1. Leitsymptome
  2. Trauma

Spezielle Wunden und penetrierendes Trauma

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Killer

  • Penetrierendes Trauma insb. Hals, Thorax, Abdomen

Red Flags

  • Verletzte sind oft jung und fit - durch lange Kompensation bleiben Vitalzeichen trotz schwerer Verletzung länger stabil

Tipps

  • Penetrierendes Trauma: Äußerlich oft unscheinbare Verletzungen werden initial oft im Ausmaß unterschätzt
  • Verletzung durch Waffen: An potentielle Gefahr durch Verletzte:n denken → Eigenschutz! Vorsicht beim Entkleiden (Waffen, Messer etc. in Taschen)
  • Indirekte Bissverletzung (Faustschlag gegen Zähne) oft unerkannt - Verletzung der Strecksehne mit septischer Arthritis möglich!

Wundversorgung

Allgemeine Wunden siehe: Wundversorgung

Wundversorgung - Nadel und Faden

Nahtmaterial zur Wundversorgung (pragmatisch)

Einsatzbereich

Faden + Nadel

Einzelknopf-Hautnaht
Extremität

  • Nicht resorbierbar
  • 4-0
  • monofilament
  • atraumatische 1/4-runde Nadel

Einzelknopf-Hautnaht
Gesicht

  • Nicht resorbierbar
  • 5-0 oder 6-0
  • monofilament
  • atraumatische 1/2-runde Nadel

Subkutan-Naht

  • Resorbierbar
  • Durchmesser je nach Zugbelastung (z.B. 5-0)
  • monofilament
  • atraumatische 1/2-runde Nadel

Schnelle Blutstillung
größerer Defekte im Notfall

Annaht Thoraxdrainage

  • Nicht resorbierbar
  • 1-0 bis 2-0
  • polyfilament
  • atraumatische 1/4 Nadel

Lokalanästhetika

Wirkstoff

Handelsname
(Beispiele)

Wirkeintritt /
Wirkdauer

Konzentration

Maximaldosis

Lidocain

Xylocain®

schnell /
60-120 min.

0,5% (5mg/ml)
1% (10mg/ml)
2% (20mg/ml)

4mg/kg

Prilocain

Xylonest®

relativ schnell /
90-180 min.

0,5% (5mg/ml)
1% (10mg/ml)
2% (20mg/ml)

6mg/kg

Mepivacain

Scandicain®,
Meaverin®

relativ schnell /
90-180 min.

0,5% (5mg/ml)
1% (10mg/ml)
2% (20mg/ml)

4mg/kg

Bupivacain

Carbostesin®

langsam /
4-12h

0,25% (2,5mg/ml)
0,5% (5mg/ml)
0,75% (7,5mg/ml)

<2mg/kg

Tetanusprophylaxe

Anzahl Tetanus-Impfungen

saubere, oberflächliche
Wunde

sonstige Wunden

unklar / keine

Impfung aktiv + passiv
(Simultanimpfung)

Impfung aktiv + passiv
(Simultanimpfung)

1 - 2 Impfungen

Impfung aktiv1

Impfung aktiv1 + passiv
(Simultanimpfung)

≥ 3 Impfungen
letzte Impfung <5 Jahre

Keine Impfung

Keine Impfung

≥ 3 Impfungen
letzte Impfung <10 Jahre
Keine ImpfungImpfung aktiv
≥ 3 Impfungen
letzte Impfung >10 Jahre
Impfung aktivImpfung aktiv

Als „sauber“ gelten Wunden ohne relevante Keimkontamination (Schnitt mit sauberem Messer etc.), Kontamination muss insb. bei älteren Wunden oder Verschmutzung angenommen werden.

"Sonstige Wunden" nach RKI z.B. verschmutzte (z.B. Staub, Erde, Speichel, Stuhl) oder tiefe Wunden, potentielles Eindringen von Fremdkörpern (z.B. Quetsch-, Riss-, Biss-, Stich-, Schusswunden), schwere Verbrennungen, Erfrierungen

Simultanimpfung: Aktivimpfstoff (z.B. Tetanol® ) und Passivimpfstoff (z.B. Tetagam® ) in unterschiedliche Muskeln. Bei unklarem Impfstatus immer Simultanimpfung!

(1) Aktiv-Impfung im Rahmen der bereits begonnenen Grundimmunisierung (z.B. bei Säuglingen) nur, wenn letzte Tetanusimpfung >4 Wochen

Abszessmanagement

  • Allgemein gilt „je tiefer und größer, desto eher OP und Antibiose“
  • Chirurgische Entlastung Mittel der Wahl
  • Sonographie bei unklaren Befunden gut geeignet um Ausdehnung festzustellen (bzw. zur Differenzialdiagnostik bei unklarer lokalisierter Hautrötung)

Wann operative Entlastung / erhöhtes Risiko?

  • Perirektal (Sinus pilonidalis)
  • Handabszess (ausser Nagelbettabszess)
  • Abszess mit anatomischem Bezug zu Gefäßen/Nerven
  • Abszess im Gesicht (Gefahr der intrakraniellen Keimverschleppung)
  • Brustabszess
Wann Wundabstriche?
  • Chronische Wunde (ggf. MRE)
  • Systemische Entzündungsreaktion
  • Immunsuppression
  • Rezidivierender Abszess trotz Antibiose
  • Keine routinemäßigen Abstriche bei unkompliziertem Abszess

Checkliste Abszessmanagement

  • Desinfektion „von aussen nach innen“ (Cave Keimverschleppung)
  • sterile Abdeckung
  • Kryoanästhesie oder Leitungsblock je nach Ausdehnung
    • Wirkung von Lokalanästhetika im entzündeten Areal teils eingeschränkt
    • falls Infiltration: Ausreichender Abstand zu Abszess (keine Keimverschleppung)
  • Inzision
    • Inzision und ausreichende Öffnung für adäquaten Sekretabfluss herstellen
    • Wundspülung mit Antiseptika mit geringem Druck über Knopfkanüle
    • Ausräumung der Abszesshöhle bei komplizierten (gekammerten) Abszessen
      • ggf. Einlegen einer Drainage/Lasche für permanente Abflussmöglichkeit
        • Indikation: Immunsuppression, ausgedehnte Abszesshöhle (>5cm)
    • offene Wundheilung
Loop Drainage
  • Einstich in Abszesshöhle an zwei Stellen
  • Durchfädeln eines Gummischlauches
  • Spannungsfreies Verknoten des Gummischlauches an der Hautoberfläche
  • Entleerung der Abszesshöhle und ggf. vorsichtige Spülung mit Antiseptikum durch eingebrachte Knopfkanüle

Abszess - Antibiotika-Wahl

ABSZESS - ANTIBIOTIKA

Indikation

Präparatewahl

Oral

  • tiefe/ausgedehnte Abszesse
  • Durchblutungsstörung im betroffenen Hautareal
  • ausgedehnte Umgebungsreaktion
  • Genital-/Analregion oder Hände
  • Gesicht

  • oberflächlich: Cefalexin 1g / 8h po. für 7d
  • tief: Clindamycin 600mg / 8h für 7-10d

Parenteral

  • jede systemische Entzündungsreaktion
  • Immunsuppression
  • oberflächlich: Cefazolin 2g / 8h iv. an Tag 1, dann ggf. reduzieren auf 1g / 8h
  • tief oder Penicillinallergie: Clindamycin 600mg / 8h iv.
  • V.a. Sepsis: 
Cefazolin 2g / 8h iv. und Piperacillin/Tazobactam 4,5g / 8h iv. + allgemeine Sepsis Therapie

Penetrierende Verletzung

Penetrierende Verletzungen entstehen nach spitzer Gewalteinwirkung, z.B. nach Schuss- oder Stichverletzungen oder Unfällen (Zaunpfahl etc.). Insgesamt sind insb. Schussverletzungen in Deutschland selten, die äusserlich oft unscheinbaren Verletzungen werden daher initial oft im Ausmaß unterschätzt. Insb. penetrierende Verletzungen von Hals, Thorax oder Abdomen: Häufig schwere Weichteilverletzung!

CAVE: An potentielle Gefahr durch aggressive Verletzte:n denken!

Bei massiver Blutung kann zur ersten Stabilisierung "Packing" und die Nutzung von Hämostyptika sinnvoll sein.
Bei prähospitaler Anlage von Tourniquets sollte in der Klinik die "Konversion" zu Druckverbänden erwogen werden (binnen 2h nach erster Anlage; bei multiplen Verletzungen realistisch nach initialer ABC-Versorgung im Schockraum) - analog zur "Packing".

Wundtamponade / „Packing“ und Hämostyptika

Bei lebensbedrohlichen Blutungen aus tiefen Wunden kann Tamponieren und der Einsatz von Hämostyptika eine erste Blutstillung bis zur chirurgischen Versorgung erreichen.

Blutung am Körperstamm

Am Körperstamm können oberflächliche Verletzungen oder Verletzungen abseits präformierter Körperhöhlen (z.B. Verletzungen im Becken/Leiste/Achsel) oft effektiv tamponiert werden.

Liegt die Blutungsquelle in einer präformierten Körperhöhle (Thorax / Abdomen), ist das Tamponieren erst nach Eröffnung der Körperhöhle und Lokalisation der Blutungsquelle zielführend. Bis dahin liegt der Fokus auf permissiver Hypotension und notfallmäßiger Gerinnungstherapie + Transfusion, bei entsprechender Expertise und Indikation kann eine proximale Aortenkompression z.B. via REBOA erwogen werden.

Checkliste Packing

  • Auswischen der Wunde und Identifikation der Blutungsquelle
    • + punktuelle Kompression mit einem oder mehreren Fingern
  • Direktes Aufbringen der (hämostyptischen) Gaze auf die Blutungsquelle
    • + Austamponieren mit möglichst fest komprimiertem Verbandsmaterial bis zum Hautniveau
  • Kräftiger, manueller Druck auf die Wundtamponade für mindestens 3 Minuten
  • Anlegen eines elastigen Druckverbandes mit maximalem Druck auf die Tamponade
    • Bei Durchbluten aus der Tamponade diese entfernen und neu anlegen

Steht keine hämostyptische Gaze zur Verfügung können auch unbeschichtete Gaze oder notfalls gewöhnliche Verbandsstoffe verwendet werden.

Wichtig: Einbringen der Tamponade mit hohem Druck und möglichst maximaler Verdichtung!

Arten von Hämostyptika

Chitosan:

Durch positive Ladung des Wirkstoffes lagern sich Erythrozyten und Thrombozyten an und waschen vasokonstriktive Mediatoren aus. Zudem beseitzt der Wirkstoff mucoadhäsive Eigenschafen und lagert sich an der Wundoberfläche an. Die Wirkung von Chitosan erfolgt unabhängig von Koagulopathie oder Antikoagulation. Ein späteres Auswaschen aus der Wunde ist problemlos möglich.

Kaolin:

Durch Aktivierung der intrinsischen Gerinnung schnellere Gerinnselbildung und Blutstillung. Die optimale Anwendung setzt eine intakte Gerinnung voraus und ist unter Antikoagulation deutlich eingeschränkt.

Stichverletzung

Verletzung abhängig von der Beschaffenheit der Waffe. Verschiebungen der Gewebe schichten entlang des Stichkanals (Kulissenphänomen) - Abschätzung durch Inspektion (oder Sondierung) oft nicht möglich. Bei bekannter Klingenlänge kann oft eine grobe Einschätzung erfolgen. (CAVE: durch „Nachdrücken“ kann die Klinge jedoch einige cm tiefer eindringen).

Cave: Signifikante intraabdominelle Verletzung kann auch durch CT nicht definitiv ausgeschlossen werden - daher Beobachtung und serielle klinische Untersuchung!

Checkliste Stichverletzung

  • Allgemeines Management nach cABCDE / xABCDE
  • Keine Sondierung von Wunden in der Notaufnahme! (Verletzung, Keimverschleppung)
  • Fremdkörper belassen und ggf. fixieren - notfallmäßige Entfernung in der Notaufnahme nur, wenn zur Behebung einer anderen letalen Bedrohung notwendig (sonst im OP)
  • Suche nach übersehenen Stichen (kompletten Körper absuchen)
  • Großzügige CT-Diagnostik bei V.a. Gefäß/Nervenschaden oder Stichen in Hals, Thorax oder Abdomen

Schussverletzung

Besonderheiten von Schussverletzungen:

  • Äußere Verletzungen oft nur minimal: Immer kompletten, entkleideten Körper (inkl. Achseln, Genitalbereich und behaarter Schädel) nach Ein-/ Austrittswunden absuchen.
  • Pneumothorax/Perikarderguss nach thorakaler Verletzung häufig - bedenken!
  • Abdominelle Verletzungen haben eine hohe Letalität - größzügige Indikationsstellung zur explorativen Laparotomie!
  • Schussverletzungen sind meist kontaminiert, immer antibiotische Prophylaxe und ggf. Débridement

Verletzungsausmaß ist abhängig von verschiedenen Faktoren der Wundballistik.

Wundballistik Details

Projektil (Typ/Konstruktion)

  • Vollgeschoss aus Blei (z.B. Luftgewehr)
  • Vollmantelgeschoss (Kern aus Blei, Ummantelung mit härterem Metall)
    • Wenig Verformung (Militärmunition nach Haager Landkriegsordnung)
  • Teilmantelgeschoss (pilzförmige Deformierung)
    • Hohe Energieabgabe im Ziel, insb. im Körperinneren (Polizeimunition)
  • Teilmantelgeschoss mit Lochspitze (starke Verformung)
    • Hohe Energieabgabe im Ziel

Geschossgeschwindigkeit und Schussdistanz sowie Stabilität der Flugbahn

  • Deutlich höhere Geschwindigkeit bei Gewehren („Langwaffen“) vgl. Pistolen
  • Durch hohe Energie entsteht eine zur Seite gerichtete Druckwelle (Kavitation) insb. bei Hochgeschwindigkeitsgeschossen (Gewehr)
  • Taumelneigung und Stabilität der Flugbahn: Pendelbewegungen/Drehungen des Geschosses im Körper vergrößern ggf. Schusskanal

Beschaffenheit des getroffenen Gewebes

Checkliste Schussverletzung

  • Allgemeine Versorgung nach cABCDE / xABCDE
    • bei schwerer Blutung:
      • Extremitäten: Tourniquet anlegen
      • Körperstamm etc.: - Körperstamm: Packing (möglichst mit Hämostyptika), permissive Hypotension wenn Packing nicht möglich
  • Erstbeurteilung der Wunde
    • Ein- und Austrittsöffnung
      • Wundkanal ist oft nicht gerade (Projektil durch Gewebe abgelenkt)
      • Einschussöffnung ist meist kleiner als die Ausschussöffnung
      • Wundränder der Ausschussöffnung i.d.R. nicht adaptierbar
    • Länge des Schusskanals bei vorliegendem Ein- und Ausschuss
      • Welche Strukturen/Organe könnten potentiell betroffen sein?
    • Permanente Wundhöhle im Schusskanal?
    • Welche möglichen inneren Verletzungen können aufgrund der Geschossenergie und -form entstehen?
  • Antibiotische Prophylaxe, z.B. Ampicillin/Sulbactam 3g/8h iv.
  • Großzügig CT-Diagnostik zur Suche unerkannter Verletzungen und ggf. Fragmente im Körper (insb. bei Beteiligung von Hals, Thorax oder Abdomen)

Blast Injury

Explosionsverletzungen entstehen durch die schlagartige Freisetzung einer großen Menge von Energie (z.B. Explosion von Sprengkörpern). Dabei wirken verschiedenste Kräfte auf den Körper, die eine Vielzahl von Verletzungsmustern erzeugen können.

Die Folgen einer Explosionsverletzung kann man in primäre, sekundäre, tertiäre und quartäre Verletzungen einteilen:

  • Primärer Schaden: Direkt durch Druckwelle
  • Sekundär: Fragmente/Projektile
  • Tertiär: Aufprall gegen Boden/Gegenstände nach Wegschleudern durch Druckwelle
  • Quartär: Einsturz von Gebäuden, Verbrennungen/Kontamination

Durch die teils erst verzögert auftretenden Schäden (z.B. ARDS, Darmischämie) sollten Patient:innen nach relevantem Explosionstrauma immer für mindestens 48h überwacht werden. Bei offenen Verletzungen sollte ein großzügiges Débridement und eine prophylaktische Antibiose erfolgen, da Explosionverletzungen immer als kontaminiert betrachtet werden müssen.

Amputationen

Versorgung von Amputationen

Jede Amputationsverletzung sollte immer schnellstmöglich chirurgisch vorgestellt werden. Je nach Verfügbarkeit und Art der Amputation sollte bei notwendiger Verlegung aufgrund des möglichen Zeitvorteils eine luftgestützte Verlegung je nach regionaler Struktur mit dem aufnehmenden Zentrum abgesprochen werden.

Versorgung des Amputats

Das Amputat sollte bei vollständiger Amputation mit steriler Kochsalzlösung bzw. Vollelektrolytlösung vorsichtig von grobem Dreck befreit (nicht schrubben/debridieren!) und die Wundoberfläche mit sterilen feuchten Tüchern bedeckt werden.

Der Transport des Amputats sollte dann in einer sterilen Tüte erfolgen. Zur Kühlung kann die Tüte mit Amputat z.B. in Eiswasser gelagert werden. Keinesfalls sollte das Amputat aber direkt in das Wasser eintauchen, ein Einweichen muss vermieden werden.

Initiale Stumpfversorgung

Der Stumpf sollte analog zur allgemeine Wundvesorgung vorsichtig von grober Verschmutzung gereinigt werden unter unbedingter Schonung der Weichteile. Bis zur definitiven Versorgung sollte dann eine sterile Abdeckung erfolgen.

Bei unvollständiger Amputation sollte das Amputat achsgerecht zum Stumpf gelagert werden unter möglichst spannungsfreier Lagerung der Weichteilbrücke.

Bisswunde

Bisswunden durch Menschen oder Tiere: Deutlich erhöhte Infektionsgefahr. Die Größe des Tieres korreliert mit dem Verletzungsausmaß, die Tierart eher mit der Infektionswahrscheinlichkeit (insb. Katzen: erhöhtes Infektionsrisiko).

Meist liegt eine Kombination aus Perforations- und Riss-Quetschwunde vor (Katzen: eher Perforation, Hunde eher Quetschwunde).

Wundversorgung meist offen; Sonderfall Gesicht (Abwägen plastisches Ergebnis vs. Infektionsgefahr).
Indirekte Bissverletzung (Faustschlag gegen Zähne) oft unerkannt - Verletzung Strecksehne mit septischer Arthritis möglich!

Einteilung:

  • Grad I: Oberflächliche Läsion, Riss-/Kratzwunde, Quetschwunde, Bisskanal
  • Grad II: Hautverletzung bis hin zur Faszie/Muskulatur
  • Grad III: Ausgedehnter Weichteildefekt bis hin zu Gewebsnekrose

Risikofaktoren: Erhöhtes Infektionsrisiko bei Bisswunden:

  • Immunsuppression
  • Komplizierte Wunde
    • Punktuelle Wunde
    • Schlecht durchblutete Körperregion
    • Gelenk- oder Knochenbeteiligung
    • Ausgedehnte Weichteilquetschung
    • Hand, Fuß, Genital, Gesicht
    • Alter >50 J.
  • Katzenbiss
  • Menschenbiss
Keimspektrum Bisswunden
  • Insgesamt poly-mikrobiell
  • Hunde: Staphylococcus aureus, Pasteurella multocida und Hämophilus Influenza
  • Katzen: Pasteurella multocida
  • Menschen: Streptococcus anginosus und Pateurella spp. (insg. breite Mischflora)

Checkliste Bissverletzung

  • Eingehende Wundinspektion nach Lokalanästhesie
  • Röntgen bzgl. knöcherner Begleitverletzungen, Ausschluss Fremdkörper im Weichteilgewebe (z.B. abgebrochene Zähne/Zahnfragmente)
  • Außerhalb des Gesichts:
    • Großzügige Spülung (z.B. Vollelektrolytlösung)
    • Débridement von nekrotischem, zerstörtem Gewebe und ggf. Resektion der Wundränder
    • Primärer oder sekundärer Wundverschluss je nach Infektrisiko (erhöhtes Risiko = kein primärer Wundverschluss!)
  • Bisswunden im Gesicht:
    • Keine Resektion der Wundränder oder Débridement
    • Ausgiebige Spülung und Reinigung der Wunde
    • Entfernung aller Fremdkörper aus der Wunde
    • Lockere Adaptation der Wundränder durch Naht
    • Engmaschige Wundkontrollen (ggf. stationäre Aufnahme)
    • Rücksprache plastische Chirurgie (bzw. HNO/MKG), insb. bei Lippen-/ Lidverletzungen bzw. Verletzung von Ohren/Nase bzgl. weiterer Versorgung
  • Tiefere Verletzungen (ab Grad II) insb. Hände oder Risikofaktoren
    • ggf. antibiotische Prophylaxe z.B. Amoxicillin/Clavulansäure 875/125mg/8h po. (3-5d)
    • engmaschige ambulante Verlaufskontrolle (anfangs täglich)
  • Infizierte Wunde: Umgehende chirurgische Vorstellung, stationäre Aufnahme
    • Antibiose: Ampicillin/Sulbactam 3g iv.
    • Sepsis/Hohlhandphlegmone: Piperacillin/Tazobactam 4,5g iv.
      • Hohlhandphlegmone (semiflektierte Finger, symmetrische Fingerschwellung, Berührungsempfindlichkeit, starker Schmerz entlang Beugesehne bei passiver Extension): umgehende chirurgische Wundrevision!

Tollwut-Prophylaxe

Bei jedem Tierbiss muss auch an Tollwut gedacht werden! Risiko abhängig von beißendem Tier. Deutschland formal tollwutfrei, jedoch importierte Fälle möglich (Urlaub, illegale Tierimporte).

  • Symptomfreie Tiere/tollwutfreies Gebiet → keine Gefahr
  • Tiere unbekannter Herkunft bzw. in/aus nicht-tollwutfreiem Gebiet → Postexpositionelle Prophylaxe beim Gebissenen
  • Symptomatisches Tier → immer Prophylaxe
  • Kontakt mit Fledermaus (Schleimhautkontakt, Kratzer, Biss) → immer Prophylaxe

Vorgehen Tollwut-Prophylaxe

Wunde

Keine / unvollständige Impfung

Vorhandene Impfung

Kratzer /
nicht blutende Schürfwunde

Aktivimpfung z.B. Rabipur®
(zwei Dosen zeitgleich an Tag 0, dann je 1 Dosis Tag 7 und 21)

Aktivimpfung
je 1 Dosis Tag 0 und 3

Tiefere Wunde /
Weichteilschaden

Aktivimpfung (s.o.) +
zusätzlich Passivimpfung z.B. Berirab 20IE/kg im.
an Tag 0 + Infiltration intramuskulär in und um die Wunde

Interessante Links (frei zugänglich)
Literatur
  • Deaton, T. G., Drew, B., Montgomery, H. R. & Butler, F. K. Tactical Combat Casualty Care (TCCC) Guidelines: 25 January 2024. J. Spéc. Oper. Med. (2024)
  • Hossfeld, B. et al. Blutstillungsmaßnahmen in der Notfallaufnahme – Schritt für Schritt. Notaufnahme up2date 06, 21–26 (2024).
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  • Hüfner, A. Kleine Chirurgie – Specials der Wundversorgung. Notaufnahme up2date 04, 33–55 (2022).
  • RKI. RKI Ratgeber Tollwut. Epidemiologisches Bulletin (2022).
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  • Fleischmann, T. & Hohenstein, C. Klinische Notfallmedizin Band 1 Wissen: Emergency Medicine nach dem EU-Curriculum. (2020).
  • Wyatt, J. P., Taylor, R. G., Witt, K. de & Hotton, E. J. Oxford Handbook of Emergency Medicine. (2020).
  • Tintinalli, J. E., Ma, J. O. & Donald, Y. M. Tintinalli’s Emergency Medicine. (2019).
  • Hossfeld, B., Stöhr, A. & Josse, F. Die Wirkungsweise von Hämostyptika. Taktik und Medizin 1, 14–17 (2018).
  • Hinck, D. C., Wipper, S. & Debus, E. S. Hämostyptika zur Behandlung der „junctional vascular injuries“. Unfallchirurg 121, 530–536 (2018).
  • Rothe, K., Tsokos, M. & Handrick, W. Animal and Human Bite Wounds. Dtsch. Ärzteblatt Int. 112, 433–42 (2015).
  • Weigel, B. & Nerlich, M. L. Praxisbuch Unfallchirurgie. (2011).

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