1. Leitsymptome
  2. Kopf und Neuro

Ohrenschmerz

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Killer

  • Nekrotisierende Otitis externa (Otitis externa maligna)

Red Flags

Erste Schritte

Fokussierte Untersuchung bei Ohrenschmerzen

  • Inspektion
    • Otorrhoe (Eiter, Blut, Schleim, Liquor?)
    • Rötungen der Ohrmuschel sowie prä- und postaurikulär, abstehendes Ohr?
    • Inspektion der Ohrmuschelform (Tumore? Hämatome?)
    • Inspektion enoral (begleitende Tonsillitis, Zahnstatus...)
  • Palpation
    • Tragusdruckschmerz und Ohrmuschelzugschmerz: Hinweis auf primäre Otalgie (Otitis externa, Chondritis)
    • Druck/ Klopfschmerz Mastoid: Hinweis auf Komplikation
    • HWS Beweglichkeit, Kiefergelenkbeweglichkeit? Muskelansätze occipital: Evtl. zervikale Ursache, Kiefergelenksarthopathie
    • Palpation der Schilddrüse schmerzhaft: Evtl. Thyreoditis
  • Otoskopie
    • Gehörgang, Trommelfell; Erguss?
  • Keine routinemäßigen Laboruntersuchungen oder mikrobiologische Diagnostik beim “einfachen Ohrenschmerz” - nur bei V.a. oder Nachweis von Komplikationen
  • Weitere Bildgebung (CT) ebenfalls nur V.a. Komplikationen
  • Audiometrie: keinen Stellenwert in der Notaufnahme
  • ggf. Weber/ Rinne (mit den entsprechenden Einschränkungen siehe HNO-Untersuchung)

Fokus bei Anamnese:

  • Stärke/ Verlauf der Beschwerden
  • Vorherige Infekte (Atemwege?) + vorherige Behandlung (auch antibiotisch)
  • Relevante Vorerkrankungen (Immunstatus)
  • Begleitsymptome wie Ausfluss aus dem Ohr, Fieber, Husten, Schnupfen, Reizbarkeit, aber auch Ohrgeräusche, Schwindel, Hörminderung

Tipps

Ursachen entweder primär (Infektionen, Neuralgien, Ohrverletzungen, Fremdkörper, Neoplasien und Tumore in diesem Bereich) oder sekundär (Projektion und Ausstrahlung beispielsweise von dental- / retro-/ oro-/ pharyngealen Prozessen etc.)

Applikation von Ohrentropfen: Kopf auf Gegenseite ablegen, Ohrentropfen applizieren und 2-3 Minuten warten vor dem Aufstehen.

Akute Otitis externa

Ursachen:

  • Traumatisch (typisch: Wattestäbchen)
  • Keime: Bakterien (Pseudomonas, Staph. aureus, Staph. epidermidis), Pilze (Aspergillus, Candida)

Wichtigste DD: Psoriasis Manifestation

Symptome / Diagnostik

  • Typisch: Juckreiz, Tragusreiz bzw. Tragusdruckschmerz (im Unterschied zur Otitis media acuta, hier kein Tragusdruckschmerz)
  • Otoskopie: Feuchter, geschwollener, geröteter Gehörgang. Wichtigste Frage: Trommelfell intakt?
  • Keine routinemäßigen Laboruntersuchungen
  • CT bei V.a. Ausbreitung wie Schädelbasisosteomyelitis, Meningitis (Hirnnervenbeteiligung - N.facialis) oder prolongiertem Verlauf trotz Antibiose (Schmerzen persistieren >14d)
  • Abstrich in ZNA nicht unbedingt notwendig, ggf. bei Rezidivieren oder sehr schweren Infektionen mit Fieber/ bei Immunsuppression

Checkliste Otitis externa

  • Basismaßnahmen
    • Gehörgang vorsichtig reinigen
    • Spülung nur nach Ausschluss eines Trommelfelldefektes
    • Trocken halten, nicht feucht werden lassen
    • Keine Wattestäbchen verwenden, Ohrstöpsel benutzen
  • Analgesie: NSAR; ggf. topische analgetische Ohrentropfen, beispielsweise Procain (5 Tropfen 3-4/tgl.)
  • Antibiotische Lokaltherapie
    • Ciprofloxacin 3mg/ml 4 Tropfen/12h
      (wenn keine Ohrentropfen vorhanden sind könnten (off label) notfalls auch Augentropfen (beispielsweise Ofloxacin-AT) genutzt werden)
    • Bei geschwollenem Gehörgang Kombination mit Steroid-Tropfen (Ciprofloxacin 3mg/ml + Dexamethason 1mg/ml, 4 Tropfen /12h), auch bei perforiertem Trommelfell möglich
  • Orale Antibiose nur bei Fieber, Immunsuppression (inkl. schlecht kontrolliertem Diabetes mellitus oder Ausdehnung über den Gehörgang hinaus nach Rücksprache HNO, z.B. Ciprofloxacin 750mg/12h po. 7d
  • Disposition: Kontrolle nach 2d ambulant (Ausnahme: Schwerer Verlauf, V.a. Otitis externa maligna)
  • V.a. Otitis externa maligna (stark betroffene Pat., starke Schmerzen, evtl. Facialisparese)
    • Dringliche HNO-Rücksprache, stationäre (HNO-)Aufnahme
    • Zusätzlich zur lokalen Therapie systemische Antibiose, z.B. Piperacillin-Tazobactam 4,5g iv. /8h oder Ceftazidim 2g /6h iv. + ggf. lokale / systemische antifungale Therapie (nach Rücksprache HNO)
Sonderfall chronische Otitis externa

Häufige Ursachen: Fremdkörper (Sand, kleiner Stein, Insekt) oder dermatologische Erkrankungen z.B. Psoriasis, atypisches Ekzem

Klinik:

  • Starker Juckreiz (eher selten Otalgie)
  • Symptome >2 Monate oder >4 Gehörgangsentzündungen pro Jahr

Therapie:

  • Ambulante Therapie der Grunderkrankung, Reizstoffe wie Shampoo etc. meiden
  • Abstrich zum Ausschluss einer bakteriellen oder fungalen Genese ist sinnvoll, antibiotische Therapie nur bei Nachweis oder akuter Exazerbation
  • ggf. topische Therapie mit Steroiden (siehe oben) zur Unterdrückung der chronischen Entzündung und lokaler Abschwellung

Akute Otitis media

Meist rhinogene (aszendierende) Entzündung der Schleimhaut im Mittelohr nach viralem Infekt der oberen Atemwege, seltener exogene Infektion bei perforiertem Trommelfell.

Symptomatik - typische Trias:

  • Akuter Beginn (Fieber, Krankheitsgefühl, Reizbarkeit)
  • Rötung Trommelfell und Otalgie
  • Otoskopisch nachgewiesener Mittelohrerguss
  • (sowie evtl. Halsschmerz)
Komplikationen
  • Innenohrbeteiligung (Fazialisparese, Nystagmus, Schwindel, Lateralisierung bei Weber Test)
  • Durchbruch und Ausbreitung der Infektion bei Mastoiditis, Mastoid-Abzess (abstehendes Ohr, Mastoid-Druckschmerz), Meningitis, Epiduralabszess, Sinusvenenthrombose (Kopfschmerzen, neurologische Defizite, Vigilanzminderung)
    • dann typisch hohes Fieber ≥ 39°C, septisches Krankheitsbild (insbesondere bei Immunsuppression)
  • Bei Kindern mit rezidivierender Otitis Media / chronischer Otitis Media: Sprachentwicklungsverzögerung durch Hörminderung möglich

Checkliste Otitis Media

  • Fokussierte Diagnostik:
    • Enorale Racheninspektion
    • Otoskopie (bds.): Otorrhoe?
Trommelfell-Befunde in Otoskopie
  • Typisch: Trommelfell gerötet/hyperäm, mattes Trommelfell ohne Lichtreflex, Beweglichkeit reduziert beim Druckausgleich, ggf. vorgewölbt, sichtbarer Erguss
  • DD Seromukotympanon: Erguss ohne Zeichen einer akuten Infektion, Druckgefühl, Hörminderung, durch Einengung Tubenostien (Rachenmandeln bei Kindern), rezidivierende Infektionen
  • DD Tubenkatarrh: retrahiertes Trommelfell, durch Infektion oder Luftdruckwechsel (Flugzeug) mit Unterdruck und ggf. Flüssigkeitsansammlung im Mittelohr
  • Therapie
    • Basismaßnahmen: NSAR zur Analgesie, abschwellende Nasentropfen (steroidhaltig) und Inhalation mit NaCl-Inhalationslösung, Wundsalbe zur Schleimhautpflege
    • Paracetamol bei Fieber (Symptombesserung nach 24 Stunden)
    • Antibiose (selten indiziert, Spontanheilungsrate bei Immunkompetenten 80%)
      • Hauptziel: Schnellere Symptomfreiheit (shared desicion mit Pat.)
        • Bei Pat..Wunsch ggf. “delayed prescription” (Rezept wird ausgestellt, bei fehlender Besserung nach 48 Stunden kann es eingelöst werden)
      • Sofortige / frühzeitige Antibiose insb. bei Immunsuppression z.B. Amoxicillin/Clavulansäure 2000/125 mg /12h po.
    • Bei Risikofaktoren für schweren Verlauf: Stat. Aufnahme HNO; Ampicillin/Sulbactam 3g/8h iv.
  • V.a. Mastoiditis: Sofortige HNO Vorstellung, je nach Rücksprache Beginn mit Piperacillin/Tazobactam 4,5g /8h iv.
  • Disposition
    • Bei V.a. Komplikationen (siehe oben): großzügig Bildgebung, umgehende HNO-Vorstellung (ggf. OP, Patient:innen nüchtern lassen)
    • Komplikationslose Otitis Media: Ambulante Verlaufskontrolle spätestens nach 7 Tagen (HNO), Besserung sollte innerhalb von 2-3 Tagen eintreten

Trauma am Ohr / Trommelfellperforation

Ursachen u.a. Barotrauma (Flugreisen, Tauchgänge), Trommelfellverletzung: direkt (Wattestäbchen..) oder direktes Trauma (Schlag auf das Ohr, Sturz auf das Wasser, Cave: häusliche Gewalt!).

Typisch: Stechende Schmerzen und akuter Hörverlust als Symptome bei Trommelfellperforation.

Checkliste V.a. Trommelfellperforation

  • Otoskopie: Trommelfell schlitzförmig/zackig gerissen? Trommelfell-Hämatom sichtbar?
  • Vorstellung HNO (insb. bei traumatischer Trommelfellperforation oder Trommelfellhämatom)
  • Wunden und Verletzungen am äußeren Ohr: Wundreinigung, Desinfektion, ggf. Impfstatus abklären (Tetanus)
    • Ggf. Entlastung eines Ohrmuschelhämatoms, je nach Wunde auch antibiotische Abdeckung notwendig (nach Rücksprache HNO)

Ohrmuschelphlegmone

Infektion der Haut nach kleineren Verletzungen, am häufigsten ist das Ohrläppchen betroffen

Therapie: Antibiose mit Penicillin 1,5 Mega /8h po. oder Cephalexin 500mg/8h po.
 für je 7d

Perichondritis

Wichtigste DD zur Ohrmuschelphlegmone! Komplikation: Knorpelnekrose
Unterschied zur Ohrmuschelphlegmone / -Erysipel: Ohrläppchen ist nicht mit betroffen sondern bleibt unverändert.

Ursachen:

  • Meist nach Trauma (z.B. Boxen, Verbrennungen)
  • Ohrpiercings
  • ggf. Superinfektion eines Otohämatoms

Checkliste V.a. Perichondritis

  • HNO-Vorstellung - ggf. ist eine Abszessentlastung oder iv.-Antibiose nötig
  • Antiseptische Lokalbehandlung
  • Orale Antibiose z.B. mit Ciprofloxacin 500mg /8h po. (ggf. plus Clindamycin 600mg /8h po.) über 10 Tage
    • Bei schwerer Verlaufsform stationäre (HNO-) Aufnahme und z.B. Piperacillin-Tazobactam 4,5g /8h iv.

Weitere Ursachen (Auswahl)

  • Fremdkörper: Siehe HNO - Fremdkörper. Cerumen oder andere Fremdkörper können die Cutis reizen und zu Ohrenschmerzen führen. Entfernung von Fremdkörpern durch Spülung (nur bei intaktem Trommelfell). Sicherer: Otoskopisches Absaugen
  • Zoster Oticus: Aktivierung in den Ganglienzellen VII und VIII. Trias: Bläschenbildung, Schwindel, periphere Fazialisparese. Lokaltherapie mit austrocknenden Cremes sowie Valaciclovir oder Aciclovir: S. Herpes Zoster)
  • Dentogener Ohrenschmerz: Zahnschmerz mit Fortleitung: S. Zahnschmerz)
  • Fortgeleiteter Kopfschmerz / Spannungskopfschmerz: S. Kopfschmerz
  • Trigeminusneuralgie: Versorgungsgebiet Ast 1-3. Eher einschießende, kurz andauernde, mehrmals täglich auftretende Schmerzen. Auslösbar durch Kauen, Berührung und Sprechen (s. Gesichtsschmerz)
  • Gehörgangsfurunkel: Entzündung eines Haarbalgs im Gehörgang, Stichinzision zur Drainage abhängig von Größe/ Lokalbefund, lokale Antiseptika. Bei Allgemeinsymptomen systemische Antibiose z.B. mit Isoxazolyl-Penicillin 1g/8h po.
  • Neoplasien: Neoplasien an sonnenexponierten Stellen am Ohr (Basaliom, Spinaliome, Platenepithelkarzinome) können sich durch Ohrenschmerzen äußern. Weitere Malignome, die zu Ohrenschmerzen führen können sind z.B Akustikusneurinome (einhergehend mit Hörminderung, Ohrgeräuschen, Gleichgewichtsproblemen) und osteogene Tumore
  • Zervikalneuralgie: Bandscheibenschäden C2, C3 und Funktionsstörungen der Zervikalgelenke können zu Ohrenschmerzen führen. Nachweis von Myogelosen, druckschmerzhaften Muskelansätzen und Schmerzen bei Bewegung der HWS. Therapie u.a. Physiotherapie, Wärme- Kälteanwendungen etc. ambulant
  • Kiefergelenksarthopathien: Neben Ohrenschmerzen häufig Tinnitus, Schwindel, Hörminderung, “Knackgeräusche” bei der Kiefergelenksbewegung, z.B. nach längeren zahnärztlichen Eingriffen. Klinisch Druck über den Kiefergelenken, asymmetrischer Aufbiss, Beschwerden betont Morgens, Schmerzverstärkung beim Kauen.
  • Frakturen, die zu Ohrenschmerzen führen (s. Schädeltrauma)
    • Laterale Schädelbasis-Brüche (betreffen Hörorgan)
    • Felsenbeinfraktur:
      • Felsenbeinlängsfrakturen (betreffen Mittelohr, hier auch Ohrblutung und Hörminderung)
      • Felsenbeinquerfraktur (keine Trommelfellperforation, aber Ausfall des Labyrinths, ggf. Facialisparese).
    • Hinweise in der klinischen Untersuchung: Hämatotympanon (hier häufig weitere Bildgebung notwendig, Rücksprache HNO!). Bei fehlender Anamnese für Trauma: Immer auch an häusliche Gewalt denken!
    • Bei Frakturverdacht: Keine Applikation von Ohrenspülungen oder Ohrentropfen. Antibiotische systemische Abschirmung, umgehende Vorstellung HNO

Interessante Links (frei zugänglich)
Literatur
  • Walls, R., Hockberger, R., Gausche-Hill, M., Erickson, T. B. & Wilcox, S. R. Rosen’s Emergency Medicine. (2022).
  • Mozet, C., Huseynov, J. & Fischer, M. HNO-Notfälle in der Notaufnahme: Interdisziplinär richtig (be)handeln. Notaufnahme up2date 2, 339–360 (2020).
  • Fleischmann, T. & Hohenstein, C. Klinische Notfallmedizin Band 1 Wissen: Emergency Medicine Nach Dem EU-Curriculum. (2020).
  • Meyer, J., Graefe, H., Biermann, E., Kwiatkowski, A. & Strauß, S. Notfälle in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde. Notfallmedizin up2date 15, 189–205 (2020).
  • Tintinalli, J. E., Ma, J. O. & Donald, Y. M. Tintinalli’s Emergency Medicine. (2019).
  • DEGAM. S2K Leitlinie Ohrenschmerzen. AWMF (2014).

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