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Beckentrauma

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Killer

Red Flags

  • Beckenringverletzung: Vor allem bei jungen Patient:innen Ausdruck von Hochrasanztrauma/Hochrisikomechanismus. Aktiv nach Begleitverletzungen suchen!

Tipps

  • Instabile Beckenringfraktur: Beckenschlinge + Massivtransfusion (bzw. Transfussionsbedarf) antizipieren! Retroperitoneale Blutung, urologische, gynäkologische, abdominelle Verletzung bis zum Beweis des Gegenteils annehmen und ausschließen
Nomenklatur: Beckenschlinge vs. "Trochanterschlinge"

Formal bessere Bezeichnung der Beckenschlinge: "Trochanterschlinge".
Schlinge wird in der Praxis häufig zu hoch angelegt; Ziel ist Höhe des. Trochanter major bds. + Fixierung der Beine. Daher bei Umlagerung / Übernahme von Pat. mit Becken-/Trochanterschlinge: Korrekte Positionierung prüfen!

  • Bei instabilen Patient:innen evtl. konventionelles Röntgen zum umgehenden Frakturnachweis sinnvoll, bei stabilen Patient:innen und bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit: CT (bei v.a. vaskuläre Begleitverletzung: + Kontrastmittel)
    • CAVE: Bei korrekt angelegter Beckenschlinge kann selbst im CT eine instabile Beckenringfraktur übersehen werden!

Beckentrauma

Anatomie

Knöchern:

Der Beckenring wird aus Os sacrum sowie den Ossa coxae gebildet und nach vorne durch die Symphyse geschlossen. 

  • Os sakrum ist mit den Ossa coxae ligamentär fest verbunden
  • Die Ossa coxae setzen sich zusammen aus:
    • Beckenschaufel (Os ilium)
    • Os ischium mit Sitzbein (Tuber ischiadicum) und Os pubis

Das Azetabulum als Gelenkpfanne des Hüftgelenkes wird aus dem vorderen (iliopubischen) und hinteren (ilioischialen) Pfeiler gebildet und von dem Labrum als Knorpelring abgedichtet. Das Hüftgelenk als sog. Nußgelenk verfügt über einen hohen Grad an knöcherner Führung (anders als z.B. die Schulter mit hauptsächlich muskulärer Führung), Luxationen gehen daher häufig mit knöchernen Begleitverletzungen einher.

Weichteilanatomie: (auszugsweise)

Arteriell:

  • ca. 10-15% der aktiven Beckenblutungen sind arteriellen Ursprungs
  • Häufige lokalisierbare Blutungsquellen:
    • A. pudenda interna (Symphysenruptur)
    • A. obturatoria (Schambeinfraktur)
    • A. glutea superior (transiliakale Fraktur)

Venös:

  • der Plexus venosus sakralis liegt ventral des Os Sacrum und ist häufig Ursache von Massenblutungen bei Beckenringverletzungen

Organe:

  • Im Rahmen von Beckentraumata kann es insb. zu Blasen oder Darm bzw. Urethra Verletzungen kommen (Klinik: Blutaustritt aus Anus/Urethra)

Beckenringverletzung

Beckenringverletzungen sind insb. bei jungen Patient:innen Ausdruck eines Hochrasanztrauma, es muss daher aktiv nach Begleitverletzungen gesucht werden. Insb. intraabdominelle Begleitverletzungen sind dabei häufig.

Beckenfrakturen bei instabilem Patient:innen stellen einen absoluten Notfall da und müssen sofort mit einer Beckenschlinge und dann operativ versorgt werden! Sie müssen von radiologisch instabilen Beckenfrakturen bei kreislaufstabilen Patient:innen unterschieden werden (bei letzteren zeitnahe unfallchirurgische Vorstellung und Analgesie möglich)

Untersuchung:

  • Inspektion
    • Hämatome/Schürfungen?
      • insb. bei Überolltrauma sind großflächige Abschürfungen/Hämatome ein Hinweis auf Morell-Lavallèe-Läsion (großflächige Ablösung des Unterhautfettgewebes von der Faszie)
      • Hämatom skrotal, inguinal, perineal (Destot Zeichen): Hinweis auf Beckenringfraktur
  • Genital/After sowie Urethra
    • rektale Untersuchung (Sphinktertonus, Blutaustritt, hoch stehende Prostata?)
      • Evidenz schlecht: Aussagekraft nur bei erfahrenem Untersucher! CT-Diagnostik sollte nicht verzögert werden
    • bei instabiler Beckenringfraktur muss eine retroperitoneale Blutung, urologische, gynäkologische und abdominelle Verletzung bis zum Beweis des Gegenteils  angenommen werden!
  • Prüfung der Stabilität
    • vorsichtige Kompression nach dorsal auf die Beckenschaufel (Verschieblichkeit im Beckenring?)
    • Bei instabilem Patienten obsolet! (etablierte Blutgerinnsel können aufgerissen und eine erneute Blutung induziert werden)
    • klinische Untersuchung der Beckenstabilität nur EINMAL (bei zuvor z.B. präklinisch festgestellter Instabilität und liegender Beckenschlinge kein Lösen /oder Nachuntersuchen im Schockraum)


Diagnostik

  • Sonographie
    • FAST-Sono zum Nachweis intraperitonealer Flüssigkeit/Blutung
    • IMMER bei instabilem Patienten!
  • Konventionelles Röntgen:
    • bei instabilem Patienten ggf. zum umgehenden Frakturnachweis sinnvoll, um umgehende Stabilisierungsmaßnahmen vorzunehmen (Beckenzwinge)
    • bei stabilem Patienten sollte bei hoher klinischer Wahrscheinlichkeit die CT-Diagnostik einer konventionellen Röntgenaufnahme vorgezogen werden
    • Die Beckenübersichtsaufnahme hat eine Sensitivität von maximal 85% zum Nachweis einer Beckenfraktur
  • CT-Abdomen/Becken:
    • bei Verdacht auf vaskuläre Verletzung/aktive Blutung sollte die CT-Untersuchung immer mit Kontrastmittel erfolgen
    • bei Beckenringverletzungen großzügig Traumaspirale zum Ausschluss von Begleitverletzungen! (Hinweis auf Hochrasanztrauma!)
    • CAVE: bei korrekt angelegter Beckenschlinge kann selbst im CT eine instabile Beckenringfraktur übersehen werden, sodass nach Kreislaufstabilisierung und initialer Traumaspirale bei entsprechender klinischer Wahrscheinlichkeit unter engmaschigem Monitoring die Beckenschlinge entfernt werden und eine erneute Bildgebung erfolgen muss.


Einteilung:

Es existieren verschiedene Einteilungen der Beckenringfrakturen mit unterschiedlicher klinischer Relevant. Generell werden Beckenringfrakturen anhand ihrer Stabilität nach AO eingeteilt:

  • Typ A: Dorsaler Beckenring stabil
    • A1 Abrissfraktur vom Beckenrand (Spina iliaca anterior superior und inferior oder Tuber ischiadicum)
    • A2 Frakturen der Beckenschaufeln und Schambeinäste
    • A3 Querfrakturen des Os Sacrum
  • Typ B: Dorsaler Beckenring partiell instabil (rotationsinstabil)
    • B1 Außenrotationsverletzung (Open Book) - Symphysensprengung mit Riss der Ligg. sacroiliaca ventralia und interossea
    • B2 Innenrotationsverletzung - Kompression des Vorderen Beckenrings, Bandapparat intakt (nach lateraler Stauchung)
    • B3 Beidseitige Außen- oder Innenrotationsverletzung
  • Typ C: Dorsaler Beckenring komplett instabil
    • Komplette Ablösung einer oder beider Beckenhälften mit Zerstörung des Bandaparats

Notfallmanagement

Bei jeder instabilen Patient:in oder klinischem Verdacht auf instabiles Becken MUSS umgehend eine Beckenschlinge (Pelvic Binder) angelegt werden und eine etwaig notwendige Massivtransfusion antizipiert werden. Sofern nicht ohnehin im Rahmen der Schockraumversorgung erfolgt sollte eine umgehende Einbindung der Unfallchirurgie zur Stabilisierung und weiteren Versorgung erfolgen.

Beckenschlinge (Pelvic Binder)

Es existieren unterschiedlichste Modelle am Markt sowie Improvisationsmöglichkeiten, das Prinzip ist dabei immer gleich: Durch eine Schlinge um das Becken auf Höhe des Trochanter major wird der Beckenring geschlossen und die Chance auf Selbsttamponade erhöht.

Anwendung:

  • Vorbereitung: Patient:in entkleiden (bzw. Hosentaschen entleeren!), bei Männern bzgl. Quetschung des Penis aufpassen, Beine des Patienten innenrotieren 
  • Schlinge über Trochanter Major positionieren und festziehen (viele Devices haben einen Wiederstandsmesser, ansonsten ausreichende Kompression herstellen) und Schlinge geschlossen fixieren.

Allgemeine Therapie:

Aufgrund der teils komplexen Situation bei Beckenringfrakturen sollte die Unfallchirurgie frühzeitig bezüglich der weiteren Therapieplanung erfolgen. Selbst bei konservativer Therapie ist in der Regel eine stationäre Aufnahme zur initialen Analgesie notwendig.

Operative Therapie:

Instabile Beckenringfrakturen müssen operativ versorgt werden. Der Operationszeitpunkt ist dabei abhängig vom Patientenzustand, in der Regel jedoch am Unfalltag.

Kreislaufinstabile Patient:innen müssen entsprechend der Prinzipien der Damage Controll Surgery die operative Versorgung in Rücksicht auf die Begleitverletzungen abgewogen werden, wenn mit den initial getroffenen Maßnahmen (Beckenzwinge, Packing, Angioembolisation) eine persistierende Kreislaufstabilität erreicht werden kann.

Konservative Therapie:

Typ A Frakturen sowie (seltener) stabile Typ B2 Frakturen können konservativ versorgt werden und, benötigen jedoch in jedem Fall eine ausreichende Analgesie.

Hüftgelenksluxation / Azetabulumfraktur

Hüftgelenksluxationen und Azetabulumfrakturen beim jungen Menschen sind meist folge eines Hochrasanztraumas, z.B. in Folge eines Verkehrsunfalls. Bei älteren Menschen kann nach Sturz auf die seitliche Hüfte eine Subluxation mit oder ohne Azetabulumfraktur die Folge sein.


Untersuchung:

Aufgrund des häufig massiven Traumas sollte bei Verdacht auf eine Hüftgelenksluxation immer nach Begleitverletzungen gesucht werden.

Aufgrund der Beinhaltung kann bereits klinisch ein Verdacht auf die Art der Luxation gestellt werden:

  • verkürztes Bein, Innenrotation und Adduktion: dorsale Luxation
  • Aussenrotation, leichte Flexion, Abduktion: ventrale Luxation
  • leichte Verkürzung, schmerzhafte Bewegung: zentrale Luxation

Insb. eine Läsion des N. ischiadicus muss klinisch ausgeschlossen werden, da nach dorsalen Luxationen in 10-20% eine Läsion des peronealen Anteils vorliegt. Hinweisend auf eine Läsion ist Einschränkung der Dorsalflexion des Fußes sowie Sensibilitätsstörung im Interdigitalraum Dig. I und II.

Diagnostik:

Insb. zur initialen Beurteilung ist das konventionelle Röntgen (Beckenübersicht a.p.) gut geeignet. Bei Azetabulumfraktur wird zur besseren OP-Planung ein CT durchgeführt oder ergänzt.

Konventionelles Röntgen:

  • Beckenübersicht a.p.: gibt Hinweis auf Luxation und ist geeignet zum Ausschluss proximaler Femurfrakturen
  • Alaaufnahme/Obturatoraufnahme: diese Spezialaufnahmen sind zur weiteren Klassifizierung der Azetabulumfrakturen geeignet, in der Praxis wird jedoch meist zugunsten einer CT-Aufnahme auf diese Aufnahmen verzichtet

CT-Diagnostik:

Die CT-Diagnostik als HR-CT der Hüfte ist insb. zur besseren Darstellung der intraartikulären Verhältnisse und zur 3D-Rekonstruktion geeignet und wird meist präoperativ bei komplexen Frakturverhältnissen zur besseren OP-Planung benötigt.

Therapie

Hüftluxationen

Bei Luxationen mit oder ohne begleitende Frakturen sollte eine umgehende Reposition (6h-Zeitfenster) erfolgen, um eine Hüftkopfnekrose zu vermeiden. Die Patienten sollten daher umgehend unfallchirurgisch vorgestellt bzw. in zur weiteren Therapie Verlegt werden.

Ein Repositionsversuch sollte nur unter ausreichender Analgosedierung und bei entsprechender Expertise erfolgen. Die Reposition ist aufgrund der hohen muskulären Zugkräfte im Hüftgeklenk häufig nur unter Kurznarkose und Relaxierung möglich.


Azetabulumfrakturen

Aufgrund der komplexen Situation und dem insgesamt hohen Risiko einer Sekundären Arthrose sollte die Therapie von Azetabulumfrakturen immer nach Rücksprache mit der Unfallchirurgie erfolgen.

Bei minimaler Dislokation (<1mm) kann ein konservativer Therapieversuch erwogen werden.

Hüft-TEP - Luxation 

Nach Totalendoprothese der Hüfte besteht insb. in den ersten 6 Monaten nach OP eine erhöhte Luxationsgefahr.

Unterschieden werden muss die Luxation nach adäquatem Trauma und nach alltäglicher Bewegung. 

Diagnostik:

Untersuchung:

Hinweise auf die Richtung der Luxation: Vordere Luxation meist mit Aussenrotation, hintere Luxation mit Innenrotation einhergehend

Konventionelles Röntgen:

Beckenübersicht a.p. + proximaler Femur (immer vollständiges Implantat darstellen),

teilweise ist in AP Darstellung nicht ausreichend erkennbar, ob eine vordere oder hintere Luxation vorliegt. In diesen Fällen kann eine ergänzende Seitaufnahme oder die klinische Untersuchung hinweisend sein.

CT-Diagnostik

Eine CT-Diagnostik ist nur bei nicht ausreichender Beurteilbarkeit oder V.a. Implantatlockerung/Infekt notwendig.

Management:

  • Vordere Luxationen können durch Zug am gestreckten Bein und gleichzeitige Innenrotation reponiert werden
  • Hintere Luxationen können in Rückenlage bei 90° Flexion im Hüftgelenk durch Zug nach deckenwärts sowie Adduktion und Unterstützung mit einer Hand unter dem Trochanter als Hypomochlion. 
  • Das Repositionsergebnis muss durch ein erneutes Röntgen dokumentiert werden und pDMS nnach Reposition kontrolliert werden.
  • Nach Reposition sollte eine eine Antiluxationsbandage angelegt werden und die weitere Therapie nach unfallchirurgischer Rücksprache erfolgen
  • Hüft-TEP-Luxationen können trotz unauff. Röntgenbild ein Hinweis für einen Low-Grade-Infekt sein, eine Verlaufskontrolle durch ein Endoprothetikzentrum oder primären Operateur zur weiteren Diagnostik sollte daher immer empfohlen werden!

Hüftgelenksnahe Fraktur

Unter den hüftgelenksnahen Frakturen ist die Schenkelhalsfraktur der notfallmedizinische Klassiker bei älteren Patienten nach Sturz. Insgesamt gehen proximale Femurfrakturen mit einer hohen Letalität einher. Hinweise auf typische proximale Femurfraktur auf den ersten Blick: Außenrotiertes, verkürztes Bein.

Anatomie

Knöcherner Aufbau des proximalen Femurs s. Grafik unten:

Allgemein wird der proximale Femur in Hüftkopf (bzw. Femurkopf), Oberschenkelhals, Trochanterregion und Schaft eingeteilt.

Die arterielle Blutversorgung des Hüftkopfes ist für die Versorgung der proximalen Femurfrakturen relevant, da abhängig von der Art der Fraktur die Blutversorgung des Femurkopfes reduziert ist und eine Hüftkopfnekrose droht.

    Schenkelhals

    Untersuchung

    Inspektion:

    Hinweise auf typische Schenkelhalsfraktur bestehen bereits auf den ersten Blick bei typischerweise innenrotiertem, verkürztem Bein.

    Klinische Hinweise:

    • Femurkopffraktur: eher adduziertes und innenrotiertes Bein bei leichter Beugung und Verkürzung im Hüftgelenk
    • Oberschenkelhalsfraktur/pertrochantäre Fraktur: Aussenrotation bei Beinlängen-verkürzung
    • Subtrochantäre Fraktur: adduzierter Femurschaft bei abduziertem, flektierten proximalen Fragment


    Klinische Untersuchung:

    Allgemein muss neben der klinischen Untersuchung auf Begleitverletzungen insb. das Becken sowie Knie und Unterschenkel untersucht werden.

    Klinische Hinweise auf proximale Famurfraktur: 

    • Druckschmerz unterhalb des Leistenbandes insb. bei Schenkelhalsfraktur
    • Trochanterklopfschmerz
    • Fersenklopfschmerz bei gestrecktem Bein

    Diagnostik:

    Röntgenuntersuchung ist bei hüftgelenksnahen Frakturen ohne Hinweis auf komplizierte / mehrfragmentäre Frakturen oder Femurkopffrakturen ausreichend.

    • Konventionelles Röntgen:
      • tiefeingestellte Beckenübersicht (mit Referenzkugel bzgl. etwaiger Prothesengröße)
      • Hüftgelenk axial / nach Lauenstein (alternativ bei Schmerz ggf. Crosstable Aufnahme)
      • bei periprothetischer oder per-/subtrochantäre Fraktur den gesamten Femur bis zum Knie in 2 Ebenen Röntgen
    • CT-Diagnostik:
      • Immer bei pathologischen Frakturen oder unübersichtlichen Frakturverhältnissen (mehrfragmentäre Fraktur oder Femurkopffraktur bzw. V.a. Azetabulumfraktur sowie nach Hüftgelenksluxation

    Einteilung

    Die Einteilung der hüftgelenksnahen Femurfrakturen ist abhängig von der Lokalisation

    Frakturen des Femur- bzw. Hüftkopfes werden nach Pipkin eingeteilt:

    • Typ I: Kaudal der Fovea (ausserhalb der Belastungszone)
    • Typ II: Kranial der Fovea (innerhalb der Belastungszone)
    • Typ III: Typ I/II in Kombination mit Schenkelhalsfraktur
    • Typ IV: Typ I/II in Kombination mit Azetabulumfraktur

    Schenkelhalsfrakturen werden in medial (intrakapsulär) und lateral (extrakapsulär) unterteilt. Weiterhin wird der Dislokationsgrad nach Garden und Pauwel eingeteilt:

    Pauwel - Klassifikation

    • Typ I: <30°
    • Typ II: 30-70°
    • Typ III: >70°

    Garden - Klassifikation

    • Typ I: Stabiler Abduktionsbruch in eingestauchter Valgusfehlstellung
    • Typ II: Nicht dislozierte Fraktur
    • Typ III: partielle Dislokation des distalen Fragmentes nach cranial, Fragmentkontakt am medialen Schenkelhals besteht
    • Typ IV: Vollständige Dislokation des distalen Fragments nach dorsal

    Pertrochantäre Frakturen werden nach AO-Klassifikation eingeteilt, welche jedoch für die klinische Notfallmedizin nicht relevant ist.

    Therapie:

    Aufgrund der komplexen Situation sollte bei hüftgelenksnahen Frakturen immer eine umgehende Rücksprache und Therapieplanung mit der Unfallchirurgie erfolgen. Eine operative Therapie muss innerhalb von 24h erfolgen (Ausnahmen begründet und dokumentiert werden!)

    Allgemeine Richtlinien:

    Konservative Therapie bei proximaler Femurfraktur:

    • bei multimorbiden Patient:innen Abwägung der perioperativen Letalität mit den Nachteilen der konservativen Therapie
    • Hüftkopffraktur Pipkin I und II
    • Impaktierte, eingestauchte Femurfrakturen ohne Dislokation
      • sekundäre Dislokationen allerdings häufig

    Operative Therapie:

    Dingliche OP-Indikation (<24h) aufgrund der Gefahr einer Femurkopfnekrose. Bei der operativen Versorgung wird zwischen extramedullären Verfahren (z.B. dynamische Hüftschraube) und intramedullären Verfahren (z.B. Gammanagel) unterschieden.

    Checkliste Hüftgelenksnahe Fraktur

    • Röntgen:
      • tiefeingestellte Beckenübersicht (mit Referenzkugel)
      • Hüftgelenk axial/nach Lauenstein (alternativ bei Schmerz ggf. Crosstable Aufnahme)
      • bei periprothetischer oder per-/subtrochantärer Fraktur gesamten Femur bis zum Knie in 2 Ebenen
    • Auf Begleitverletzungen insb. Becken, Knie, Unterschenkel untersuchen
    • Dringliche OP-Indikation (<24h) aufgrund der Gefahr einer Femurkopfnekrose

    Oberschenkelschaftfraktur

    Oberschenkelschaftfrakturen treten üblicherweise nach massiver Gewalteinwirkung auf und können mit einem relevanten Blutverlust einhergehen. Bei älteren Patient:innen sind periprothetische Frakturen nach Sturz häufig und bedürfen meist einer komplexen Versorgung. Pathologische Frakturen treten meist subtrochantär auf.

    Untersuchung:

    Achsfehlstellungen und Beinverkürzungen können klinische Hinweise sein. Unbedingt beurteilt werden sollte der Weichteilschaden. Offene Frakturen mit Durchspießung sind häufig und können insb. bei Verletzung der A. femoralis superficialis mit großem Blutverlust einhergehen.

    Diagnostik:

    Konventionelles Röntgen

    • Aufnahme des gesamten Femurs in 2 Ebenen mit Knie- und Hüftgelenk

    CT-Diagnostik

    • aufgrund des meist massiven Traumamechanismus sollte großzügig eine CT-Diagnostik erfolgen
    • insb. bei Gelenkbeteiligung oder komplexen Frakturverläufen sollte ein CT zur besseren Planung der operativen Versorgung erfolgen
    • bei Verdacht auf Gefäßverletzung (z.B. peripheres Pulsdefizit) sollte eine ergänzende CT-Angiografie erfolgen

    Therapie:

    initiales Management:

    Bei deutlicher Achsabweichung sollte unter Analgosedierung eine achsgerechte Lagerung mit anschließender, provisorischer Schienung und pDMS Kontrolle nach Reposition und Schienung erfolgen. (Beinschale, Vakuumschiene etc.)

    weitere Versorgung:

    Operative Therapie regelhaft notwendig, daher umgehende Rücksprache mit der Unfallchirurgie (konservative Versorgung nur im frühen Kindesalter möglich) zur weiteren Planung.

    Interessante Links (frei zugänglich)
    Literatur
    • Schiffner, E. & Jungbluth, P. Beckentrauma. Notaufnahme up2date 05, 165–184 (2023).
    • Fleischmann, T. & Hohenstein, C. Klinische Notfallmedizin Band 1 Wissen: Emergency Medicine nach dem EU-Curriculum. (2020).
    • Wyatt, J. P., Taylor, R. G., Witt, K. de & Hotton, E. J. Oxford Handbook of Emergency Medicine. (2020).
    • Lechner, R., Lampl, L. & Treffer, D. Notfallbehandlung von Beckenverletzungen. Notarzt 33, 132–138 (2017).
    • Tintinalli, J. E., Ma, J. O. & Donald, Y. M. Tintinalli’s Emergency Medicine. (2019).
    • Weigel, B. & Nerlich, M. L. Praxisbuch Unfallchirurgie. (2011).

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