderreanimation) nach Leitlinien, frühzeitig Atemwegssicherung (Versuch der Bergung des Fremdkörpers; im Notfall ggf. "Vorschieben" in einen Hauptbronchus und Ventilation der anderen Seite)
  • Pat. kann effektiv husten: Zum Husten ermuntern (Überwachung und Verschlechterung antizipieren)
  • Pat. kann nicht (mehr) effektiv husten:
    • Säugling: 5 Rückenschläge, 5 Thoraxkompressionen - dann Wechsel
    • Kind / Erwachsener: 5 Rückenschläge, 5 abdominelle Kompressionen - dann Wechsel
    • Parallel Vorbereitung Atemwegssicherung (Versuch der Bergung des Fremdkörpers z.B. mit Magill-Zange; im Notfall ggf. mit Tubus "Vorschieben" in einen Hauptbronchus und Ventilation der anderen Seite)

Fokus Präklinik

  • Red Flags prüfen, Killer aktiv erwägen
  • Erste Schritte, insb.:
    • Bei Aspiration: Zum Husten anregen
      • kein effektives Husten mehr: 5 Rückenschläge, 5 abdominelle Kompressionen
      • Periarrest / kritische Hypoxie: Bergungsversuch mit Laryngoskop+Magillzange, auf Reanimation vorbereiten
  • Spezifische Therapie:
    • Knopfzellbatterie-Ingestion oder mehrere magnetische Fremdkörper bei Kindern: Zeitkritischer Notfall, auch falls (noch) asymptomatisch.
  • Transportziel je nach Verdacht:
    • Aspiration: Klinik mit Bronchoskopie-Kapazität
    • Insertion / Ingestion: Klinik mit Allgemeinchirurgie
    • Knopfzellen + Kinder: Klinik mit (Kinder)endoskopie-Kapazität, immer Voranmeldung!

Fremdkörperaspiration

Tritt am häufigsten bei Kinder oder älteren Menschen auf, meist im Rahmen der Nahrungsaufnahme. Bei Teil-Verlegung der Atemwege ist ev. ein auffälliges Atemgeräusch (Stridor) hörbar und Husten ist (meist) noch möglich. Bei vollständiger Verlegung ist keine Atmung oder Husten möglich → rasche Hypoxie und Kreislaufstillstand.

Gefährdete Patient:innen-Gruppen:

  • Kinder: Engste Stelle der Atemwege unterhalb der Stimmritze
  • Ältere Pat., Sedierung, Muskelschwäche: Reduzierter Hustenreflex, Schluckstörungen

Vorgehen: Siehe "erste Schritte" oben.

Fremdkörperingestion

Fremdkörperingestionen treten häufiger akzidentiell, oft aber auch im Rahmen psychiatrischer Erkrankungen und/oder psychischer Ausnahmesituation auf. Zudem, insb. bei Ösophagusstrikturen, Schluckstörungen: V.a. Ösophageales Bolusgeschehen (typisch größere Fleischstücke, Gräten/Knochen)

Checkliste Fremdkörperingestion (oral)

  • V.a. akutes Bolusgeschehen oder Red Flags (z.B. spitzer Fremdkörper oder Batterien): Notfall-Gastroskopie (Sichtung einer etwaigen Verletzung und ggf. Entfernung des Fremdkörpers)
  • V.a. thorako-/abdominelle Perforation / Infektion: CT-Diagnostik (ggf. vor Endoskopie)
    • Antibiose (z.B. Piperacillin/Tazobactam 4,5g iv.) analog zu Peritonitis; Labor
    • meist Notfall-OP
  • Keine Red Flags, keine Zeichen für akutes Bolusgeschehen:
    • Bildgebung:
      • Fremdkörper röntgendicht: Ev. Röntgen in 2 Ebenen, je nach Lage Thorax / Abdomen (alternativ CT)
      • Fremdkörper nicht röntgendicht: CT
    • Gastroskopie nach Rücksprache Gastroenterologie (meist binnen 12-24h)
    • Weiteres Vorgehen je nach Art des Fremdkörpers / Klinik: Meist "watch and wait" - spontaner Abgang meist binnen 4-6 Tagen zu erwarten (Stuhlkontrolle, ev. auch ambulant möglich)

Knopfzellbatterien

Hohes Risiko für Ösophagusverätzung vor allem bei Kindern (Batterien können an Engstellen im Ösophagus stecken bleiben, v.a. ab 20mm Durchmesser). Durch den Stromfluss kommt es zu Verätzungen.
Gefährlich insb. „CR 2032 3V Lithiumbatterien".

Zeitkritischer Notfall!

Checkliste Knopfzellbatterie-Ingestion

  • Bei Verdacht auf Batterie-Ingestion: Sofort Röntgenbild (Hals/Thorax/Abdomen)
    • Falls Batterie im Ösophagus: Zeitkritische Notfallendoskopie (innerhalb <2h)
      • Zur Überbrückung bis zu Endoskopie Honig (2 Teelöffel = 10ml) alle 10min oral verabreichen (nur bei Kindern ab ≥1 Jahre)
    • Falls Batterie im Magen: "Natürliche" Passage abwarten, falls >4 Tage: Erneutes Röntgenbild (falls weiterhin im Magen: Endoskopie)
  • Kind > 12 Jahre + Batterie sicher ≤ 12mm + keine Magnet-Ko-Ingestion + asymptomatisch
    • ggf. kann auf Röntgenbild verzichtet werden
    • Ambulant möglich, falls asymptomatisch, keine (Ösophagus-)Vorerkrankung
    • Engmaschige ambulante Kontrolle, sofortige Vorstellung bei Symptomen
Batterie-Details - "CR-Kennzeichnung"

CR = Lithium-Batterie, Rund
CR-Nummer ergibt Höhe und Durchmesser der Batterie

  • Ziffer 1+2: Durchmesser (mm)
  • Ziffer 3+4: Höhe (1/10 mm)

Beispiel CR 2450: Durchmesser 24mm, Höhe 5,0mm
Beispiel CR 2032: Durchmesser 20mm, Höhe 3,2mm

Fremdkörperinsertion

Fremdkörper werden entweder akzidentiell oder bewusst in Körperöffnungen eingeführt. Vorstellung in der Notaufnahme erfolgt meist bei Verletzungen oder bei Unmöglichkeit der eigenständigen Entfernung. Für Patient:innen ist die Situation häufig eine sehr peinliche Angelegenheit, oft werden andere Beschwerden in der Triagesituation angegeben (z.B. „Bauchschmerz“) und erst in der ersten Untersuchung konkretere Angaben gemacht.

Rektale, vaginale, urethrale Fremdkörper - Art und Form generell sehr unterschiedlich, teils „kreativ“. Wichtig: Potentielle scharfe Kanten? Glas/Splitter? (Eigenschutz bei Untersuchung!)

Checkliste Fremdkörper

  • Befragung in ungestörter Umgebung (nicht am Notaufnahme-Tresen oder mit anderen Patient:innen im selben Raum)
  • Vorurteilsfreie und professionelle Gesprächsführung: Was wurde wann und wie und wie oft eingeführt?
  • Verletzungszeichen (Blut?) oder Schmerzen?
  • Anamnestisch oder in der Untersuchung Hinweise auf psychische Misshandlung oder sexuelle Gewalt / Vergewaltigung?
  • Je nach Situation: Potentielle Exposition ggü. sexuell übertragbaren Erkrankungen?
  • Klinischer Hinweis auf Perforation/Infektion? (Bauchschmerz, Fieber, erhöhte Infektwerte, Sepsiszeichen)
    • Wenn ja: Zeitkritischer Notfall!
    • Rücksprache Chirurgie, Gynäkologie, Urologie je nach Insertionsstelle
    • CT-Bildgebung
    • Labor
    • Antibiose (z.B. Piperacillin/Tazobactam 4,5g iv.) analog zu Peritonitis
    • meist Notfall-OP
Spezielles Vorgehen: Rektale Fremdkörper
  • Vorgehen nach lokaler Expertise / Zuständigkeit: Notfallmedizin / Gastroenterologie / Allgemeinchirurgie.
  • Art des Fremdkörpers (Verletzungsgefahr für Untersuchende oder Pat. bei Entfernung?)
    • Besondere Vorsicht bei leicht brechenden Gegenständen aus Glas z.B. Glühbirnen
  • Falls keine Verletzungsgefahr: Rektal tastbar? (oft befinden sich Fremdkörper in der Ampulle und sind gut tastbar)
  • Falls nicht tastbar oder Zeichen von Perforation: Bildgebung (Lage, Position; Perforation/freie Luft?)
    • wenn röntgendicht: CT (ggf. alternativ Röntgen Abdomen)
    • falls nicht röntgendicht: CT
  • Je nach Lage, Art und Größe des Gegenstands:
    • Proktoskopische Entfernung in Steinschnittlage
      • mögliche Techniken: Entfernung mit Zange; Einbringen eines Dauerkatheters hinter den Fremdkörper, dann Ballon aufblasen und vorsichtig zurückziehen)
    • Koloskopie
    • Laparotomie
Spezielles Vorgehen: Vaginale / urethrale Fremdkörper
  • Belassen
  • Symptomatische Therapie bei Schmerzen
  • Sofortige gynäkologische/urologische Vorstellung (Vermeidung von Verletzungen bei Entfernung; urologisch oft Zystoskopie nötig
    • ggf. gerichtsfeste Dokumentation bei V.a. Missbrauch / sexuelle Gewalt)
  • Meist CT-Bildgebung

Interessante Links (frei zugänglich)
Literatur
  • Tarasconi, A. et al. Anorectal emergencies: WSES-AAST guidelines. World J. Emerg. Surg. 16, 48 (2021).
  • Voorde, P. V. de et al. Lebensrettende Maßnahmen bei Kindern (Paediatric Life Support, PLS). Notfall Rettungsmed 24, 650–719 (2021).
  • Soar, J. et al. Erweiterte lebensrettende Maßnahmen für Erwachsene. Notfall Rettungsmedizin 24, 406–446 (2021).
  • Olasveengen, T. M. et al. Basismaßnahmen zur Wiederbelebung Erwachsener (Basic Life Support). Notfall Rettungsmedizin 24, 386–405 (2021).
  • NationalCapitalPoisonCenter. Battery Ingestion Triage and Treatment Guideline. poison.org (2018).
  • Eich, C. et al. Interdisziplinäre Versorgung von Kindern nach Fremdkörperaspiration und Fremdkörperingestion. Laryngo Rhino Otol. 95, 321–331 (2016).
  • Tseng, H.-J. et al. Imaging Foreign Bodies: Ingested, Aspirated, and Inserted. Ann. Emerg. Med. 66, 570-582.e5 (2015).
  • Ambe, P., Weber, S. A., Schauer, M. & Knoefel, W. T. Swallowed Foreign Bodies in Adults. Dtsch. Ärzteblatt Int. 109, 869–75 (2012).

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