Killer
- Atemwegsverlegung
- Fulminante Aspiration
- Hämorrhagischer Schock
- Tonsillektomie-Nachblutung
Red Flags
- Massive Blutung / V.a. Aspiration
- Schockzeichen
- Dyspnoe
- Hämatemesis von verschlucktem Blut
Fokus Präklinik
- Atraumatische Epistaxis:
- Oberkörper hochlagern, “Sniffing Position”, bds. manuelle Kompression Nasenflügel (mindestens 10 min.), ggf. Adrenalin lokal applizieren mittels Tupfer, Blut ausspucken lassen, auf Wärmeerhalt achten
- Traumatische Epistaxis:
- Tamponaden sehr zurückhaltend
- Transportziel: Klinik mit HNO
- Rachenblutung nach Tonsillektomie oder V.a. posteriore Epistaxis / Vor-OPs
- Transportziel Klinik mit HNO, Vorankündigung!
- Bei Atemwegssicherung: Fokus adäquate Absaugung (2 Absaugpumpen falls verfügbar), "SALAD-Konzept" erwägen
- jede (auch geringe) Nachblutung bei Z.n. Tonsillektomie immer HNO-ärztlich vorstellen!
Epistaxis
Hintergrund
Blutungsquellen
- Anterior: Locus Kiesselbachi
- Posterior: A. sphenopalatina (aus A. Carotis externa, A.carotis Interna und der A. maxillaris)
Häufige Ursachen
- Schädelhirntrauma, Unfall, Schlägerei (Siehe Gesichtstrauma)
- Digitales „Trauma“ (Nasebohren), Magensondenanlage, Fremdkörper
- Reizung bei Rhinorrhoe z.B. bei allergischer Rhinitis, Rhinosinusitis
- Trockene Luft, (nasale) Sauerstoffgabe, Klimaanlage, Heizungsluft
- Neoplasien (Tumore, Fibrome)
Risikofaktoren
- Alter>50 Jahre / <10Jahre
- Medikamente insb. Antikoagulation / Thrombozytenaggregationshemmer
- Alkohol oder sonstige Drogen (insb. Kokain)
- Vorerkrankungen:
- Bekannte Anämie
- Leber- oder Niereninsuffizienz
- Arterielle Hypertonie (verlängert wahrscheinlich nur die Blutungszeit aber verursacht nicht die Epistaxis)
- Morbus Osler (Teleangiectasia hereditaria hemorrhagica)
- Allergische Rhinosinusitis
- Kürzliche HNO Voroperationen
Checkliste Epistaxis
- Basistherapie
- Vorbeugen (Kopf nicht in Nacken), Blut nicht schlucken - sondern ausspucken
- Abschwellende Nasentropfen verabreichen, dann manuelle Kompression der Nasenflügel bds. für mindestens 10 min.
- RR <220mmHg syst. primär nicht senken, solange Blutung nicht gestoppt ist (Blutdruck oft sekundär durch Stress, normalisiert sich bei Sistieren) - außer bei anderen, zusätzlichen Symptomen (hypertensiver Notfall)
- Lungenauskultation: Hinweis auf Aspiration?
- Klinische Hinweise auf Koagulopathie? (Leberinsuffizienz, Petechien, Hämatome)
- Enorale/endonasale Inspektion: Bei persistierender Blutung nochmals manuelle Kompression 10-15 min.
- Endonasale Therapie (falls persistierende Blutung):
- Tranexamsäure über Tupfer lokal, ggf. als MAD
- Koagel entfernen, Blutungsquelle identifizieren
- bei persistierender Blutung und sichtbarer Quelle anteriore Blutstillung:
Chemische Kauterisation (Silbernitrat 3-4 sek.)- Lokale Anästhesie mit Lidocain 4%
- Niemals bilateral (cave Septumperforation!)
- Falls frustran: anteriore Tamponade
(CAVE: Bei traumatischer Epistaxis zurückhaltend!)
- Posteriore Blutstillung (Hinweis: Blutung trotz anteriorer Tamponade)
- Überbrückende Therapie bis zu HNO-Vorstellung: Doppelballon-Tamponade.
Falls nicht vorhanden: 14F Blasenkatheter nasal einführen, auf “Mundhöhe” mit 20ml Luft blocken, dann zurück ziehen bis Widerstand
- Überbrückende Therapie bis zu HNO-Vorstellung: Doppelballon-Tamponade.
Disposition
- Manuelle Kompression erfolgreich, keine Blutungszeichen mehr beim Eintreffen in der Notaufnahme / keine anteriore Blutungsquelle sichtbar:
- Entlassung nach Hause, kein HNO Termin zwingend notwendig
- Schleimhautpflege mit Wundsalbe und Nasengel (Vasokonstriktion)
- Sistierte anteriore Epistaxis nach Kompression / Kauterisierung: Wenn keine Blutung der Rachen-Hinterwand sichtbar ist: Entlassung meist möglich.
- Antikoagulation kann bei gestoppter Blutung (und ohne Hinweis auf eine Überdosierung) weiter eingenommen werden
- Anteriore Tamponaden notwendig, Kauterisation nicht möglich / erfolgreich:
- HNO Vorstellung innerhalb von 24-48h zur Entfernung der anterioren Tamponaden und endgültiger Therapie (Kauterisation)
- Posteriore Blutung: Umgehende HNO-Vorstellung
Tonsillektomie-Nachblutung
Wegen der Lokalisation der Blutung (schwierige Blutstillung) sowie der angrenzenden Strukturen (Atemwege) Hochrisiko-Situation, kann bei starker Blutung zu hämorrhagischen Schock, aber auch Aspiration und Atemwegsverlegung führen. Bereits minimale Blutungen können eine “Warnblutung” darstellen - immer HNO-Vorstellung!
Hintergrund
Einteilung
- Primärblutung direkt nach der OP (< 24 Stunden)
- Sekundärblutung (>24 Stunden) nach der Entlassung wenn Wundbeläge abfallen (ca. nach 5-10 Tagen)
Ursachen (Übersicht)
- sich lösende Wundbeläge
- Wundinfektion
- Gefäßanomalie
- Erstmanifestation einer bisher unbekannten Gerinnungsstörungen
Checkliste V.a. Tonsillektomie-Nachblutung
- Ruhe bewahren (und ausstrahlen), Pat.-Lagerung mit erhöhtem Oberkörper, Monitoring
- Mind. zwei Zugänge, Labor inkl. Kreuzblut
- Liberale Antiemetika-Gabe (z.B. Dimenhydrinat 62mg iv. KI)
Weiteres Vorgehen nach Situation:
- Kritische Blutung (akutes ABC-Problem, Aspiration, Bewusstseinstrübung)
- Notfallnarkose (Hochrisiko-Situation, schwieriger Atemweg - Hilfe holen!)
- Alternativstrategie: Larynxmaske, Backup: Chirurgischer Atemweg
- Absaugbereitschaft mit mind. 2 großlumigen (starren) Saugern
- Nach Intubation rasch lokale Kompression (Tupfer mit TXA/Hämostyptika mit (Magill-)zange auf Blutungsquelle pressen
- Falls Blutungsquelle nicht klar ersichtlich / weitere Blutung: Mundraum ausstopfen, “so gut es geht” (Hämostyptika, Gaze etc.)
- Als last-resort ggf. ipsilaterale Carotis-Kompression von außen erwägen
- Notfalltransfusion und Gerinnungsmanagement antizipieren
- Notfallmäßige HNO-Vorstellung
- Notfallnarkose (Hochrisiko-Situation, schwieriger Atemweg - Hilfe holen!)
- Mittelschwere Blutung (noch nicht kritisch krank, aber etwas Blässe, Dyspnoe…)
- Wenn toleriert: Hochdosierte Sauerstoffgabe zur (Prä)oxygenierung
- Vernebeln von Tranexamsäure (500mg pur) und/oder Adrenalin (4mg pur) erwägen (schlechte Evidenz)
- Bei Hypotonie: Volumengabe nach Bedarf, permissive Hypotonie
- Tranexamsäure 1g iv. KI (schlechte Evidenz)
- etwaige Antikoagulation aufheben (wenn zeitlich machbar)
- Atemwegssicherung vorbereiten inkl. Absaugbereitschaft mit mind. 2 großlumigen (starren) Saugern
- Sofortige HNO-Vorstellung
- Leichte Blutung (etwas Blut spuckend, kein ABC-Problem):
- “Eiskrawatte” (Kühlung im Nacken)
- So lange wie möglich wach und sitzend lassen, Ausspucken unterstützen
- Vernebeln von Tranexamsäure (500mg pur) und/oder Adrenalin (4mg pur) erwägen (schlechte Evidenz), falls Pat. dies toleriert
- Rasche Vorstellung HNO / Verlegung in Klinik mit HNO
Andere Blutungsursachen
- Bissverletzung
- Z.n. Zahnextraktion
- Systemische Ursachen z.B. bei Gerinnungsstörung
- Tumore (Gefäßarrosionen bei invasiven Wachstum, Oberflächenblutungen von Tumoren)
- Manipulation bei Intubationsbemühungen
Maßnahmen meist symptomatisch:
- Blutstillung durch Kompression / lokale Blutstillung durch Tupfer mit Adrenalin / Tranexamsäure
- ggf. Atemwegssicherung zur Vermeidung von Aspiration (insbesondere bei Tumoren häufig sehr schwieriger Atemweg!)
- Larynx- / Pharynxblutungen sind meist nur operativ / interventionell-radiologisch therapierbar
- Andere Blutungsquelle (z.B. obere GI-Blutung, Hämoptysen)
Weiterführende Literatur und Links
Interessante Links (frei zugänglich)
- Infografik Tonsillektomie-Nachblutung (Nerdfallmedizin 2024)
- Videos Tonsillektomie-Nachblutung (Nerdfallmedizin 2019)
- Massive Hemorrhage Post-Tonsillectomy (First10EM 2018)
Literatur
- Walls, R., Hockberger, R., Gausche-Hill, M., Erickson, T. B. & Wilcox, S. R. Rosen’s Emergency Medicine. (2022).
- Thangavelu, K. et al. Epistaxis – Übersicht und aktuelle Aspekte. HNO 69, 931–942 (2021).
- Mozet, C., Huseynov, J. & Fischer, M. HNO-Notfälle in der Notaufnahme: Interdisziplinär richtig (be)handeln. Notaufnahme up2date 2, 339–360 (2020).
- Fleischmann, T. & Hohenstein, C. Klinische Notfallmedizin Band 1 Wissen: Emergency Medicine Nach Dem EU-Curriculum. (2020).
- Meyer, J., Graefe, H., Biermann, E., Kwiatkowski, A. & Strauß, S. Notfälle in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde. Notfallmedizin up2date 15, 189–205 (2020).
- Tintinalli, J. E., Ma, J. O. & Donald, Y. M. Tintinalli’s Emergency Medicine. (2019).
- Paul, C., Sanader, S., Wetsch, W. A., Stangl, R. & Lechleuthner, A. Lebensbedrohliche Blutung nach Tonsillektomie. Notf. Rettungsmedizin 21, 603–608 (2018).
- Eschbach, T. SOP Erstmaßnahmen und Differenzialdiagnostik atraumatischer oraler Blutungen. Notfallmedizin up2date 13, 358–360 (2018).