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  2. Kopf und Neuro

Nasenbluten, Rachenblutung

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Killer

Red Flags

  • Massive Blutung / V.a. Aspiration
  • Schockzeichen
  • Dyspnoe
  • Hämatemesis von verschlucktem Blut

Fokus Präklinik

  • Atraumatische Epistaxis:
    • Oberkörper hochlagern, “Sniffing Position”, bds. manuelle Kompression Nasenflügel (mindestens 10 min.), ggf. Adrenalin lokal applizieren mittels Tupfer, Blut ausspucken lassen, auf Wärmeerhalt achten
  • Traumatische Epistaxis:
    • Tamponaden sehr zurückhaltend
    • Transportziel: Klinik mit HNO
  • Rachenblutung nach Tonsillektomie oder V.a. posteriore Epistaxis / Vor-OPs
    • Transportziel Klinik mit HNO, Vorankündigung!
    • Bei Atemwegssicherung: Fokus adäquate Absaugung (2 Absaugpumpen falls verfügbar), "SALAD-Konzept" erwägen
    • jede (auch geringe) Nachblutung bei Z.n. Tonsillektomie immer HNO-ärztlich vorstellen!

Epistaxis

Hintergrund

Blutungsquellen

  • Anterior: Locus Kiesselbachi
  • Posterior: A. sphenopalatina (aus A. Carotis externa, A.carotis Interna und der A. maxillaris)

Häufige Ursachen

  • Schädelhirntrauma, Unfall, Schlägerei (Siehe Gesichtstrauma)
  • Digitales „Trauma“ (Nasebohren), Magensondenanlage, Fremdkörper
  • Reizung bei Rhinorrhoe z.B. bei allergischer Rhinitis, Rhinosinusitis
  • Trockene Luft, (nasale) Sauerstoffgabe, Klimaanlage, Heizungsluft
  • Neoplasien (Tumore, Fibrome)

Risikofaktoren

  • Alter>50 Jahre / <10Jahre
  • Medikamente insb. Antikoagulation / Thrombozytenaggregationshemmer
  • Alkohol oder sonstige Drogen (insb. Kokain)
  • Vorerkrankungen:
    • Bekannte Anämie
    • Leber- oder Niereninsuffizienz
    • Arterielle Hypertonie (verlängert wahrscheinlich nur die Blutungszeit aber verursacht nicht die Epistaxis)
    • Morbus Osler (Teleangiectasia hereditaria hemorrhagica)
    • Allergische Rhinosinusitis
  • Kürzliche HNO Voroperationen

Checkliste Epistaxis

  • Basistherapie
    • Vorbeugen (Kopf nicht in Nacken), Blut nicht schlucken - sondern ausspucken
    • Abschwellende Nasentropfen verabreichen, dann manuelle Kompression der Nasenflügel bds. für mindestens 10 min.
    • RR <220mmHg syst. primär nicht senken, solange Blutung nicht gestoppt ist (Blutdruck oft sekundär durch Stress, normalisiert sich bei Sistieren) - außer bei anderen, zusätzlichen Symptomen (hypertensiver Notfall)
    • Lungenauskultation: Hinweis auf Aspiration?
    • Klinische Hinweise auf Koagulopathie? (Leberinsuffizienz, Petechien, Hämatome)
  • Enorale/endonasale Inspektion: Bei persistierender Blutung nochmals manuelle Kompression 10-15 min.
  • Endonasale Therapie (falls persistierende Blutung):
    • Tranexamsäure über Tupfer lokal, ggf. als MAD
    • Koagel entfernen, Blutungsquelle identifizieren
    • bei persistierender Blutung und sichtbarer Quelle anteriore Blutstillung:
      Chemische Kauterisation (Silbernitrat 3-4 sek.)
      • Lokale Anästhesie mit Lidocain 4%
      • Niemals bilateral (cave Septumperforation!)
    • Falls frustran: anteriore Tamponade
      (CAVE: Bei traumatischer Epistaxis zurückhaltend!)
  • Posteriore Blutstillung (Hinweis: Blutung trotz anteriorer Tamponade)
    • Überbrückende Therapie bis zu HNO-Vorstellung: Doppelballon-Tamponade.
      Falls nicht vorhanden: 14F Blasenkatheter nasal einführen, auf “Mundhöhe” mit 20ml Luft blocken, dann zurück ziehen bis Widerstand
Disposition
  • Manuelle Kompression erfolgreich, keine Blutungszeichen mehr beim Eintreffen in der Notaufnahme / keine anteriore Blutungsquelle sichtbar:
    • Entlassung nach Hause, kein HNO Termin zwingend notwendig
    • Schleimhautpflege mit Wundsalbe und Nasengel (Vasokonstriktion)
  • Sistierte anteriore Epistaxis nach Kompression / Kauterisierung: Wenn keine Blutung der Rachen-Hinterwand sichtbar ist: Entlassung meist möglich.
    • Antikoagulation kann bei gestoppter Blutung (und ohne Hinweis auf eine Überdosierung) weiter eingenommen werden
  • Anteriore Tamponaden notwendig, Kauterisation nicht möglich / erfolgreich:
    • HNO Vorstellung innerhalb von 24-48h zur Entfernung der anterioren Tamponaden und endgültiger Therapie (Kauterisation)
  • Posteriore Blutung: Umgehende HNO-Vorstellung

Tonsillektomie-Nachblutung

Wegen der Lokalisation der Blutung (schwierige Blutstillung) sowie der angrenzenden Strukturen (Atemwege) Hochrisiko-Situation, kann bei starker Blutung zu hämorrhagischen Schock, aber auch Aspiration und Atemwegsverlegung führen. Bereits minimale Blutungen können eine “Warnblutung” darstellen - immer HNO-Vorstellung!

Hintergrund

Einteilung

  • Primärblutung direkt nach der OP (< 24 Stunden)
  • Sekundärblutung (>24 Stunden) nach der Entlassung wenn Wundbeläge abfallen (ca. nach 5-10 Tagen)

Ursachen (Übersicht)

  • sich lösende Wundbeläge
  • Wundinfektion
  • Gefäßanomalie
  • Erstmanifestation einer bisher unbekannten Gerinnungsstörungen

Checkliste V.a. Tonsillektomie-Nachblutung

  • Ruhe bewahren (und ausstrahlen), Pat.-Lagerung mit erhöhtem Oberkörper, Monitoring
  • Mind. zwei Zugänge, Labor inkl. Kreuzblut
  • Liberale Antiemetika-Gabe (z.B. Dimenhydrinat 62mg iv. KI)

Weiteres Vorgehen nach Situation:

  • Kritische Blutung (akutes ABC-Problem, Aspiration, Bewusstseinstrübung)
    • Notfallnarkose (Hochrisiko-Situation, schwieriger Atemweg - Hilfe holen!)
      • Alternativstrategie: Larynxmaske, Backup: Chirurgischer Atemweg
      • Absaugbereitschaft mit mind. 2 großlumigen (starren) Saugern
    • Nach Intubation rasch lokale Kompression (Tupfer mit TXA/Hämostyptika mit (Magill-)zange auf Blutungsquelle pressen
      • Falls Blutungsquelle nicht klar ersichtlich / weitere Blutung: Mundraum ausstopfen, “so gut es geht” (Hämostyptika, Gaze etc.)
      • Als last-resort ggf. ipsilaterale Carotis-Kompression von außen erwägen
    • Notfalltransfusion und Gerinnungsmanagement antizipieren
    • Notfallmäßige HNO-Vorstellung
  • Mittelschwere Blutung (noch nicht kritisch krank, aber etwas Blässe, Dyspnoe…)
    • Wenn toleriert: Hochdosierte Sauerstoffgabe zur (Prä)oxygenierung
    • Vernebeln von Tranexamsäure (500mg pur) und/oder Adrenalin (4mg pur) erwägen (schlechte Evidenz)
    • Bei Hypotonie: Volumengabe nach Bedarf, permissive Hypotonie
    • Tranexamsäure 1g iv. KI (schlechte Evidenz)
    • etwaige Antikoagulation aufheben (wenn zeitlich machbar)
    • Atemwegssicherung vorbereiten inkl. Absaugbereitschaft mit mind. 2 großlumigen (starren) Saugern
    • Sofortige HNO-Vorstellung
  • Leichte Blutung (etwas Blut spuckend, kein ABC-Problem):
    • “Eiskrawatte” (Kühlung im Nacken)
    • So lange wie möglich wach und sitzend lassen, Ausspucken unterstützen
    • Vernebeln von Tranexamsäure (500mg pur) und/oder Adrenalin (4mg pur) erwägen (schlechte Evidenz), falls Pat. dies toleriert
    • Rasche Vorstellung HNO / Verlegung in Klinik mit HNO

Andere Blutungsursachen

  • Bissverletzung
  • Z.n. Zahnextraktion
  • Systemische Ursachen z.B. bei Gerinnungsstörung
  • Tumore (Gefäßarrosionen bei invasiven Wachstum, Oberflächenblutungen von Tumoren)
  • Manipulation bei Intubationsbemühungen

Maßnahmen meist symptomatisch:

  • Blutstillung durch Kompression / lokale Blutstillung durch Tupfer mit Adrenalin / Tranexamsäure
  • ggf. Atemwegssicherung zur Vermeidung von Aspiration (insbesondere bei Tumoren häufig sehr schwieriger Atemweg!)
  • Larynx- / Pharynxblutungen sind meist nur operativ / interventionell-radiologisch therapierbar
  • Andere Blutungsquelle (z.B. obere GI-Blutung, Hämoptysen)

Interessante Links (frei zugänglich)
Literatur
  • Walls, R., Hockberger, R., Gausche-Hill, M., Erickson, T. B. & Wilcox, S. R. Rosen’s Emergency Medicine. (2022).
  • Thangavelu, K. et al. Epistaxis – Übersicht und aktuelle Aspekte. HNO 69, 931–942 (2021).
  • Mozet, C., Huseynov, J. & Fischer, M. HNO-Notfälle in der Notaufnahme: Interdisziplinär richtig (be)handeln. Notaufnahme up2date 2, 339–360 (2020).
  • Fleischmann, T. & Hohenstein, C. Klinische Notfallmedizin Band 1 Wissen: Emergency Medicine Nach Dem EU-Curriculum. (2020).
  • Meyer, J., Graefe, H., Biermann, E., Kwiatkowski, A. & Strauß, S. Notfälle in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde. Notfallmedizin up2date 15, 189–205 (2020).
  • Tintinalli, J. E., Ma, J. O. & Donald, Y. M. Tintinalli’s Emergency Medicine. (2019).
  • Paul, C., Sanader, S., Wetsch, W. A., Stangl, R. & Lechleuthner, A. Lebensbedrohliche Blutung nach Tonsillektomie. Notf. Rettungsmedizin 21, 603–608 (2018).
  • Eschbach, T. SOP Erstmaßnahmen und Differenzialdiagnostik atraumatischer oraler Blutungen. Notfallmedizin up2date 13, 358–360 (2018).

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