1. Leitsymptome
  2. Thorax

Dyspnoe + respiratorische Insuffizienz

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Killer

Red Flags

Erste Schritte

  • Symptomatische Therapie
    • O2-Gabe (initial mit maximalem Flow, Maske + Reservoir)
    • Oberkörper-Hochlagerung
    • Ausbleibende Besserung: Nichtinvasive Beatmung beginnen!
    • Fremdkörperaspiration: Zum Husten anregen, wenn nicht effektiv: 5 Rückenschläge, dann 5 abdominelle Kompressionen
  • Anamnese
    • Symptomdauer/-Beginn?
    • Co-Symptomatik? (Brustschmerz, Palpitationen, Schmerzen bei Atmung?)
    • (Respiratorische) Vorerkrankungen? (Asthma, COPD, Allergien...)
    • Zurückliegendes (Thorax-) Trauma?
  • Auskultation + Thoraxsono: (ggf. im Verlauf Röntgen-Thorax/CT)
    • Sonografische Unterscheidung Spastik vs. Lungenödem + Ausschluss relevanter Pneumothorax
    • Feuchte RG: Pneumonie oder Lungenödem?
    • Keine RG: V.a. LAE, Azidose (kompensatorische Hyperventilation), etc.
  • Fokussierte Untersuchung: Ödeme? Gestaute Halsvenen? Fieber?
    • EKG-Monitoring + 12-Kanal-EKG: Rhythmusstörung? Ischämiezeichen?
    • BGA (initial venös, dann arteriell): pH? CO2 ? Elyte? (art.: Oxygenierung?)

Tipps

  • Manchmal wird „Luftnot“ stellvertretend für „Schwäche“ / „Kollapsgefühl“ genannt.
  • Luftnot kommt nicht immer von der Lunge - mindestens genau so oft vom Herz!
  • Kind mit Dyspnoe = Hochrisiko! Sofort Sauerstoffgabe und engmaschige Überwachung
  • Pat. mit Trachealkanüle: Siehe Dyspnoe bei Trachealkanüle
Häufige und gefährliche Ursachen mit Leitsymptom "Atemnot"
  • Häufige und bedrohliche Ursachen:
    • Exazerbation bei bestehendem COPD/Asthma
    • Akute Herzinsuffizienz („Lungenödem“)
    • Lungenembolie
    • Pneumonie
  • Häufig, meist aber nicht vital bedroht sind Patient:innen mit
    • Bronchitis
    • Hyperventilation (Cave: DD Tachypnoe bei kritischer Erkrankung, z.B. Schock und/oder Sepsis)
    • Pleuraerguss
  • Seltenere Ursachen:
    • Pneumothorax (selten nur Dyspnoe, meist zusätzlich Thoraxschmerz)
      • insb. gefährlich bei beatmeten Pat.: Spannungspneu!
    • Myokardinfarkt (meist zusätzliche Symptomatik)

(Auswahl von häufigen / gefährlichen Diagnosen)

Definition "Respiratorische Insuffizienz"

Vereinfacht / pragmatisch für akute respiratorische Insuffizienz "ARI".
Atmungs- und Beatmungsphysiologie und -Parameter s. auch Beatmung

  • Hypoxische respiratorische Insuffizienz (Oxygenierungsproblem - "zu wenig Sauerstoff")
  • Hyperkapnische respiratorische Insuffizienz (Ventilationsproblem -"zu viel CO2")
  • Respiratorische Globalinsuffizienz (Oxygenierungs- und Ventilationsproblem)

Fokus Präklinik

  • Red Flags prüfen, Killer aktiv erwägen
  • Erste Schritte, insb.:
    • Sauerstoff, 12-Kanal-EKG
    • Massive Dyspnoe / respiratorische Erschöpfung: Frühzeitig NIV erwägen, auch bei kurzen Transportwegen!
    • Falls Narkoseeinleitung notwendig: Fokus auf gute Präoxygenierung und Vorbereitung (ggf. "delayed sequence intubation" DSI)
  • Spezifische Therapie fokussiert
    • COPD/Asthma: Salbutamol / Fenoterol inhal. (alle 10-15min) + Ipratropiumbromid inhal. (alle 30min), Prednisolon 50mg iv.
    • Lungenödem/Herzinsuffizienz
      • Hypertensiv: Rasche RR-Senkung (Nitro, Urapidil)
      • Andere Ursachen bedenken + behandeln (Rhythmusstörung etc.)
  • Transportziel je nach Ursache, meist Klinik mit Innerer Medizin
    • ggf. nichttraumatologischer Schockraum

COPD

Hintergrund + Ursachen für Exazerbation

Chronic obstructive pulmonary Disease (COPD) - Unheilbare Lungenerkrankung, die durch eine trotz Therapie unvollständig reversible Bronchoobstruktion gekennzeichnet. Im Gegensatz zu Asthma Bronchiale meist langjährige Toxinexposition auslösend (insb. Rauchen), "Overlapsyndrome" in Kombination mit allergischem Asthma können auch auftreten.

Durch diechronische bronchiale Obstruktion ist die Atemarbeit der Patient:innen erhöht, es kommt zu einer Lungenüberblähung. Entzündliche Veränderungen der Bronchioli (Remodeling) sowie ein Verlust der Elastizität des Lungengewebes führen zu emphysematöser Destruktion. Der Verlauf ist schubweise, die Häufigkeit der Exazerbationen korreliert mit Mortalität / Morbidität.

Ursächlich ist vorallem die Exposition gegenüber Umweltgiften (insb. Zigarettenrauchen, Inhalation von Staub), Seltener kann ein Alpha1-Antitrypsin-Mangel oder eine Infektion die Erkrankung auslösen (z.B. TBC).

Häufigste Ursachen für akute Exazerbation:

  • Infekt (Entzündungszeichen und Klinik zur Abgrenzung viral/bakteriell)
  • kardiale Dekompensation (BNP und Lungensonographie bzgl. B-Linien)
  • Pneumothorax (Lungensonographie)
  • Lungenembolie (Echokardiographie bzgl. akuter Rechtsherzbelastung, ev. D-Dimere)

Symptomatik:

  • Dyspnoe +
    • Exspiratorisches Giemen
    • verlängertes Exspirium
    • bei Infektexazerbation auch Brummen/feuchte RGs, Husten, ggf. Auswurf
  • Achtung bei:
    • Atemfrequenz erhöht (>20)
    • Einsatz der Atemhilfsmuskulatur (Abstützen auf der Liege, Festklammern am Bettgitter)
    • Zyanose
    • Delir, Vigilanzminderung (Hyperkapnie und/oder Hypoxie)

Checkliste COPD

  • Sauerstoff nach Bedarf. Ziel: SpO2 88-92% + Besserung Dyspnoe
  • Antiobstruktive Inhalation:
    • Salbutamol 2,5mg inhal. (alternativ: 200-400µg DA inhal.oder Fenoterol 100-200µg DA inhal. - je alle 10-15min.
    • Ipratropiumbromid 0,25mg inhal. (alternativ 1-2Hub = 20µg-40µgalle 30min.
  • Steroid, z.B. Prednisolon 40-50mg po. oder iv.
    dann 40mg/24h po. für 5 Tage
  • Kausale Ursache?
    • V.a. (bakterielle) Infektexazerbation, z.B. bei (neu) purulentem Sputum: Antibiotika-Gabe
    • Lungenembolie
  • Eskalation (sofort bei Vigilanzminderung, resp. Erschöpfung, Hyperkapnie mit pH < 7,3):
  • Worst Case:
    • Intubation: Narkose mit (Es)Ketamin (evtl. zusätzlich antiobstruktive Wirkung). Präoxygenierung mit NIV, "physiologisch schwieriger Atemweg"
    • Beatmung bei Obstruktion oft erschwert:
      • Niedrige Atemfrequenz (8-10/min)
      • I:E mind. 1:2 bis 1:3
      • keine Rampe
      • auf abgeschlossene Expiration in der Flowkurve achten
Sauerstoffgabe bei COPD

Unkontrollierte, hochdosierte Sauerstoffgabe bei COPD kann zu Hyperkapnie bis hin zu schwerer Vigilanzminderung führen.

Lange wurde ein Konzept diskutiert, Sauerstoffgabe senke den Atemantrieb bei chronischer COPD, da bei diesen Pat. der Atemantrieb vor allem auf der Sauerstoffkonzentration basieren würde. Dieses Prinzip ist zunehmend umstritten.

Moderne Publikationen sprechen von v.a. einem Mechanismus für Hyperkapnie bei hochdosierter Sauerstoffgabe - das Ventilations-/ Perfusionsverhältnis: Bei chron. COPD-Pat. sind schlecht ventilierte Lungenareale aufgrund hypoxischer Vasokonstriktion weniger perfundiert. Durch hochdosierte O2-Gabe wird dies aufgehoben, die Areale werden perfundiert - aber weiter schlecht ventiliert. Das V/P Verhältnis verschlechtert sich, der Rechts-Links Shunt nimmt zu (vereinfacht).

Fazit zu Sauerstoffgabe:

  • Bei akuter Hypoxie sollte O2 zur Stabilisierung verabreicht werden, initial auch hochdosiert - falls nötig.
  • Unkontrollierte, hochdosierte Gabe über längere Zeit kann negative Auswirkungen haben.
  • Die SpO2 Sättigung sollte auf eine SpO2 etwa 88-92% (und eine Besserung der Klinik) titriert werden.
  • Bei respiratorischer Insuffizienz und erhöhtem Sauerstoffbedarf sollte frühzeitig (auch präklinisch) nichtinvasive Beatmung begonnen werden.

Asthma

Hintergrund + Ursachen für Exazerbation

Variable und reversible (vgl. COPD) Atemwegsobstruktion mit bronchialer Hyperreagibiliät bei meist allergisch / infektgetriggerter Entzündung der Bronchialschleimhaut.

Ursachen multifaktoriell, u.a.:

  • genetisch
  • öfter Männer
  • Nikotin
  • berufliche inhalative Noxen
  • Allergen-Kontakt
  • Infekt

Status Asthmaticus = Persistierende Symptomatik trotz Therapie >12-24h

Symptomatik:

  • Dyspnoe +
    • Exspiratorisches Giemen
    • verlängertes Exspirium
    • teils bei Infektexazerbation Brummen/feuchte RGs. Husten, ggf. Auswurf
  • Achtung bei:
    • Atemfrequenz erhöht (>20)
    • Einsatz der Atemhilfsmuskulatur (Abstützen auf der Liege, Festklammern am Bettgitter)
    • Tachykardie >120/min
      • noch gefährlicher: Bradykardie!!
    • Zyanose
    • Vigilanzminderung
    • „Silent lung“ bei Auskultation.

Checkliste Asthma

  • Sauerstoff nach Bedarf. Ziel: SpO2 >94% + Besserung Dyspnoe
  • Antiobstruktive Inhalation:
    • Salbutamol 2,5mg inhal. (alternativ: 200-400µg DA inhal.) oder Fenoterol 100-200µg DA inhal. alle 10-15min.
    • Ipratropiumbromid 0,25mg inhal. (alternativ 1-2Hub =20µg-40µg) alle 30min.
  • Bei O2-Bedarf: Steroid, z.B. Prednisolon 50-100mg po. oder iv.
  • Kausale Ursache?
  • Eskalation
    • Magnesiumsulfat 10% 20ml (ca. 8mmol Mg) iv. KI
      • evtl. + Mg 10% 10ml inhal.
    • Nichtinvasive Beatmung (NIV)
    • ggf. Ketamin 0.5-1mg/kg iv. KI; dann 0,5-2mg/kg über 1h iv. oder
      • Esketamin 0.25-0,5mg/kg iv. KI; dann 0,25-1mg/kg über 1h iv. (schlechtere Evidenz für Esketamin)
    • ggf. Reproterol 0,09mg iv. KI oder Terbutalin 0,25mg sc.
  • Weitere Optionen (eingeschränkte Evidenz):
    • Adrenalin 3-4mg inhal. - vor allem Kinder/allergisches Asthma
    • Adrenalin 0,5mg im. - bei V.a. allergisches Asthma; initial wenn kein Zugang
    • Morphin zur Anxiolyse zurückhaltend: CAVE fatale Hypoxämie 
    • Reproterol-Perfusor über 3-4 Tage
  • Worst Case: Intubation und Beatmung
    • Bei massivster Obstruktion oft nur manuelle Beatmung mit Beutel möglich
      CAVE: Pneumothorax-Gefahr!
    • Intubation:
      • Narkose mit (Es)Ketamin (evtl. zusätzlich antiobstruktive Wirkung)
      • Präoxygenierung mit NIV!
    • Beatmung bei Obstruktion oft erschwert:
      • Niedrige Atemfrequenz (8-10/min)
      • I:E min. 1:2 bis 1:3
      • keine Rampe
      • auf abgeschlossene Expiration in der Flowkurve achten
    • Bei anhaltend schwieriger Beatmung vvECMO erwägen (Verlegung Zentrum)

Herzinsuffizienz und Lungenödem

Hintergrund und Einteilung chronische Herzinsuffizienz

Akut verminderte kardiale Leistung, multiple Ursachen (Arrhythmie, Myokardinfarkt, Hypervolämie etc.). Oft akut auf chronisch.

Einteilung chronische Herzinsuffizienz:

  • Reduzierte LVEF (Heart failure with reduced ejection fraction: HFrEF)
  • mittelgradig red. LVEF (Heart failure with mid range reduced EF: HFmrEF)
  • erhaltene LVEF + diastolische Funktionsstörung (Heart failure with preserved EF: HFpEF).

Symptomatik:

  • Dyspnoe + Einteilung anhand Klinik („Hypoperfusion" und Stauung“) in vier Kategorien:
    • Warm-feucht = gestaut, aber perfundiert: 
„klassisches Lungenödem“
    • Kalt-trocken = Hypoperfusion, keine Stauung
    • Kalt-feucht: = Stauung und Hypoperfusion. Kritischste Variante! 

      CAVE: V.a. fulminanter kardiogener Schock
    • (Warm-trocken): Akut kaum relevant
  • Auskultation: Ein frühes, interstitielles Lungenödem kann oft „spastisch“, wie obstruktiv klingen (daher „Asthma cardiale“).
    • Rasche Differenzierung bietet Dyspnoe-Sono
      • vermehrte B-Linien → V.a. Lungenödem
      • keine B-Linien → eher Bronchoobstruktion
Einteilung Hypoperfusion / Stauung und spezifische Symptome

Stauung

Zeichen für Hypoperfusion (nicht automatisch auch Hypotonie!):

  • Kühle, schweißige Extremitäten
  • Rekap-Zeit verlängert
  • Oligurie
  • Verwirrung
  • Schwindel / Präkollapsgefühl
  • akute Nierenfunktionseinschränkung
  • Laktat↑, metabolische Azidose

Zeichen für Stauung:

  • Pulmonale Stauung (Röntgenbild, B-Linien in Sono)
  • Periphere Ödeme (Beine, Arme…)
  • Orthopnoe
  • Nächtl. Dyspnoe (bei flachem Liegen)
  • Jularvenenstauung, 
hepatojugulärer Reflux
  • Lebervenenstauung, Ascites

Reversible Ursachen

„Reversible“ Ursachen akuter Herzinsuffizienz - Akronym "CHAMPIT"

CHAMPIT-Flowchart

CHAMPIT2

  • Coronarsyndrom: Akutes Koronarsyndrom mit (akuter) Einschränkung der Pumpfunktion
  • Hypertensiver Notfall: Hypertensives Lungenödem (v.a. akute Nachlast-Erhöhung)
  • Arrhythmie (hämodynamisch relevante tachykarde / bradykarde Rhythmusstörung)
  • Mechanische Ursache (Perikardtamponade, akute Klappeninsuffizienz, + peripartal)
  • Pulmonalarterienembolie (fulminante Lungenembolie)
  • Infektion (hämodynamische Entgleisung z.B. bei Harnwegsinfekt, Pneumonie, Sepsis, ev. Endokarditis/Perimyokarditis)
  • Tamponade (Perikardtamponade)

Checkliste Akute Herzinsuffizienz

  • Symptomatische Stabilisierung
    • O2-Gabe
    • Oberkörper-Hochlagerung (Ausnahme: Kalt-Feucht)
    • Rascher Beginn mit NIV (PEEP eher hoch + FiO2 100%)
    • Kardiovaskuläre Stabilisierung
    • Atemnot/Angst: ggf. Benzodiazepine (z.B. Midazolam 1-2mg iv.), alternativ Opioide (Morphin 2-3mg iv.)
  • CHAMPIT - Ursache rasch behebbar?
  • Weitere Therapie nach Symptomkomplex:
Symptomkomplex "warm-feucht"

meist hyper- oder normotensiv: "NIV + Nitro"

  • Respiratorische Insuffizienz: Frühzeitig NIV mit PEEP (rasch auf 7-10 cmH2O titrieren)
  • Primär hypertensiv: Nitro-Spray 2 Hub (1 Hub=0,4mg) sublingual
    • ggf. zusätzlich Urapidil 10mg Boli iv. (10min. nach Nitro warten)
    • evtl. Furosemid 20-40mg iv. falls zusätzlich v.a. Hypervolämie (bei bestehender Diuretika-Therapie mind. selbe Dosis iv.)
  • Primär hypervoläm:
    • Furosemid 20-40mg iv. (bei bestehender Diuretika-Therapie mind. selbe Dosis iv.)
    • Nitro-Spray 1-2 Hub sublingual solang RR >100mmHg systolisch
  • Fulminante Variante: “SCAPE” (Sympathic Crashing Acute Pulmonary Edema)
    • Rapider Beginn, Hypertonie (MAP >120mmHg), Hypoxie, kritisch krank → Sofort aggressive Therapie!
    • NIV beginnen, PEEP rasch auf 10-15 cmH2O titrieren
      • zur Toleranz falls nötig Benzodiazepin (z.B. Midazolam 1-2mg Boli iv.)
    • Nitro 1-2mg iv. Bolus über 2min., dann Nitro-Perfusor 5(-15)mg/h
Symptomkomplex "kalt-trocken"

Hypoperfusion + Hypovolämie

  • Kritische Situation, engmaschiges Monitoring
  • Vorsichtige Volumenchallenge: VEL 250ml iv.
    (außer bei pulmonaler Stauung - vorab Sono!)
  • Inotropika erwägen (z.B. Dobutamin-Perfusor, ev. in Kombination mit Noradrenalin)
Symptomkomplex "kalt-feucht"

Kardiogener Schock!

Pneumonie

Hintergrund + Auslöser

Bakteriell bedingte Entzündung der Lunge. 3 relevante Kategorien:

  • Ambulant erworbene Pneumonie (community acquired pneumonia CAP)
  • nosokomiale Pneumonie (health care associated pneumonia HAP) = Auftreten ab 48h nach KH-Aufnahme
  • Pneumonie bei schwerer Immuninkompetenz.

Typische Auslöser (Auswahl):

  • viraler Atemwegsinfekt
  • pulmonale Stauung („Stauungspneumonie“)
  • Aspiration
  • basale Hypoventilation bei Schonhaltung, Bettlägrigkeit
  • Lungenembolie mit regionaler Minderperfusion („Infarktpneumonie“)
  • Bronchusverlegung (Fremdkörper, Tumor)
  • invasive Beatmung
  • Magensonde

Risikofaktoren für Pneumonie u.a.:

  • Kürzlicher Klinikaufenthalt, Pflegeheim-Pat.
  • Pulmonale Vorerkrankungen z.B. COPD, Mukoviszidose, Lungenfibrose
  • Immunsuppression z.B. Diabetes, chron. Niereninsuffizienz, Leberinsuffizienz, Alkoholabusus, Glukokortikoide, Chemotherapie, Neoplasie

Symptomatik:

  • Husten, Dyspnoe, Thoraxschmerz, Tachypnoe
  • Allgemeinsymptomatik: Fieber, Schwäche bis hin zu Vigilanzminderung.
  • “Typisch”: rasch auftretend, hohes Fieber, Schüttelfrost, Auswurf. Röntgen (meist bei Lobärpneumonie)
  • “Atypisch”: langsam auftretend, Gliederschmerz, trockener Husten. Röntgen meist „interstitielles“ Bild.
  • Achtung bei:
    • Orthopnoe
    • Tachypnoe >40/min
    • Bradykardie
    • Vigilanzminderung
    • agitiert-abwehrendes Delir
Risikostratifizierung: CRB 65 Score
  • Confusion (Verwirrung): Neu aufgetreten?
  • Respiratory rate (Atemfrequenz): Tachypnoe ≥30/min.?
  • Blood pressure (Blutdruck): Hypotonie <90 mmHg syst. oder <60mmHg diast.?
  • 65 (Alter ≥ 65 J.): Risiko-Altersgruppe?

0 Punkte: Meist ambulant möglich
1-2 Punkte: Stationäre Aufnahme sinnvoll, iv.-Antibiose
>2 Punkte: Intensivmedizinische Überwachung erwägen

Checkliste Pneumonie

  • Bildgebung
    • Röntgen-Thorax
    • Sono (Pneumonie oft auch sonografisch gut visualisierbar)
    • CT: Infiltrate oft früher dargestellt; insb. bei V.a. Abszess / Empyem / kritisch Kranken großzügig
  • Risikofaktoren erheben (s.o.) + Auslandsaufenthalte, Vor-Antbiose?
  • Antibiose nach Schweregrad, zuvor Blutkultur-Entnahme
    • leichte Pneumonie (CRB65: 0): Amoxicillin 1000mg po.
    • CAP (CRB65: 1-2): Ampicillin/Sulbactam 3g iv. plus Azithromycin 500mg iv.
    • CAP (schwer; CRB65>2): Piperacillin/Tazobactam 4,5g iv. plus Azithromycin 500mg iv.
    • HAP (ohne Risikofaktoren): Ampicillin/Sulbactam 3g iv.
    • HAP (schwer/Sepsis/MRE): Piperacillin/Tazobactam 4,5g iv.
  • Urin (Nachweis Legionellen- / Pneumokokken-AG)
    • in der Notaufnahme / frühzeitig auf Station (je nach Ergebnis ggf. Therapieanpassung)
  • Begleiterguss: Frühzeitig punktieren
    • ph <7,2 = V.a. Pleuraempyem: Thoraxdrainage, ggf. thoraxchir. Intervention. Intensivmedizinische Überwachung.
Sonderfälle: MRSA, Pneumocystis, Tuberkulose, Lungenabszess

V.a. MRSA-Beteiligung:

  • Ergänzung der antiinfektiven Therapie um
    • Linezolid 600mg iv. /12h oder
    • Vancomycin iv. 30mg/kg iv. (Initialdosis); dann 20mg/kg iv. /12h, Labor-(Tal)Spiegel vor der morgendliche Gabe

V.a. Pneumocystis-Pneumonie (auch PCJ-Pneumonie)

  • Bei HIV/AIDS insb. bei fehlender Therapiecompliance / unbekanntem Befund; evtl. bei schwerer Immunsupression / Chemotherapie.
  • Typische interstielle, später „schmetterlingsförmige“ Infiltrate, LDH-Erhöhung. Bei Verdacht → Therapie!
  • Cotrimoxazol hochdosiert: 40mg/kg iv. + bei HIV und/oder Hypoxie: Prednisolon 40mg iv.

V.a. Tuberkulose

  • Siehe Tuberkulose unten.
  • Typische „Kavernen“ im Röntgen (ggf. im CT Thorax verifizierbar)
  • Erhöhtes Risiko bei Immunschwäche, Reiseanamnese / Migration aus Gebiet mit hoher TBC-Inzidenz → Isolation!
  • Spezifische Therapie in Rücksprache mit Pneumologie

Lungenabszess(e):

Nekrosebildung des Parenchyms mit Kavernenbildung (isoliert oder multipel). Fließender Übergang bei Pneumonie hin zu nekrotisierenden Infiltraten / Lungenabszessbildung.

  • Verdacht meist bei Bildgebung (Röntgen), Goldstandard: CT
  • Ursache primär: Mikroaspirationen
    • Sekundär: U.a. Superinfektion von Infarktpneumonien, postoperativ, septische Streuung, poststenotische Pneumonie (Neoplasie, Fremdkörper)
  • Antibiotische Therapie (häufig prolongiert über mehrere Wochen) nach Rücksprache Pneumologie / Thoraxchirurgie, z.B. Piperacillin/Tazobactam 4,5g /8h iv.
  • Frühe Bronchoskopie (Obstruktion?), dann ggf. (nach Lage) CT- oder sonogezielte Punktion, ev. OP (Thoraxchirurgie)

ARDS "Acute Respiratory Distress Syndrom"

Schwere Lungenpathologie, rasch entstehend / verschlechternd +

  • Bilaterale Infiltrate
  • Respiratorische Insuffizienz
  • Horovitz-Quotient (PaO2 / FiO2) ≤ 300 mmHg

Komplexes intensivmedizinisches Krankheitsbild, oft schwierige Beatmungssituation. Frühzeitig an Verlegung in Zentrum (mit vvECMO-Kapazität) denken.

Einteilung in mild/moderat/schwer; jeweils bei PEEP 5cmH2O

  • Horovitz 201-300 mmHg: "Mildes" ARDS
  • Horovitz 101-200 mmHg: "Moderates" ARDS
  • Horovitz ≤100 mmHg: "Schweres" ARDS

Auslöser u.a.:

  • Pneumonie (klassisch)
  • Chemisch/toxische Schädigung der Lunge (z.B. toxisches Lungenödem)
  • Trauma (z.B. Lungenkontusion)

Bronchitis

(Meist) virale bronchiale Entzündung/Reizung. Bei Vorerkrankten potentielles Risiko einer sekundären bakteriellen Superinfektion.

Symptomatik:

  • Husten, teils Fieber, Schwächegefühl
  • Pulmonale Rasselgeräusche meist nicht lokalisiert; eher nicht-feucht, teils etwas spastisch (Giemen/Brummen)
  • Labor: Meist normales CRP, negatives PCT, auch Leukozyten eher gering verändert (typisch: geringe Leukozytose)

Checkliste Bronchitis

  • Symptomatische Therapie
    • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr (verbesserte Sekretolyse)
    • Fieber, Schmerzen: NSAR, z.B. Ibuprofen 400mg bis 4-6x tgl., alternativ / additiv Paracetamol 500mg bis 4-6x tgl.
    • Mukolytika (ACC): Keine Evidenz!
  • Meist keine stationäre Therapie nötig
    • Wichtig: Klare Entlassinstruktionen! Wiedervorstellung bei insb. bei hohem Fieber, Dyspnoe, Vigilanzveränderung
  • Keine Antibiose
    • Ausnahme: V.a. bakterielle Superinfektion (Hinweise: Erhöhtes PCT / CRP; schlechtes klinisches Bild
  • Achtung bei Risikopatient:innen!
    • Stark immunsupprimierte Patient:innen (laufende Chemotherapie, Organtransplantation mit Immunsupressiva-Einnahme) entwickeln teils initial kaum CRP/PCT. Großzügiger stationär aufnehmen und engmaschig kontrollieren!

Lungenembolie - LAE

auch: Lungenarterienembolie, Pulmonalarterienembolie (PAE)

Hintergrund + Risikofaktoren
  • Meist initial Bein-/Beckenvenenthrombose
    • selten Armvenen; noch seltener Fettembolie bei Knochenfraktur/OP oder Fruchtwasserembolie bei Geburt)
  • dann Embolus über venösen Rückstrom in die Lungenarterien
  • dann akute Rechtsherzbelastung
    • ggf. + (sekundäre) Infarktpneumonie

Fulminante Lungenembolie: „Teufelskreis“ RV-Dilatation
→ Ineffiziente Kontraktion / verminderte LV-Füllung 
→ Hypotension / Low Output
→ RV Myokardischämie + venöser Rückstau
→ weitere RV Dilatation. Teils auch sofortiger „PEA-Kreislaufstillstand“ durch massive, akute Rechtsherzbelastung.

Risikofaktoren u.a.:

  • Bekannte Gerinnungsstörungen
  • aktive Neoplasie
  • verminderte Beweglichkeit / Immobilisierung
  • Nikotin
  • Hormon-Kontrazeptiva
  • auch (länger) liegender zentraler Venenkatheteter

Symptomatik:

Hinweise auf Lungenembolie in EKG, Labor, Echokardiografie (unspezifisch)
  • EKG:
    • Sinustachykardie (häufigstes Zeichen, sehr unspezifisch)
    • Rechtsschenkelblock / Rechtstyp (v.a. neu aufgetreten)
    • T-Negativierung Brustwand (insb. V1-V4, ev. inferior)
    • S1Q3T3-Typ (sehr unspezifisch, nur in 20% der Patienten!)
  • Labor:
    • Erhöhte D-Dimere
      • Cave: Bei hochgradigem Verdacht auf LAE sind D-Dimere nicht zum Ausschluss geeignet!
    • Erhöhtes Troponin / BNP (bei relevanter Rechtsherzbelastung)
  • Echokardiografie
    • „D-Sign“ (Septum flach, LV „eingedrückt“)
    • RV größer als LV
    • paradoxe Septumbewegung
    • TAPSE <16mm
    • Thrombus im RV/RA (sehr selten)
    • sowie weitere Zeichen akuter Rechtsherzbelastung, z.B. McConnel-Zeichen (→DocCheck)

Verdachtsdiagnose

Bei Erwägung der Differenzialdiagnose "Lungenembolie" im Endeffekt drei Varianten, abhängig von der klinischen und anamnestischen Einschätzung (das komplizierte Vorgehen ergibt sich aus dem Wunsch, nicht indizierte CT-Untersuchungen inkl. Strahlenbelastung für Pat. mit extrem geringer Wahrscheinlichkeit zu vermeiden)

  1. Pat. stabil, klinisch sehr unwahrscheinlich:
    → PERC-Regel zur Vermeidung unnötiger Diagnostik (s. unten)
    • PERC unauffällig: LAE kann mit großer Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden
    • PERC auffällig: Weitere Diagnostik siehe 2.
  2. Pat. stabil, klinisch LAE realistische Differenzialdiagnose:
    → Weitere Abklärung nach YEARS-Algorithmus / Wells-Score (s. unten)
  3. Pat. instabil, klinisch LAE denkbare Ursache:
    → Sofort fokussierte Echokardiografie: Bei akuter Rechtsherzbelastung und ausgeprägter Kreislaufinstabilität Notfall-Lyse oder bei (noch) tolerablem Kreislauf sofort CT-Thorax. Kein Zeitverlust durch Labor!

PERC-Regel zur Vermeidung unnötiger Diagnostik

Falls alle Kriterien erfüllt + geringer klinischer Verdacht: LAE auch ohne D-Dimer Bestimmung sehr unwahrscheinlich, Differenzialdiagnosen erwägen. Keine weitere (LAE-)Diagnostik - außer es besteht doch entsprechender Verdacht.

  • < 50 J.
  • Herzfrequenz <100/min.
  • SpO2 >94% bei Raumluft
  • keine einseitige Beinschwellung
  • keine Hämoptysen
  • kein kürzliches Trauma oder OP
  • keine tiefe Beinvenenthrombose (TVT) in Vorgeschichte
  • keine oralen Hormonpräparate
YEARS-Algorithmus zur Abklärung Lungenembolie

Algorithmus auch für Schwangere validiert

Ablauf YEARS-Algorithmus:

  1. D-Dimere bestimmen
  2. YEARS-Kriterien erheben
    • Keine YEARS-Kriterien: D-Dimer-Grenze 1000µg/l
    • ≥1 YEARS-Kriterien vorhanden: D-Dimer-Grenze 500µg/l
  3. D-Dimer > Grenzwert: Weitere Diagnostik (CT)
    D-Dimer < Grenzwert: LAE ausgeschlossen
YEARS LAE

Alternative zu YEARS-Algorithmus: Wells-Score

Wells-Score zur Abklärung Lungenembolie

Algorithmus nicht für Schwangere validiert

Ablauf Wells-Score:

  1. Risikopunkte erheben
    • Je 3 Punkte für:
    • Je 1,5 Punkte für:
      • Tachykardie (HF >100/min)
      • Immobilisierung über ≥3 Tage und/oder OP in letzten 4 Wochen
      • Anamnestisch Z.n. TVT oder LAE
    • Je 1 Punkt für:
  2. Bildgebung oder D-Dimere
    • >4 Punkte: Hohes Risiko → Direkt Bildgebung (z.B. CT, Szintigrafie) ohne Evaluation der D-Dimer (auch negative D-Dimere würden dann das Risiko nicht ausreichend senken)
    • ≤4 Punkte: Falls D-Dimere (altersadaptiert) negativ = Ausschluss LAE
  3. Altersadaptierte D-Dimer-Grenzwerte:
    • 50 J. = 500µg/l
    • 60 J. = 600µg/l
    • 70 J. = 700µg/l
    • 80 J. = 800µg/l
    • 90 J. = 900µg/l
    • 100 J. = 1.000µg/l

Flowchart: V.a. Lungenembolie

LAE Flowchart

Risikostratifizierung + Therapie

Bei Nachweis einer Lungenembolie (oder hochgradigem Verdacht z.B. Nachweis tiefe Venenthrombose und typische Klinik für LAE): Risikostratifizierung zur weiteren Therapieplanung.

Einteilung nach Vorliegen von Risikofaktoren:

Risikostratifizierung bei Lungenembolie

Lungenembolie: Risikostratifizierung

Frühes Mortalitäts-Risiko

Schock /
Hypotension

sPESI* >1

RV-Belastung
(Echo/CT)

Biomarker
(Troponin/BNP)

Hoch

+

+

+

(+)

Inter-
mediär

Intermed. hoch

-

+

beide

Intermed.
niedrig

-

+

eines / keines

Niedrig

-

-

-

*sPESI: Positiv, sobald einer der Punkte erfüllt:

  • >80 Jahre
  • (aktive) Krebserkrankung
  • Chronische Lungen- oder Herzinsuffizienz
  • HF>110/min
  • RR<100mmHg systolisch
  • SpO2<90%

Checkliste Lungenembolie

  • Hochrisiko-Lungenembolie
    • Notfall-Lysetherapie
      • Falls Lyse kontraindiziert / massiver Befund: Interventionelle / chirurgische Embolektomie erwägen (im Zentrum)
    • Antikoagulation (z.B. Heparin Bolus 5000IE iv.)
    • Sauerstoffgabe
    • Bei Kreislaufinstabilität:
      • Volumenchallenge (VEL 250-500ml iv.) bei niedriger zentralvenöser Füllung erwägen
      • Noradrenalin-Perfusor
      • vaECMO / ECLS erwägen (Zentrum)
    • Bei notwendiger Reanimation: Notfall-Lyse, dann prolongierte CPR
  • LAE mit intermediär-hohem Risiko
    • Antikoagulation z.B. mit UFH (Heparin-Bolus 5000IE iv., dann Perfusor) oder NMH (z.B. Enoxaparin 1mg/kg sc.)
    • Überwachung auf Intensivstation / IMC
      • Ursachensuche (wenn unklar) im stationären Verlauf
  • LAE mit intermediär-niedrigem Risiko oder niedrigem Risiko (normotensiv)
    • Antikoagulation z.B. mit NMH (z.B. Enoxaparin 1mg/kg sc.)
    • Stationäre Aufnahme (bei Niedrigrisiko-LAE ggf. auch ambulant möglich)
      • Ursachensuche (wenn unklar) im stationären Verlauf
  • Nachweis Beinvenenthrombose: Bein elastokompressiv wickeln

Lysetherapie-Schemata

Alteplase Lyse bei Reanimation / Periarrest (akzeleriertes Schema)

Alteplase: Reanimation / Periarrest bei Lungenembolie

"Akzeleriertes Schema": 0,6mg/kg über 15min. (keine Bolusgabe)
Maximaldosis 50mg iv.

Gewicht

Dosis

Laufrate Infusion
bei 1mg/ml
über 15min

Laufrate Infusion
bei 2mg/ml
über 15 min

50kg

30mg

120ml/h

60ml/h

60kg

36mg

144ml/h

72ml/h

70kg

42mg

168ml/h

84ml/h

80kg

48mg

192ml/h

96ml/h

≥90kg

50mg

200ml/h

100ml/h

Alteplase Lyse bei Lungenembolie

Alteplase: Akute Lungenembolie

Periarrest: Siehe "Akzeleriertes Schema"

Gewicht

Bolus
über 1-2min

Dosis Infusion
über 2h

Laufrate Infusion
bei 1mg/ml

Laufrate Infusion
bei 2mg/ml

50kg

10mg

65mg

32,5ml/h

16,3ml/h

55kg

72,5mg

36,3ml/h

18,2ml/h

≥ 65kg

90mg

45ml/h

22,5ml/h

Sonderfall Schwangerschaft

Schwangere Patient:innen habe die Problematik, dass sowohl ein höheres Risiko für Thromboembolie vorliegt, als auch Symptome wie Dyspnoe und Sinustachykardie häufiger vorliegen. Zudem ist die radiologische Bildgebung wegen der befürchteten Strahlenbelastung erschwert.

Checkliste Schwangerschaft + V.a. LAE

  1. YEARS-Algorithmus (s. oben)
    1. YEARS negativ: LAE ausgeschlossen
    2. YEARS positiv (V.a. LAE): Antikoagulation mit NMH s.c. (alternativ UFH), dann
  2. Beinvenensonographie (z.B. 3-Punkt-Kompressionsssono)
    • Nachweis TBVT: Keine weitere Bildgebung nötig, behandeln wie Lungenembolie (zeitnah Labor und Echo zur Risikostratifizierung)
    • Kein Nachweis TBVT: weitere Bildgebung
  3. Bildgebung: CT oder Thoraxröntgen + Szintigrafie
    • CT Thorax mit Kontrastmittel oder
    • Szintigrafie:
      • Falls Szintigrafie realistisch (und zeitnah) verfügbar: Primär Röntgen-Thorax
        • Normales Thoraxröntgen: Szinti-Ventilationsscan kann entfallen; dann nur Perfusions-Szintigrafie (geringe Strahlenbelastung für weibliche Brust)
        • Abnormales Thoraxröntgen: CT (außer, es stellt sich im Röntgen eine klare Diagnose für die Beschwerden heraus - z.B. Pneumothorax und die DD LAE sicher verworfen werden kann)

Pragmatisch: Bei klinischem Niedrig-Risiko gemeinsames „Shared Decision Making“ mit der Patient:in, ob CT gewünscht oder nicht. Ggf. vorab Ergänzung der Befunde um Lungen-Sonografie und Echokardiografie (wenn Expertise).

Strahlenbelastung / Bildgebung

Grenzwert für Schaden für Fötus sind >50mSv. Strahlenbelastung für Fötus bei CT und Szinti in etwa gleich hoch und "nur" 0,2-0,6mSv (s. Tabelle). Die Strahlenbelastung der weiblichen Brust ist allerdings unterschiedlich.

Strahlenbelastung bei Schwangerschaft + Bildgebung

Strahlenexposition bei radiologischer Diagnostik

Fötus (mSv / mGy)

Weibliche Brust (mSv / mGy)

Röntgen-Thorax

<0,01

<0,1

Perfusionsszintigrafie
low dose (40 MBq)

0,02-0,2

0,16-0,5

Perfusionsszintigrafie
high dose (200MBq)

0,2-0,6

1,2

Ventilationsszintigrafie

0,1-0,3

<0,01

CT-Pulmonalisangiografie

0,05-0,5

3-10

Offizielle Schätzwerte nach S2k-Leitlinie Venenthrombose / Lungenembolie (AWMF 2023)

Pneumothorax

Hintergrund + Einteilung
  • Pneumothorax: Freie Luft zwischen Pleura parietalis und viszeralis mit Verlust des negativen Drucks im Pleuraspalt → (progredienter) Kollaps der Lunge → vermehrtes Shunting, verminderte pulmonale Vitalkapazität
  • Spannungspneumothorax: Behinderung des venösen Rückstroms zum Herzen mit konsekutivem obstruktiven Schock.
    Ein Spannungspneumothorax ist eine klinische Diagnose und sollte nicht erst mittels Röntgen (Mediastinalverschiebung auf die gesunde Seite, abgeflachtes Zwechfell auf der erkrankten Seite) erkannt werden.

Einteilung:

  • Spontaner Pneumothorax
    • Primärer Pneumothorax (ohne bekannte Vorerkrankungen): Oft geringere Symptome da sonstiges Lungengewebe gesund / mehr Kompensationsmöglichkeiten)
    • Sekundärer Pneumothorax u.a. bei COPD, Asthma, Emphysem, Fibrose (erhöhte Mortalität und Morbidität)
  • Iatrogener Pneumothorax: Z.B. nach ZVK Anlage, Pleurapunktion (rein formal Unterform des traumatischen Pneumothorax)

Risikofaktoren für sekundäre Genese

  • Pathologische Lungenstruktur auf der nicht befallenen Lunge im Röntgen
  • > 45 Jahre
  • Bestehender Nikotinabusus

Cave: Grunderkrankungen, die einen sekundären Pneumothorax begünstigen, haben ähnliche Symptome wie der Pneumothorax selbst

Symptomatik:

  • Häufig, aber unspezifisch:
    • (plötzliche) Dyspnoe und Husten
    • (einseitig) abgeschwächtes Atemgeräusch
    • einseitiger Thoraxschmerz
  • Selten, aber spezifisch: Hautemphysem
  • Hinweise auf Stauungskomponente:
    • Sinustachykardie
    • Hypotonie
    • obere Einflussstauung

Checkliste Pneumothorax

  • Diagnostik:
    • Sonografie (Pleuragleiten? B-Lines?)
    • Röntgen (möglichst im Stehen; nicht geeignet für instabile Pat.)
      • stabile Patient:innen + spontaner Pneumothorax: immer auch die nicht kollabierte Lunge beurteilen (Hinweise auf bisher nicht diagnostizierte pulmonale Erkrankung?)
    • Computertomografie (ohne KM)
      • Indikationen: V.a. Pneumomediastinum, V.a. sekundäre Genese bei spontanem Pneumothorax, V.a. ventraler Pneumothorax, unklarer Sonografiebefund und Schock
  • Basismaßnahmen:
    • O2 -Gabe 4-6l/min. via Nasenbrille (erhöht Resorption des Pneus)
    • Analgesie
  • Instabiler Kreislauf = V.a. Spannungspneumothorax
    • Notfallentlastung! (Dekompressionskanüle / alternativ längste verfügbare Braunüle oder Fingerthorakostomie - 5. ICR vordere Axillarlinie („Bülau-Position“)
  • Kein Spannungspneumothorax / kreislaufstabil: Genese klären
    • Spontan / iatrogen / traumatisch?
    • Erstmaliger, kleiner (<3cm) Pneumothorax + primäre spontane Genese:
      • Konservatives Procedere möglich
      • Röntgenkontrolle Folgetag / bei Beschwerden
    • Sonstiger Pneumothorax:
      • Aspiration von Luft mittels Punktion, alternativ ≤14CH Thoraxdrainge
        • Bei Aspiration von ≥2,5 Litern Luft = Aspiration nicht erfolgreich: Thoraxdrainage
      • Nach Anlage/Aspiration: Röntgenkontrolle
Re-Expansions-Lungenödem

Seltene Komplikation, typisch nach Entlastung eines länger (>24h) bestehenden, großen Pneumothorax/nach großvolumiger Pleurapunktion

Symptomatik meist Minuten (bis Stunden) nach erfolgreicher Punktion / Entlastung:

  • Hustenreiz / Thoraxschmerz
  • Plötzliche, starke Dyspnoe
  • Brodelndes Atemgeräusch
  • Tachykardie / Tachypnoe
  • Hypoxie

Therapie:

  • O2 -Gabe
  • evtl. Anxiolyse / Analgesie bei Schmerzen
  • bei anhaltender resp. Insuffizienz NIV (selten auch invasive Beatmung nötig)
Pneumothorax ex vacuo ("gefangene Lunge")

Nach therapeutischer Pleurapunktion entfaltet sich die Lunge nicht ausreichend z.B. aufgrund von Vernarbungen/ Verklebungen bei Empyem, die Lunge selbst kann den freigewordenen Platz nicht ausfüllen.
Keine Anlage einer Thoraxdrainage (da dies die Situation durch Sog potenziell nur aggraviert) → Vorstellung Thoraxchirurgie.

Pleuraerguss / Pleuraempyem

Einteilung:

  • Transsudat (durch systematische Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, Leberzirrhose)
  • Exsudat (lokale Prozesse wie Malignom, Pneumonie)
Interpretation Pleurapunktat

Differenzialdiagnostik Pleurapunktat

V.a. Pleuraempyem

  • pH <7,2: V.a. Pleuraempyem (bzw. komplizierter parapneumonischer Erguss)
  • ph <7,1: Pleuraempyem

Transsudat
(z.B. Herzinsuffizienz, Leberzirrhose, Urämie, Hypalbuminämie)

  • Eiweiß <30g/l
  • LDH <200 U/l
  • Cholesterin <60mg/dl

Exsudat
(z.B. Pneumonie, Empyem, Malignität, Pankreatitis): Ab einem Kriterium = Exsudat

  • Eiweiß >30g/l
  • LDH >200 U/l
  • Cholesterin >60mg/dl

Sonderfälle:

  • Hb↑: V.a. hämorrhagischen Erguss, Hämatothorax, maligner Erguss
  • Triglyceride↑: V.a. Chylothorax
  • Glukose↓: V.a. entzündlicher oder maligner Erguss
  • Lipase↑: V.a. Pankreatitis (bzw. andere Pankreas-Pathologie, z.B. Malignom)
  • Leukozyten↑: V.a. Pneumonie/Empyem/TBC (je >10.000/µl); maligne (<5.000/µl)

Lungentuberkulose

Hintergrund + Risikofaktoren

Bakterielle Infektion (Mycobakterium tuberculosis) mit meist primär pulmonaler Symptomatik. Langsamer Progress (über Jahre), rezidivierende "Reaktivierung" möglich falls nicht völlig ausgeheilt.

Auch andere Organmanifestationen möglich, u.a.: Miliartuberkulose (Befall mehrerer Organe), Meningitis tuberculosa

Fulminanter Verlauf bei eingeschränkter Immunlage: „Landouzy-Sepsis“.

Erhöhtes Risiko für TBC u.a.:

  • Immunschwäche, Unterernährung - z.B. bei
    • Menschen ohne festen Wohnsitz
    • Drogen-/Alkoholabusus
  • Geflüchtete
  • In Europa v.a. in ostereuropäischen Ländern höhere Inzidenz

Symptomatik:

  • Typisch: Husten, Hämoptoe, Fieber, Schwäche
  • Oft prolongierter Verlauf mit B-Symptomatik (Nachtschweiß, Fieber, Gewichtsverlust)

Checkliste V.a. Lungentuberkulose

Klinischer + Anamnestischer Verdacht + "typisches" Bild im Röntgen oder CT mit pulmonalen Kavernen = V.a. Lungen-TBC

  • Notaufnahme → Isolation
    • FFP3-Maske für Personal
    • FFP2-Maske OHNE Ausatemventil für Patienten
  • Stationär:
    • Diagnostik:
      • Keimnachweis im Sputum oder BAL (Bronchoskopie) mittels PCR/Kultur
      • indirekter Keimnachweis durch Quantiferon(r)-Test, dieser oft erst nach Wochen positiv
      • ggf. HIV-/Hepatitis-Serologie erwägen (teils ähnliches Risikoklientel)
    • Therapie: Langwieriges, kombiniertes Medikamentenschema nach Diagnosesicherung (Standard-Kombination: Rifampicin, Isoniazid, Pyrazinamid, Ethambutol)

Hyperventilation

Hintergrund

Klinisch vermehrte Atemfrequenz, ausgelöst meist durch Angst und/oder Panik bzw. Schmerz. Deutlich erhöhtes Atemminutenvolumen → respiratorische Alkalose, führt zu Bindung von Calcium an Albumin und relativer Hypocalziämie; führt zu Muskelverkrampfung - typische "Pfötchenstellung" insb. der Hände.

Wichtig: Unterscheidung von Tachypnoe als Begleitsymptom einer potentiell kritischen Erkrankung (z.B. Schock, Sepsis, Lungenembolie) von Hyperventilation / Hyperventilationssyndrom als primäre Problematik.

Symptomatik:

  • Subjektive Dyspnoe
  • (oft) Angst / Panik
  • Kribbelparästhesien
  • Carpopedale Spasmen (klassische „Pfötchenstellung“ der Hände, „Spitzfüße“)
  • Hyperreflexie
  • Keine Auffälligkeiten in der Auskultation

Checkliste Hyperventilation

  • Pat. ernst nehmen: Hyperventilation ist eine Ausschlussdiagnose!
    • Immer Differenzialdiagnosen erwägen
  • Mindest-Diagnostik: vBGA + EKG, klinische Untersuchung / Anamnese
    • Metabolische Entgleisung (z.B. Hyperglykämie, Laktatämie)?
    • Relevante Rhythmusstörung (z.B. Schmalkomplextachykardie)?
    • Andere gefährliche DD (Auswahl):
      • Lungenembolie, Exazerbation bei Asthma / COPD, Pneumonie / Sepsis, Anaphylaxie
      • Metabolische Azidose (Ketoazidose, Intoxikation, Niereninsuffizienz)
      • Starke Schmerzen (z.B. bei abdomineller Pathologie)
  • Fokus: Beruhigung („Talking down“) mit Atemkommandos
    • „Tüte vor das Gesicht“ eher vermeiden (kaum steuerbar, kann bei Vorerkrankten zu lebensbedrohlicher Hypoxie führen).
      • Ggf. erwägen eine Sauerstoffmaske mit Reservoir vorzuhalten ohne O2 aufzudrehen - auch das nur unter engmaschigem Monitoring.
    • Sedierung vermeiden; nur in Ausnahmefällen bei extremer, ausgeprägter Agitation erwägen
    • Je länger Symptomatik persistiert desto mehr an (bedrohliche) DD denken!
Korrigierter pO2 - maskierte Hypoxie?

Bei Verdacht/Hinweis auf maskierte Hypoxie (z.B. spO2 <95% trotz aktueller Hyperventilation) oder relevante Differenzialdiagnose:

  • aBGA
  • Berechnung korrigiertes paO2(korr)= paO2(ist) - 1,6x (40 - paCO2(ist))

Interessante Links (frei zugänglich)
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