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Zahn- + Kieferschmerz (MKG)

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Killer

  • Mediastinitis
  • Mundbodenabszess ("Angina Ludovicii")

Red Flags

V.a. Infektion der Mundhöhle +

  • Schluckbeschwerden
  • Mundöffnungseinschränkung
  • Dyspnoe
  • V.a. Logenabszess (Schmerz/Schwellung breitet sich in Hals aus)
  • Systemische Infekt- / Sepsiszeichen

Tipps

  • Zahnschmerz: Ziel ist das Erkennen von Befunden mit unmittelbarem Handlungsbedarf und das Vermeiden weiterer Schäden sowie insb. die Analgesie.
  • Zahnverlust: Frühzeitige Replantation! Lagerung wichtig (z.B. Zahnrettungsbox) um Austrocknung / Beschädigung zu verhindern.

Zahnschmerz

Die hier vorgestellten Maßnahmen dienen ausschließlich der Überbrückung bis zur zahnärztlichen Vorstellung - hierüber sollte explizit aufgeklärt werden!

Checkliste Zahnschmerz

  • Hinweis auf relevante Infektion / Entzündung der Mundhöhle?
    s. unten - ggf. Antibiose, rasche weitere Abklärung
  • Falls nicht:
    • Analgesie (oft ausreichend bis zur zahnärztlichen Vorstellung)
      • NSAR z.B. Ibuprofen 400mg alle 4-6h für maximal 3 Tage, alternativ z.B. Metamizol 500mg bis zu 6x tgl.
    • Lokalanästhesie / lokale Infiltration (s.unten)

Lokalanästhesie bei Zahnschmerz

Zur lokalen Infiltration eignet sich z.B. Bupivacain aufgrund der Wirkdauer von 6-8h, geeignet sind aber auch andere „-caine“ (z.B. Lidocain).

Infiltrationsanästhesie

Die Umspritzung des Zahns ist insb. vestibulär am Oberkiefer möglich, da hier durch die dünne Knochenstruktur eine guter Wirkspiegel an der Nervenwurzel erzielt wird. Vor jeder Lokalanästhesie sollte eine Aspiration erfolgen, um eine intravasale Gabe auszuschließen.

Durchführung:

  • Oberkiefer Richtung Wurzelspitze des betroffenen Zahnes infiltrieren (siehe Abbildung)
    • insb. bei Infiltration im posterioren Bereich darf die Mundöffnung nicht zu weit sein, da durch angespannte Muskulatur die Injektionsstelle verdeckt wird
  • Wirkung setzt nach 2 min ein und erreicht nach ca. 20 min ihr Maximum

Zahn Infiltration
Grafik: blau dargestellt die Nadel welche vestibulär vor den betroffenen Zahn 0,5-1ml Lokalanästhetikum infiltriert

Leitungsanästhesie

Aufgrund der festeren Knochenstruktur des Unterkiefers erreicht eine Infiltration an der Kortikalis in der Regel keine ausreichende Wirkung an der Zahnwurzel. Eine Leitungsanästhesie des N. alveolaris inferior am Foramen mandibulare erzielt eine Anästhesie des ipsilateralen Unterkiefers und der Unterlippe (und teils der Zunge bei Mitbeteiligung des N. Lingualis).

Cave: Aufgrund des potentiellen Risikos eines Nervenschadens bei Leitungsanästhesie, sollte dieses Verfahren erst nach erfolgloser Infiltrationsanästhesie und nach entsprechender Aufklärung sowie bei entsprechender Erfahrung erfolgen!

Durchführung:

  • Weite Mundöffnung zur suffizienten Darstellung der anatomischen Landmarken
  • Punktion 10mm oberhalb der Kaufläche der Molaren
  • Einstechen der Nadel von der Gegenseite in die Innenseite des aufsteigenden Unterkiefers
    • Aspiration vor Injektion (Risiko einer Punktion der A. alveolaris inferior!)

Zahn Leitungsanaes

Grafik: Blau dargestellt die Nadel, über welche mit 1-2ml Lokalanästhetikum der N. alveolaris inferior umspritzt wird. Rot markiert das anästhesierte Areal.

Zahnverlust

Bei Avulsion eines Zahnes/-fragmentes: Schnellstmögliche Replantation des Zahnes anstreben.
Da bereits nach 15min ohne adäquate Lagerung vitale Zahnwurzelzellen absterben ist bis zur Replantation eine adäquate Lagerung des Zahns essentiell.

Aufbewahrung des herausgelösten Zahns:

  • Die Zahnwurzel-Oberfläche darf keinesfalls austrocknen/beschädigt werden
  • Zahn nur an Krone berühren und keinesfalls mechanisch säubern (ggf. mit NaCl 0,9% leicht abspülen)
  • Zahnlagerung möglichst in Zahnrettungsbox
    • alternative Lagerung im Notfall: H-Milch, Vollelektrolytlösung

Ist ein Zahn noch locker in der Alveole, nur bei drohender Aspiration entfernen!

Kiefergelenksluxation

Eine Kiefergelenksluxation kann ein- oder beidseitig nach Alltagsbewegungen wie Gähnen/Abbeißen oder Lachen auftreten.

Typische Klinik/Diagnostik:

  • Okklusionsstörung und Schmerz im Bereich der Kiefergelenke
  • ggf. tastbare, leere Gelenkpfanne
  • Bildgebung:
    • Erstmalige Luxation mit typischer Klinik und Symptomatik: Auf weitere Bildgebung kann ggf. verzichtet werden
    • Trauma, rezidivierende Luxation oder V.a. Begleitverletzungen: Bildgebung (z.B. CT-Gesichtsschädel)

Checkliste Reposition Kiefergelenksluxation

  • Sitzend, Kopf nach hinten abstützen (vor Zurückweichen sichern)
  • Daumen auf Molaren der Patient:in, übrige Finger umgreifen locker Unterkiefer/Kinn
  • Druck auf Molaren, gleichzeitiger Druck auf Kinn (“Kippbewebung” des Unterkiefers) - Reposition erfolgt seitengetrennt (ggf. leichte (Analgo)sedierung nötig)
  • Alternativ: „Spritzentechnik“: Patient:in „rollt“ Spritze (5-10ml) selbstständig vor und zurück, s. Abbildung unten
Reposition mit Daumen

KGrepos

Reposition mit "Spritzentechnik"

KGreposspritze

Entzündungen der Mundhöhle

Infektionen der Mundhöhle können sich durch Ausbreitung in Hals und Kopf zu lebensbedrohlichen Erkrankungen wie z.B. Mundbodenabzess oder Mediastinitis entwickeln! Daher frühzeitig Rücksprache z.B. mit MKG / Zahnklinik und/oder HNO, insb. bei Red Flags.

Untersuchungsbefunde und spezifisches Vorgehen:

Untersuchungsbefund

Therapie

Lokale Schwellung + Schmerz
weich / ödematös

Desinfektion, Antibiose

schmerzhafte Schwellung im Bereich der Weisheitszähne
V.a. Dentitio difficilis

Vorsichtige Reinigung der Zahnfleischkappe, Desinfektion, Antibiose

Extreme Klopfempfindlichkeit (Schmerz auch Nachts/in Ruhe)
V.a. irreversible Pulpitis / periapikale Parodontitis

Analgesie, ggf. Lokalanästhesie
Antibiose nur bei Schwellung

mehrere Zähne im Oberkiefer und Unterkiefer bzw. gesamter Oberkiefer klopfempfindlich
DD Sinusitis

Analgesie, Antibiose

bei V.a. Sinusitis maxillaris ggf. Nasentropfen

Harte, verschiebliche und schmerzhafte Schwellung V.a. Abszess

Antibiose, fachspezifische Rücksprache! (HNO, MKG, Zahnklinik)

Desinfektion:

  • Mundspülung mit 1 Messbecher Chlorhexidin 0,2% für 1 min alle 8h

Antibiose z.B.:

  • Amoxicillin 500mg /8h po. (aufgrund der zunehmenden Resistenzraten wird von Clindamycin in diesem Kontext oft abgeraten - lokale Situation beachten!)
    alternativ - falls iv. nötig:
  • Ampicillin/Sulbactam 3g /8h iv.
Interessante Links (frei zugänglich)
Literatur
  • Wilkat, M. & Rana, M. MKG-Notfälle erkennen und behandeln – Teil 2: Trauma & Atemwegsverlegungen. Notaufnahme up2date 04, 341–359 (2022).
  • Wilkat, M. & Rana, M. MKG-Notfälle erkennen und behandeln – Teil 1: Entzündungen und Blutungen. Notaufnahme up2date 04, 225–247 (2022).
  • Kindler, S., Metelmann, C., Metelmann, H.-R. & Metelmann, B. Notfälle im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich. Notf. Rettungsmedizin 21, 411–429 (2018).
  • Prechel, U., Ottl, P., Ahlers, O. M. & Neff, A. The Treatment of Temporomandibular Joint Dislocation. Dtsch. Ärzteblatt Int. 115, 59–64 (2018).

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