Tipps
- Auf ausreichende Analgosedierung achten
- Bei Verdacht auf eine Luxation muss eine Fraktur ausgeschlossen werden
(Ausnahme ggf. habituelle Schulterluxation bei passender Anamnese und fehlendem Trauma) - Vor und nach der Reposition muss pDMS geprüft und dokumentiert werden
- Nach der Reposition:
- Röntgenbild zur Verifikation (und Dokumentation) Therapieerfolg
- Ruhigstellung und Schonung (+ggf. Physiotherapie) sowie ambulante Verlaufsbeobachtung (innerhalb von 3-5 Tagen)
- Frakturen - umgehende Reposition bei:
- Erkennbar dislozierte OSG-Frakturen
- pDMS-Defizit
Schulterluxation
Techniken zur Reposition der vorderen Schulterluxation
Es gibt eine Vielzahl an Techniken. Hier Auswahl aus pragmatischen Möglichkeiten:
Stimson
- einfache, aber zeitaufwändige Form der Reposition
- suffiziente Analgesie und ggf. Sedierung notwendig
Durchführung:
- Startposition:
Patient:in wird bäuchlings mit der betroffenen Schulter über an den Rand der Liege gelegt- vor Herunterrutschen sichern
- 2,5-5kg Gewichte an Handgelenk befestigen
- 10-20min in dieser Position verharrren (oder bis Reposition erfolgreich)
- unterstützend leichte Aussenrotation und sanfter Druck auf die ipsilaterale Skapulaspitze nach medial
Milch
- 70-90% Erfolgsrate
- gute Toleranz durch Patient:innen (meist keine Analgosedierung notwendig)
Durchführung:
- Startposition:
Lagerung in Rückenlage mit betroffener Schulter am Rand der Liege - Adduktion des Oberarmes und Flexion des Ellenbogens in 90° („aus der Hüfte an die Decke schießen“)
- langsame Außenrotation und Abduktion (Ziel: „über den Kopf“)
- bei vollständiger Abduktion axialer Zug am Oberarm
- ggf. leichter Druck auf den Humeruskopf in Richtung Glenoid durch Assistenz unter gleichzeitiger Abduktion und axialem Zug
Kocher
- einfaches Manöver mit geringem Kraftaufwand, Beginn analog zu Milch
- gute Toleranz durch Patient:innen (meist keine Analgosedierung notwendig
- anekdotisch vermehrte Humerusfrakturen bei älteren Pat. berichtet
Durchführung:
- Startposition:
Lagerung in Rückenlage mit betroffener Schulter am Rand der Liege - Adduktion des Oberarmes und Flexion des Ellenbogens in 90° („aus der Hüfte an die Decke schießen“)
- Außenrotation des Oberarms (bis Widerstand gespürt wird)
- (leichte) Anteversion des Arms
- Innenrotation des Oberarmes
Radiusköpfchen-Subluxation
Reposition mittels „Hyperpronation“ oder „Supination-Flexion“:
- Kind sitzt Untersucher:in z.B. auf dem Schoß der Begleitperson gegenüber
- Eine Hand am Handgelenk für Manöver, andere Hand umfasst zur Stabilisierung sanft den Ellbogen, dort wird bei erfolgreicher Reposition das „Schnappphänomen“ mit dem Finger gespürt
- Meist Erfolg nach einmaligem Repositionsversuch. Falls beim ersten Versuch kein Erfolg, Wiederholung mit selber Technik, dritter/vierter Versuch mit alternativer Technik. Falls auch hier kein Erfolg: Röntgen-Bildgebung und unfallchirurgische Vorstellung
- Hyperpronation:
- Maximale (Hyper)Pronation
- evtl. zusätzlich Extension im Ellbogengelenk
- Supination-Flexion:
- Supination, dann maximale Flexion im Ellbogengelenk (parallel leicht Druck auf das Ellbogengelenk)
Fingerluxation
- Reposition meist problemlos durch leichten Zug und Hyperextension
- kurzer, intensiver Schmerz muss gegen ebenfalls schmerzhaften Oberst-Block abgewogen werden
Ellenbogenluxation
- Reposition sehr schmerzhaft und daher nur unter ausreichender Analgosedierung möglich
Durchführung:
- Startposition:
Patient in Bauchlage
Oberarm im Schultergelenk in 90° Abduktion, Ellenbogen in 90° Flexion, Unterarm hängt über Liege - Rückführung der Ulna aus medialer oder lateraler Fehlstellung
- Axialer Zug durch Zug am Handgelenk unter gleichzeitig leichter Supination
- Leichter Druck auf das Olekranon unter leichter Pronation bis Gelenk reponiert
Hüftluxation
- Häufigste Ursache: Hüft-TEP Luxation
- Traumatische Luxation des Hüftgelenkes nur unter massiver Gewalteinwirkung (Begleitverletzungen?)
- Vor jeder Reposition Röntgenaufnahme zum Frakturausschuss bzw. Beurteilung der TEP
- Reposition nur unter tiefer Analgosedierung oder Allgemeinnarkose mit Muskelrelaxation möglich
Durchführung:
- Startposition:
Lagerung in Rückenlage- Assistenzperson fixiert Becken auf Liege (Druck auf beide Spinae iliacae sup.)
- Longitudinaler Zug unter leichter Adduktion sowie Innenrotation des betroffenen Oberschenkels
- Wenn Beinlänge hergestellt ist Flexion der Hüfte in 90°
- leichte Abduktion und Aussenrotation bis das Gelenk reponiert
Patellaluxation
- Reposition sehr schmerzhaft und daher nur unter ausreichender Analgosedierung möglich
- Durchführung mit zwei Personen
Durchführung:
- Helfer:in 1: Beide Hände neben die luxierte Patella legen um mit den Daumen eine Mobilisation der Patella nach medial zu ermöglichen
- Helfer:in 2: Umfassen von Ober und Unterschenkel
- Sanfte Extension des Knies unter gleichzeitigem Druck auf die Patella in das Gelenk
Frakturen
- Erkennbar dislozierte OSG-Frakturen müssen so schnell wie möglich reponiert werden!
- bei Defizitien von pDMS muss eine umgehende Resposition erfolgen
- offene Frakturen sollten achsgerecht gelagert werden, allerdings ist eine definitive Versorgung üblicherweise nur im OP möglich
- Fehlstellungen werden immer durch Zug unter gleichzeitiger Rückführung reponiert, niemals die Fraktur ohne Zug „geradebiegen“
- Wirbelsäulenfrakturen niemals in der Notaufnahme reponieren
Checkliste: Reposition von Frakturen (allgemein)
- Ausreichende Analgesie / Analgosedierung sicherstellen
- pDMS vor und nach Reposition sowie nach Schienung dokumentieren
- Reposition:
- axialen Zug aufbauen und Fraktur achsgerecht ziehen
- unter Durchleuchtung Knochenstellung überprüfen und durch Schienung fixieren
OSG Fraktur
Aufgrund der großen Gefahr von Weichteilschäden muss eine dislozierte OSG Fraktur umgehend in achsgerechte Position reponiert werden!
Vorgehen:
- Eine Hand umgreift den Unterschenkel, die andere Hand umfasst die Ferse des betroffenen Beines
- Unter Zug wird das OSG in eine Achsgerechte Position gebracht und mit einer überbrückenden Schienung gehalten
- Der Zug an der Ferse während der Reposition ist vergleichbar mit dem Ausziehen eines eng sitzenden Stiefels nach kaudal/ventral
- als Überbrückende Schienung sind zb. Vakuumschienen oder Alupolster-Schienen (z.B. SAM-Splint®) geeignet
Radiusfraktur
- CAVE: Keine mehrfachen Repositionsversuche (Gefahr einer Sudeck-Dystrophie)
- Bruchspaltanästhesie gut geeignet zur Analgesie unter Reposition.
Durchführung:- Unter sterilen Bedingungen Punktion des Bruchspaltes von dorsal
- Aspiration von Frakturhämatom / ggf. Lagekontrolle unter Durchleuchtung
- Injektion eines Lokalanästhetikums (z.B. Lidocain 1% 10-20ml oder Mepivacain 2% 10ml )
- ausreichende Einwirkzeit abwarten (mind. 10min)
Durchführung:
- Patient:in in Rückenlage, 90° Flexion im Ellenbogen
- Aushängen
- Möglichst direkt nach Aushängen Bruchspaltanästhesie
- je nach Bedarf zusätzliche systemische Analgesie
- Hand am Galgen über "Mädchenfänger" (Extensionshülsen) an 2-3 Fingern aufhängen
- Extensionsgewichte (ca. 3–6 kg) in der Ellenbeuge anbringen
- dann mind. 15(-20)min abwarten
- Möglichst direkt nach Aushängen Bruchspaltanästhesie
- Reposition
- durch Druck auf das distale Radiusfragment unter Durchleuchtung
- Gipsverband nach Reposition im Aushang anlegen
- Erfolgreiche Reposition und Fixierung über Gipsverband durch Röntgen dokumentieren
Weiterführende Literatur und Links
Interessante Links (frei zugänglich)
- Reposition Radiusköpfchen-Subluxation "Pulled Ellbow" inkl. Video (DFTB 2023)
- Einfach-Praktisch Schulterluxation und Reposition inkl. Video (NORE 2019 open access)
- Leitlinie posttraumatische Schulterinstabilität (AWMF 2019)
- Video Cunningham-Technik (Medmastery Youtube 2021)
- Video Ten Ways to reduce a dislocated shoulder (L. Melnick Youtube 2015)
- Cunningham Technik und Hintergründe zur Schulterluxation (Dislocation.au)
Literatur
- Wanger, A. et al. Repositionstechniken in der Notaufnahme. Notf. Rettungsmedizin 1–11 (2024)
- Melcher, P., Kleber, C. & Pieroh, P. Reposition großer Gelenke: Hüfte, Knie, Patella – Schritt für Schritt. Notfallmedizin up2date 18, 245–250 (2023).
- Ventzke, M.-M. & Segitz, O. Einfach und praktisch: Reposition der Schulterluxation. Notf. Rettungsmedizin 22, 533–536 (2019).
- Melcher, P. & Theopold, J. Vordere Schulterluxation reponieren – Schritt für Schritt. Notfallmedizin up2date 14, 345–351 (2019).
- DGU. S1-Leitlinie Posttraumatische Schulterinstabilität. AWMF (2019).
- DGU. S1-Leitlinie Schultergelenk Erstluxation. AWMF (2017).
- Stafylakis, D., Abrassart, S. & Hoffmeyer, P. Reducing a Shoulder Dislocation Without Sweating. The Davos Technique and its Results. Evaluation of a Nontraumatic, Safe, and Simple Technique for Reducing Anterior Shoulder Dislocations. J. Emerg. Med. 50, 656–659 (2016).
- Cunningham, N. A new drug free technique for reducing anterior shoulder dislocations. Emerg. Med. 15, 521–524 (2003).