Breaking Bad News
Das Überbringen schlechter Nachrichten ist ein regelhafter Bestandteil der Arbeit in der Notfallmedizin. Die Art, wie schlechte Nachrichten überbracht werden, sind prägend für ganze Familien, können traumatisierend und über Jahre belastend sein. Gleichzeitig ist das Überbringen schlechter Nachrichten auch für die Überbringenden extrem herausfordernd.
Daher sollte gerade in diesen Situationen besonders Wert auf gute Kommunikation gelegt werden - verschiedene Akronyme wurden entwickelt, um Anhaltspunkte zu bieten um strukturiert durch die Gespräche zu führen.
AUFFANGEN
Das Akronym „AUFFANGEN“ basiert auf dem angloamerikanischen „GRIEVING-Modell“ (s. unten), das speziell für die Überbringung von Todesnachrichten in der Notfallmedizin entwickelt wurde.
Es beschreibt die Vorbereitung ("AU") und die Durchführung eines Gesprächs ("FFANGEN"). Eine Besonderheit ist die Betonung von "Nichts sagen" - also dem Zulassen von Stille, was für die Empfänger:innen oft als wichtig empfunden wird, für die Überbringer der Nachricht allerdings häufig herausfordernd ist bzw. häufig vergessen / unterlassen wird.
GRIEV_ING
Englischsprachiges Vorbild für "AUFFANGEN":
- Gather
- Resources
- Identify
- Educate
- Verify
- _ (Give Space)
- Inquire
- Nuts and Bolts
- Give (Number)
Angehörige
Alle Personen (Pat., Angehörige, Familie), die informiert werden sollen versammeln. Piepser/Telefon möglichst ausschalten bzw. an Kolleg:innen weitergeben
Unterstützung
Klären: Wer sollte noch dabei sein? (Seelsorge? Pflege, anderes Teammitglied? Evtl. Sicherheitsdienst?)
Funktion / Vorstellung
Als verantwortliche Arzt / Ärztin vorstellen, Patient:innenname nennen, Anwesende nach Verbindung zu Pat befragen (falls nicht klar)
Fakten & Fokussiert
Was hat der Rettungsdienst gemacht, Maßnahmen in der Klinik - einfache Sprache, kompakt
Aussprechen
Ganz klar sagen, dass Pat. verstorben ist. Klare Worte wählen ("tot", "verstorben"), keine Euphemismen (wie "an einem besseren Ort"...)
Nichts sagen
Dann nichts sagen, Zeit geben, Emotionen zulassen, etwaige "unangenehme Stille" aushalten!
Gelegenheit für Fragen
Aktiv nach Fragen fragen. Alle beantworten. Wenn unklar - ehrlich sein: Keine Spekulationen (auch nicht über das Handeln anderer Beteiligter, Erstversorger etc.)
Erste Organisation
Logistische Themen ansprechen, Abholung, Organspende... (dies kann auch nur „begonnen“ werden, nicht alles muss jetzt sofort geklärt werden)
Nummer (bzw. Kontaktmöglichkeit)
Angebot für etwaige spätere Fragen: Eigene Dienst-Nummer oder Tel. Sekretariat für Terminvergabe etc. geben, evtl. auch Nachbesprechung anbieten
SPIKES
Das SPIKES-Modell wurde ursprünglich im Rahmen der Onkologie entwickelt und hat sich international weit verbreitet. Auch hier sind zentrale Elemente des Gesprächs strukturiert aufgeführt.
Setting
Rahmen schaffen, Vorstellung, Telefon aus
Perception
Wissen Angehöriger/Pat. erfragen, kurze Zusammenfassung der aktuellen Informationen
Invitation
Erheben ob bzw. wie genau Mitteilung erfolgen kann bzw. gewünscht wird
Knowledge
Tatsachenübermittlung, klare deutliche Sprache. Empathie. Keine Floskeln oder medizinisches Spezialvokabular. Ggf. vorab Warnung („Ich muss Ihnen eine schlimme Mitteilung machen.“). Nach Mitteilung Angehörigen / Pat. Zeit für Reaktion, Äußerungen, Trauer lassen. Vermeide Reden, um eigenes beklemmendes Gefühl los zu werden!
Exploration of Emotions
Emotionen ansprechen, validieren. „Ich sehe, dass Sie…“
Strategy & Summarize
Kurze Zusammenfassung, Wünsche berücksichtigen, Ressourcen benennen (z.B. Seelsorge, wer kann Sie abholen...) und (soweit möglich) weitere Schritte besprechen
Die Pause
Kurze gemeinsame Pause des medizinischen Personals nach Eintreten eines Todesfalles - ob erwartet oder unerwartet. Dient zur Besinnung und zum Ehren des Verstorbenen. Jedes Teammitglied kann um die Pause bitten.
Hintergründe: Zeigen und Zulassen von Menschlichkeit und Trauer, gemeinsames Übergangsritual im medizinischen Setting - insbesondere im Kontext multikultureller und multiprofessioneller Teams, besserer und bewussterer Umgang mit Tod und Sterben.
Textvorschlag "Pause"
"Ich würde mich freuen, wenn wir eine kurze Pause machen könnten, um der Person in diesem Bett zu gedenken. Ein Mensch, der Freund und Familienmitglied war.
Ich würde mich freuen, wenn wir uns zusammen - jeder auf seine Weise und in Stille - einen Moment nehmen könnten diese Person zu ehren und die Anstrengungen, die wir unternommen haben, um diesem Menschen zu helfen."
- 45 Sekunden bis eine Minute Stille -
"Vielen Dank euch Allen!"
Weiterführende Literatur und Links
Interessante Links (frei zugänglich)
- Infografik "Die Pause" (Nerdfallmedizin 2024)
- Breaking Bad News to Patients and Relatives (Life In The Fast Lane 2022)
- Breaking bad news – verstehen alle Beteiligten dasselbe? (NewsPapers 2020)
- Breaking Bad News (CanadiEM 2020)
- The Pause (Jonathan Bartels)
Literatur
- Gröning, I., Biermann, H. & Schröder, H. Überbringung schlechter Nachrichten in der Notfallmedizin – eine systematische Übersicht. Notf. Rettungsmedizin 24, 107–114 (2021).
- Toutin-Dias, G., Daglius-Dias, R. & Scalabrini-Neto, A. Breaking bad news in the emergency department. Eur. J. Emerg. Med. 25, 71–76 (2018).
- Bartels, J. B. The Pause. Crit. Care Nurse 34, 74–75 (2014).
- Hobgood, C., Mathew, D., Woodyard, D. J., Shofer, F. S. & Brice, J. H. Death in the Field: Teaching Paramedics to Deliver Effective Death Notifications Using the Educational Intervention “GRIEV_ING.” Prehospital Emerg. Care 17, 501–510 (2013).
- Baile, W. F. et al. SPIKES—A Six‐Step Protocol for Delivering Bad News: Application to the Patient with Cancer. Oncol. 5, 302–311 (2000).