1. Leitsymptome
  2. Abdomen, Haut, Extremitäten

Abszess + lokale Entzündung

Feedback senden
Die Notfallguru-Plattform ist in der Beta-Phase und wird konstant erweitert.
Diese Informationen richten sich nur an medizinisches Fachpersonal, Nutzung auf eigene Verantwortung!

Killer

  • Sepsis
  • Septisches Gelenk (septische Arthritis)

Red Flags

  • Bei V.a. Abszess
    • Besondere Lokalisation (Gesicht, Perirektal, Hand, Genitalien, Brust, Bezug zu Gefäßen/Nerven)
    • Z.n. rezidivierende Abszesse

Abszess

Umschriebener, meist schmerzhafter Verhalt mit Umgebungsreaktion (Rötung). Bei unklarer Situation: Fokussierte Sonografie (Linearschallkopf): Echoarmer, umschriebener Verhalt darstellbar?

Meist Inzision und Drainage ausreichend (ggf. Antibiose bei Red Flags oder besonderer Lokalisation), selten OP nötig (häufiger bei gefährlicher Lokalisation).

Oberflächliche, umschriebene Abszesse können meist ohne ergänzende Antibiose versorgt werden!

Orale Antibiose:

  • oberflächlich: Cefalexin 1g/8h po. für 7 Tage
  • tief: Clindamycin 600mg/8h po. für 7-10 Tage
  • Indikationen:
    • tiefe/ausgedehnte Abszesse
    • Durchblutungsstörung im betroffenen Hautareal
    • ausgedehnte Umgebungsreaktion
    • Genital-/Analregion
    • Hände
    • Gesicht

Parenterale (iv.) Antibiose:

  • oberflächlich: Cefazolin 2g/8h iv. an Tag 1, dann ggf. reduzieren auf 1g/8h iv.
  • tief oder Penicillinallergie: Clindamycin 600mg/8h iv.
  • V.a. Sepsis: Cefazolin 2g/8h iv. + Piperacillin/Tazobactam 4,5g/6h iv.
  • Indikationen:
    • Jede systemische Entzündungsreaktion, insb. Fieber, deutlich erhöhte Entzündungswerte
    • Immunsuppression

Gelenksschmerz und -entzündung

  • Isolierter (Mono-)Gelenksschmerz mit Schwellung und Rötung: V.a. Gichtanfall
  • Akut bedrohliche DD: Septische Arthritis

Gichtanfall

Entzündung eines Gelenks (Monoarthritis) der Extremität distal von Schulter- oder Hüftgelenk:

  • Rasch (≤1 Tag) beginnend
  • schmerzhaft, gerötet und geschwollen
  • Keine Red-Flags (s. oben)
    • Immer bedenken: DD septische Arthritis (s.unten), insb. bei Fieber/Infektzeichen.

Checkliste Gichtanfall

  • Symptomatisch: Schonen, Kühlen, Hochlagern
  • Ambulante Verlaufskontrolle binnen 1-2d
  • Medikamentös: Prednisolon oder NSAR
    • Prednisolon 50mg po. (dann nach Verlauf, z.B. Tag 2: 40mg po., Tag 3: 20mg po., Tag 4: 10mg po.) oder
    • NSAR (z.B. Ibuprofen 400-600mg/8h po.), ggf. +PPI (z.B. Pantoprazol 20mg/24h po.)
    • Bei Kontraindikationen für Prednisolon und NSAR: Colchizin initial 2mg po., dann 0,5mg/12h für 2-3 Tage (Gesamt-Maximaldosis: 6mg; CAVE: Multiple Interaktionen / Wechselwirkungen!)
  • Keine neue harnsäuresenkende Therapie im akuten Anfall (z.B. Allopurinol) beginnen. Bereits zuvor eingenommene Harnsäure-Medikation kann weitergegeben werden.
  • Empfehlung zu Gewichtsreduktion (bei Adipositas), purinarme Kost, Alkohol meiden

Septisches Gelenk

auch "septische Arthritis"

Oft massive Schwellung, Rötung, Schmerz eines Gelenks und Zeichen systemischer Infekt (Fieber etc.) - insb. bei kürzlicher gelenknaher Verletzung oder OP/Eingriff am Gelenk inkl. Implantation von Prothesen z.B. TEP.

V.a. septisches Gelenk = chirurgischer Notfall!

Checkliste Septisches Gelenk

  • Gelenkspunktion (wenn Gelenk sinnvoll erreichbar) zur Diagnosesicherung (DD Gichtanfall v.a. bei Finger- und Zehengelenken)
  • Systemische Infektionszeichen:
    • Antibiose wie Sepsis z.B. Piperacillin/Tazobactam 4,5g iv. (+/- Ciprofloxacin 400mg iv.)
    • operative Versorgung

Rheuma (v.a. Hand)

Rheumatische Gelenksentzündungen sind keine häufige Notaufnahmevorstellung. Frühzeitige ambulante hausärztliche / rheumatologische Vorstellung!
Bei erstmaliger Vorstellung: Verdachtsdiagnose dokumentieren, ambulante Anbindung empfehlen.

Symptomatik:

  • Gelenksschwellungen
  • Morgensteifigkeit
  • Labor: BSG, CRP unspezifisch erhöht

Verteilungen (stark vereinfacht):

  • Fingerpolyarthrose = eher Befall der Fingermittel- (DIP) und -endgelenke (PIP) + ältere Patient:in
  • Psoriasisarthritis = eher „strahlförmiger" Befall einzelner Finger
  • Rheumatoide Arthritis = eher Fingergrund- (MCP) und -mittelgelenke (PIP), auch Handgelenk / andere große Gelenke (außer Großzehengrundgelenk).

Checkliste V.a. Rheuma

  • Meist ambulante Versorgung möglich
    • kritische DD: Septische Arthritis erwägen
  • Therapie:
    • Initial meist rein symptomatisch mit NSAR (z.B. Ibuprofen)
    • Bei Exazerbation und bestehender Prednisolon-Therapie ggf. Erhöhung um 5mg Prednisolon pro Tag

Sonderfall: Reaktive Arthritis

Synonym (veraltet): Reiter-Syndrom. Wenige Tage bis Wochen nach gastrointestinalem Infekt oder Urethritis (z.B. bei STI): Einzelne Gelenksschmerzen, ev wandernd v.a. der unteren Extremität (typisch:. Kniegelenk).

Merksatz des Vollbilds (hier zu Gelenksschmerz auch Urethritis und Konjunktivitis): „Can't see, can’t pee, can't climb a tree."

Checkliste V.a. reaktive Arthritis

  • Meist symptomatische Therapie mit NSAR ausreichend
  • ggf. Gelenkspunktion bei DD septisches Gelenk
  • Detaildiagnostik (insb. HLA-B27: Risiko für prolongierten Verlauf) ambulant

Panaritium / Paronychie

Entzündung und eitriger Verhalt im Bereich der Finger (selten Zehen). Oft werden Paronychie und Panaritium im klinischen Kontext synonym verwendet.

Paronychie: (Noch) lokalisierte, oberflächliche Entzündung des Nagelwalls meist nach vorheriger (Bagatell)verletzung, typisch kleine Eiterblase direkt hinter dem Nagelwall (auch "Panaritium periunguale")

Panaritium: Umfassende Schwellung/Rötung, Abszedierung bzw. Red Flags (s. oben)

Checkliste Paronychie

  • Sehr kleiner Befund: Konservativer Therapieversuch möglich (Schonen, Hochlagern, Kühlen), Kontrolle am Folgetag (bei Verschlechterung früher)
  • Klar lokalisierter Befund:
    • Sanfte Manipulation (Anheben Nagelwall mit feiner Pinzette oder Manipulation am Übergang Nagelrand/Nagelwall mit stumpfer Nadel): Entleerung von Eiter
      • Größere Eiteransammlungen exprimieren
      • Desinfizierende Salbe, Kontrolle am Folgetag

Checkliste Panaritium

  • Labor, stationäre Aufnahme
  • Röntgenbild zum Ausschluss Osteomyelitis
  • Antibiose (z.B. Cefazolin 2g iv. oder Clindamycin 600mg iv. analog zu Abszess)
  • Operative Therapie (Handchirurgie): Entleerung und Spülung

Untere Extremität

Unguis incarnatus (eingewachsener Zehennagel)

Meist an der Großzehe in den Nagelwall eingewachsener Nagel mit Entzündung und starkem lokalem Schmerz. Bildgebung und Labor selten notwendig (außer z.B. bei Immunsuppression oder ausgeprägtem Krankheitsgefühl / V.a. systemische Infektion.

Checkliste eingewachsener Zehennagel

Stufenschema je nach Befund

  • Lokaler Befund im Anfangsstadium:
    • Antiseptische Wundbäder 3xtgl.
    • lokale Druckentlastung
    • Nagelpflege
  • Sichtbarer Abszess / chronischer Befund:
    • Oberst-Leitungsanästhesie, dann
      • Nagelerhaltendes Vorgehen durch Exzision des hypertrophen Nagelwall
      • Inzsion und Entlastung der Abszesshöhle sowie Spülung mit NaCl 0,9%
    • Antibiotische Therapie nur bei ausgeprägtem Befund (z.B. Clindamycin 600mg/8h po. 7-10d)

Die früher oft durchgeführte Nagelteilresektion „Emmert-Plastik“ wird aufgrund hoher Rezidiv- und Infektraten zunehmend kritisch gesehen (im Vergleich zu neueren minimalinvasiven Ablationstechniken des Nagelmatrixhorns) , ggf. zuvor ambulanter Versuch mit Nagelkorrekturspangen.

Ulkus cruris

Chronische Wunde, meist am Unterschenkel. Venöser (chronisch venöse Insuffizienz), arterieller (PAVK) oder gemischter Ursache. In der Notaufnahme meist nicht primärer Vorstellungsgrund - jedoch immer mit-untersuchen, ggf. Foto-Dokumentation. 


Checkliste Ulkus Cruris:

  • Akuter Infektfokus? (Veränderung zum Vor-Befund? Umgebende Rötung/Erysipel?
    • ggf. Röntgen bei DD mögliche Osteomyelitis

Diabetischer Fuß / PAVK

Bei chronischer Neuropathie in Kombination mit verminderter Perfusion (z.B. bei PAVK) auch bei kleinsten Verletzungen rasch entstehende Entzündung. Häufig „zu späte“ Vorstellung in der Notaufnahme mit bereits vorhandene oberflächliche / tiefe Nekrosen.

Checkliste: Diabetischer Fuß mit akuter Infektion

  • Bilgebung via Röntgen (ggf. MRT)
  • Labor inkl. Niere, Infektwerte, Blutkulturen
    • Abstrich von Wundgrund / ggf. Aspiration aus Tiefe
  • Rasche Rücksprache mit zuständiger Chirurgie (typisch: Unfall- oder Gefäßchirurgie)
    • Häufig chirurgische Exzision bis zu Amputation notwendig!
  • Antibiose z.B. mit: Clindamycin 600mg /8h iv. + Ampicillin/Sulbactam 3g /8h iv. 
(bei V.a. MRSA alternativ Linezolid 600mg /12h iv.)
    • Eskalation (bzw. zuvor erfolglose Therapie) z.B. Piperacillin/Tazobactam 4,5g /8h iv. + (bei V.a. MRSA) Daptomycin 10mg/kg /24h iv.

Baker-Zyste (Kniekehle)

Zyste der Kniegelenkskapsel mit Auswölbung in die Kniekehle. Entstehung meist in Folge von Kniegelenkspathologie (Z.n. Bandruptur, Arthritis etc.). Bei Ruptur: Flüssigkeit breitet sich in Unterschenkelmuskulatur aus, führt zu Schwellung / Schmerz.

Checkliste V.a. Baker-Zyste (-Ruptur)

  • Sonografie: Echofreie Zyste in der Kniekehle darstellbar
  • Bei Schmerzen:
    • Symptomatische Therapie (Hochlagern, ggf. Wärme, NSAR)
    • Bei Komplikationen/starken Schmerzen ggf. chir. Resektion

Sonderfall: Lyme-Arthritis (v.a. Kniegelenk)

Spätsttadium der Lyme-Borelliose: Intermittierende Arthritis (Schwellung, insb. an Kniegelenken. Bei anamnestischem (auch lange zurückliegendem) Erythema migrans oder Zeckenstich an Diagnose denken, ggf. Borrellienserologie. Siehe Hautveränderungen - Lyme Borreliose

Sonderfall: Kutane Larva migrans

Hauterscheinung meist an den Füßen (aber auch Gesäß, Hände, Genitalien) durch Larven v.a. von Hakenwürmern. Häufig in tropischen und subtropischen Gegenden (Südamerika, Afrika, Südostasien) an Sandstränden/Grünanlagen nach Barfußgehen, Liegen ohne Unterlage, Spielem im Sand (Kinder).

Symptomatik:

  • Nach wenigen Stunden bis einigen Tagen (sehr) starker Juckreiz mit lokaler Rötung ohne offensichtliche Eintrittsstelle
  • 2-6 Tage nach Kontakt (in Einzelfällen jedoch Wochen bis Monate verspätet) typisch“ serpetinenförmiges“ Erythem: Gerötete, geschlängelte „Straßen“ (dies sind die Gänge der Larven, die sich pro Tag einige Millimeter bis Zentimeter fortbewegen)

Checkliste Larva Migrans Cutanea

  • Ivermectin 200µg/kg po. (Einmalgabe)
    • Alternativ: Albendazol 400mg /24h po. für 5-7 Tage
  • Zusätzlich lokale Antihistaminika-Therapie für Juckreiz
    • bei starker allergischer Hautreaktion auch ggf. Kortisonhaltige Salbe

Perianaler Schmerz und Entzündung

Bei klinischem Verdacht auf Hämorrhoiden (typisch: Schmerzlose peranale Blutung) oder Analfissur (typisch: Schmerzen beim/nach Stuhldrang, ev. hellrote Blutauflagerung) siehe rektale Blutung.

Bei Hinweis auf Abszedierung: Chirurgischer Notfall, oft operativer Eingriff zur Evakuierung nötig.
Bei entzündlich-nekrotisierender Hautveränderung nahe des äußeren Genitals (meist mit systemischen Sepsis-Zeichen) an Fournier-Gangrän denken: Kritischer Notfall, sofortige Antibiose und chirurgische Sanierung!

Sinus Pilonidalis

Subkutane Entzündung im Bereich des Steißbeins, nahe der Rima Ani. Meist bekannte Patient:innen, oft operative Sanierung nötig.

Analvenenthrombose

Lokale Thrombose perianal. Klinisch livid-bläulicher, druckschmerzhafter Knoten direkt perianal. Teils schwer von thrombosiertem Hämorrhoidalknoten zu unterscheiden. Häufige Auslöser: Schweres Heben oder Tragen, Diarrhö, Obstipation, Schwangerschaft.

Symptomatik:

  • (plötzlich einsetzender) peranaler Schmerz, Spannungsgefühl
    • (ev. einmalige Blutung bei Perforation, danach Schmerzlinderung)

Checkliste Analvenenthrombose

  • Minimale Symptomatik: Lokale Schmerzsalbe ausreichend (in Notaufnahme selten)
  • Stärkere Schmerzen
    • früher lokale Stichinzision empfohlen - da jedoch hier hohe Rezidivquote (nicht ausreichende Expression des Thrombus)
    • daher konservative Therapie
      • Analgesie (lokal + systemisch)
      • „Eisfingerlinge“
      • Stuhlregulierung (Trinkmenge min. 2l/Tag, ballaststoffreiche Ernährung, ev. Leinsamen (o.Ä.), ggf. Macrogol / Lactulose)
    • bei größerem Befund (ggf. Ultraschall hilfreich bei Frage tiefer Abszess) operativ

Interessante Links (frei zugänglich)
Literatur
  • DEGAM. S2e Leitlinie Diagnostik und Therapie der akuten Gicht. AWMF (2023).
  • Hüfner, A. & Kemper, R. Handchirurgische Notfälle – Teil 2. Notaufnahme up2date 05, 61–82 (2023).
  • Hüfner, A. Kleine Chirurgie – Specials der Wundversorgung. Notaufnahme up2date 04, 33–55 (2022).
  • Wiesenberg, A., Rockmann, F. & Schwandner, O. Proktologische Notfälle. Notaufnahme up2date 3, 127–149 (2021).
  • Moellhoff, N. et al. Unguis incarnatus – konservative oder operative Therapie? Ein praktischer Behandlungsalgorithmus. Unfallchirurg 124, 311–318 (2021).
  • Sunderkötter, C. et al. S1‐Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der kutanen Larva migrans (Creeping disease). JDDG: J. Dtsch. Dermatol. Ges. 12, 86–91 (2014).

Urheberrecht © Notfallguru 2023